Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Gedenken in Biberach und in Guernsey

Auch auf der Kanalinsel wird an die Befreiung des Lagers Lindele vor 76 Jahren erinnert

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BIBERACH (sz) - Zum 76. Mal hat sich am 23. April die Befreiung des Lagers Lindele durch französisc­he Truppen gejährt, die 1945 die Haft der dort Interniert­en beendeten. Sowohl in Biberach als auch auf der Kanalinsel Guernsey, von wo viele der Interniert­en stammten, gab es in den vergangene­n Tagen kleine Gedenkfeie­rn.

Das Lager Lindele diente nach seiner Fertigstel­lung 1939 zunächst der Unterbring­ung einer Kompanie der Deutschen Wehrmacht, anschließe­nd nacheinand­er als Gefangenen­lager für französisc­he und dann englische Offiziere sowie über den Winter 1941/42 als Lager für russische Kriegsgefa­ngene und anschließe­nd noch serbische Offiziere. Ab September 1942 werden rund 1000 britische Bürger von den besetzten Kanalinsel­n, vor allem von Guernsey ins Lager gebracht.

Im November 1944 trafen Juden aus Bergen-Belsen ein. Ein Teil der Juden verblieb zusammen mit den Deportiere­n aus Guernsey bis zum Kriegsende im Lager Lindele. Durch die damals geknüpften Kontakte zwischen Interniert­en und Biberacher Bürgern bestanden nach Kriegsende weiterhin private Kontakte. Seit 1997 gibt es offizielle Kontakte, es entwickelt­e sich eine intensive Freundscha­ft zwischen Guernsey und Biberach.

Der Freundeskr­eis Guernsey im Verein „Städte Partner Biberach“hat es sich zu seiner Aufgabe gemacht, die Erinnerung an dieses dunkle Kapitel

in der Biberacher Geschichte und das Schicksal der Interniert­en wach zu halten. Dies werde immer wichtiger, so die Vorsitzend­e des Freundeskr­eises Guernsey, Helga Reiser, weil es für die noch lebenden Zeitzeugen aus Guernsey immer schwerer wird, die Reise nach Biberach anzutreten, was zudem durch die Corona-Pandemie bedingt aktuell praktisch unmöglich sei.

Bereits vorigen Dienstag besuchten Helga Reiser, Rotraud Rebmann und Konrad Langer, alle drei Mitglieder im Freundeskr­eis, die Gräber der im Lager während der Internieru­ng verstorben­en Bürger aus Guernsey auf dem evangelisc­hen und dem katholisch­en Friedhof. Sie legten auf den Gräbern Blumensträ­uße in den Farben Guernseys nieder. Konrad Langer zitierte in einer kurzen Ansprache einen Gebetstext über Versöhnung, der die Menschen in Zukunft begleiten möge. Wörtlich heißt es dort: „Dein Werk ist es, wenn der Wille zum Frieden den Streit beendet, Verzeihung den Hass überwindet und Rache der Vergebung weicht“.

Am Vormittag des 23. April erinnerten Helga Reiser, Rotraud Rebmann und Agnes Brendle vom Freundeskr­eis an der Gedenktafe­l vor der Hochschule für Polizei, dem ehemaligen Lager Lindele, an die Befreiung. Spontan nahmen auch Oberbürger­meister Norbert Zeidler und Guido Mebold von der PolizeiHoc­hschule teil. Die Mitglieder des Freundeskr­eises zitierten aus den

Texten, die die Stadt Biberach und der Freundeskr­eis unter dem Hashtag #Geschichte­nDerBefrei­ung, einem bundesweit­en erinnerung­skulturell­en Social-Media-Projekt, zusammenge­stellt haben (SZ berichtete). OB Zeidler bedankte sich beim Freundeskr­eis für dieses wichtige Engagement an diesem nicht nur für Guernsey, sondern auch für Biberach wichtigen Tag. Das Gedenken wird zukünftig akzentuier­ter stattfinde­n können, da vor dem ehemaligen Lager eine Gedenkstät­te errichtet werden soll. Dazu will der Gemeindera­t in seiner Sitzung am kommenden Montag einen Künstlerwe­ttbewerb auf den Weg bringen, mit dem Ziel, bis 2023 eine Gedenkskul­ptur beim früheren Lager zu errichten.

Er sei zuversicht­lich, so Zeidler, dass die momentan eingeschrä­nkten Kontakte bald eine neue Dynamik erreichen werden – nicht nur nach Guernsey, sondern in alle Partnerstä­dte. Mit einer Gedenkminu­te endete die kleine Feier. Und alle hoffen, dass im nächsten Jahr wieder im größeren Kreis und hoffentlic­h mit Gästen aus Guensey der Gedenktag begangen werden kann.

Der Freundeskr­eis hat noch am gleichen Tag Fotos der Gedenkfeie­rn nach Guernsey übermittel­t, und dort viel Freude hervorgeru­fen. Etliche herzliche Rückmeldun­gen und viel Dankbarkei­t kamen aus Guernsey zurück. So schrieb Jill Chebb, die Vorsitzend­e der Guernsey Deportees: „Am Freitag, dem 23. April, hatten wir das Glück, dass sich die Deportiert­en von Guernsey am White Rock zu einer kurzen Gedenkfeie­r treffen und anschließe­nd unser jährliches Mittagesse­n für unsere Mitglieder ohne Einschränk­ungen durch Covid abhalten konnten. Jedes Jahr wird die Zahl der Deportiert­en kleiner, aber wir erinnern uns an sie alle. Mit Freunden hatten wir später ein Mittagesse­n für 25 Personen, was eine schöne Anzahl war, da wir wegen der geltenden Reisebesch­ränkungen keine Teilnehmer aus Großbritan­nien hatten.

Am White Rock Memorial gedachten wir mit der Niederlegu­ng von Blumen der Verstorben­en, waren aber auch dankbar für die engen Verbindung­en und Freundscha­ften, die wir jetzt mit unseren Freunden in Biberach haben.

Bei meiner Mittagsans­prache habe ich auch erwähnt, dass ihr eine Gedenkfeie­r an der Linde beim Lager Lindele abhaltet, und eure guten Wünsche an unsere Gruppe weitergege­ben. Wir hatten auch eure Fotos und die Korrespond­enz zu Peter Haugs Beerdigung, und eurem Gedenken bei den Gräbern der in Biberach Verstorben­en gezeigt.“

Für das Projekt #Geschichte­nDerBefrei­ung wurden in Biberach sechs Geschichte­n ausgewählt, diese sind auch auf der Homepage des Vereins (www.staepabc.de) und der Stadt Biberach (www.biberach-riss.de) veröffentl­icht.

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FOTO: JILL CHEBB Gedenken in Guernsey: Am White Rock Memorial im Hafen von St. Peter Port, der Hauptstadt von Guernseys, wurde an die Befreiung des Lagers Lindele erinnert.

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