Ungewöhnliche Allianzen
Wer das Misstrauen gegen die Demokratie befeuert und wer sich anstecken lässt – Neues Buch über Corona-Proteste
● ehlender Mindestabstand“– so lautet der Titel eines neuen Buches, das Entwicklungen rund um die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung beleuchtet. Es geht einerseits um Allianzen von Rechtsextremen, Impfgegnern und Anhängern alternativer Bewegungen, antisemitische Verschwörungsmythen und Beobachtungen aus Deutschland sowie aus Frankreich, Österreich und Tschechien.
Andererseits, und das macht den Sammelband besonders interessant, widmen sich die Beiträge Aspekten, die zahlreichen Menschen im Detail nicht bekannt sein dürften. Sie stellen Netzwerke Rechtsextremer vor, beleuchten die QAnon-Bewegung in den USA und Deutschland sowie die Rolle von Christen bei Corona-Protesten. Und nicht zuletzt wird darauf hingewiesen, dass Demonstrationen von „Querdenkern“und anderen dazu beigetragen hätten, das Coronavirus zu verbreiten.
Es geht darüber hinaus um undurchsichtige Spendenaufrufe von Demo-Protagonisten, die Rolle der Neuen Rechten und der AfD als „parlamentarischer Arm“der CoronaProteste. Die Autoren der Beiträge und Interviews widmen sich rechtsextremen Umtrieben innerhalb der Polizei und blicken auf Entwicklungen in West- und Ostdeutschland.
Die Journalisten Heike Kleffner und Matthias Meisner, Herausgeber des Bandes mit dem Untertitel „Die Coronakrise und die Netzwerke der Demokratiefeinde“, betonen, dass die Auseinandersetzung in der Pandemie notwendig sei. Mit dem Buch solle dafür gesorgt werden, dass diese Auseinandersetzung jedoch den „kritischen Mindestabstand wahrt
– zu offenen Lügen, Desinformationen und Antisemitismus“. Vielmehr müsse politischer Streit auf Fakten und Respekt gründen.
Die Herausgeber dringen darauf, Hass- und Drohkampagnen sehr ernst zu nehmen. Denn in einschlägigen Kreisen am rechten Rand gebe es längst „schwarze Listen“mit Namen sogenannter Feinde, „Tag-X-Szenarien vom gewaltsamen Umsturz“
Fund Drohungen gegen Politiker. Manches passiert vor aller Augen, anderes verborgen etwa im Messengerdienst Telegram. Insgesamt hätten Teile der Szene „von der NPD bis zu neonazistischen Kleinparteien“mit den Corona-Protesten eine Aufwertung erfahren – „weil die bürgerliche Mitte den notwendigen Mindestabstand nicht einhielt“.
Und damit oft auch nicht zu antisemitischen Verschwörungsmythen, wie es in einem anderen Beitrag heißt. So seien dem Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) für die Zeit vom 17. März bis zum 17. Juni 2020 knapp 125 Kundgebungen und Demonstrationen mit Pandemie-Bezug bekannt, bei denen es zu antisemitischen Äußerungen gekommen sei. Diese seien der „Kitt“auf der Straße und im Internet.
Andere Autoren beschreiben Verflechtungen: zum Beispiel zwischen
Reichsbürgern und Anhängern der QAnon-Bewegung, in der Antisemitismus eine große Rolle spielt und die das FBI 2019 zu einer potenziellen terroristischen Bedrohung erklärte. Oder die AfD: Sie habe sich aus Mangel an geeigneten Inhalten in der Pandemie eher auf die Form konzentriert – etwa in Bezug auf eilige Gesetzgebungen. Die Partei habe den bei Protesten auf der
Straße zu vernehmenden „Sound“verstärkt und auch potenzielle neue Wähler ansprechen wollen.
Es gibt auch Christen, die bei Corona-Protesten mitmischen. Die beiden
„Wir sehen die Netzwerke der organisierten Maskenverweigerer und Impfgegnerinnen als bedrohlich und als eine potenzielle Gefahr für die gesamte Gesellschaft.“Zitat aus dem Buch
großen Kirchen werden in dem Buch deswegen dazu aufgerufen, inhaltliche Auseinandersetzungen nicht zu scheuen. „Sonst überlassen sie die Deutungshoheit über die religiöse Begründung von Protest und Widerstand den Verächtern der liberalen Demokratie.“
Auch Politiker dürften sich keineswegs vereinnahmen lassen: „Die Ambivalenz, die sich daraus ergibt, dass dieselben Politiker, die auf diesen Demonstrationen wüst beschimpft oder gar mit dem Tode bedroht werden,