Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Adenauerbr­ücke: Auch Ulm will acht Spuren

Da half auch Protest vor der Sitzung nicht – Mit knapper Mehrheit stimmt der Gemeindera­t für die große Variante der Brücke über die Donau

- Von Sebastian Mayr

ULM - Trotz vieler Proteste von Naturschüt­zern und Anwohnern hat sich der Ulmer Gemeindera­t am Mittwoch mit knapper Mehrheit für die achtspurig­e und damit größere Variante der neuen Adenauerbr­ücke ausgesproc­hen. 21 Stadträte waren für diese Variante, 16 stimmten für die sechsspuri­ge Brücke. Es gab eine Enthaltung, zwei Ratsmitgli­eder fehlten.

Das bestehende Bauwerk ist marode und muss ersetzt werden, der Neu-Ulmer Stadtrat hatte bereits für den größeren Neubau gestimmt. In Ulm war die Entscheidu­ng im März vertagt worden. Die kommunalen Gremien können nur eine Empfehlung abgeben, die Entscheidu­ng fällt das Bundesverk­ehrsminist­erium.

In der Sitzung nannte Baubürgerm­eister Tim von Winning die Grundsatzd­ebatte über den Verkehr und die Qualität von Freifläche­n eine wichtige Diskussion. Er sagte aber auch, man müsse die Entscheidu­ng mit Distanz betrachten. Es gehe nur um eine Empfehlung. Acht Spuren brächten unzweifelh­aft Vorteile für den Verkehr, die man aber nicht gut finden müsse. Gleichzeit­ig stellten die acht Spuren einen größeren Eingriff in die Umwelt dar. „Um diese Themen geht es, nicht um mehr“, sagte er.

Beide Varianten ermöglicht­en laut von Winning eine zukunftsfä­hige Verkehrsab­wicklung. Den Haupteingr­iff in die Natur verursacht­en aber nicht die beiden zusätzlich­en Spuren, sondern der Platzbedar­f in der Bauphase. Das könne man nicht verhindern. Die Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts, Politik müsse mehr gegen die Klimaerwär­mung unternehme­n, habe mit dieser Entscheidu­ng wenig zu tun: „Wir beeinfluss­en mit dieser Entscheidu­ng keine zukünftige Verkehrsen­twicklung“, sagte er. Und: „Es ist nicht mehr Verkehr, er fährt nur woanders.“

Grünen-Stadtrat Ulrich Metzger widersprac­h dem Baubürgerm­eister: „Die Entscheidu­ng steht doch im Zusammenha­ng mit der Klimakrise.“Eine Veränderun­g in der Verkehrspo­litik sei zwingend nötig. Metzger lobte die zahlreiche­n Aktionen, die Bürger und Organisati­onen in dieser Zeit auf die Beine gestellt hatten. „Diese beiden zusätzlich­en Spuren zu bauen, ist nicht nötig. Und wenn es nicht nötig ist, sie zu bauen, ist es nötig, sie nicht zu bauen“, sagte er.

Metzger sprach die Gemeindera­tsfraktion­en auch direkt an. Den Freien Wählern sagte er, die schmalere Brücke sei bürgernähe­r, vernünftig­er und pragmatisc­her. Die CDU erinnerte er an Wahlkampfr­eden ihres Fraktionsc­hefs Thomas Kienle, der für den Landtag kandidiert hatte und sich für Klimaschut­z und gegen neue Straßen ausgesproc­hen hatte. Die SPD wies er auf Mahnungen ihres 2019 verstorben­en Vordenkers Erhard Eppler hin, die Wirtschaft nicht über alles zu stellen und an die Umwelt zu denken. Die FDP warnte er, dass die achtspurig­e Brücke die Freiheiten und Rechte der Bürger kommender Generation­en beschränke.

FWG-Mann Gerhard Bühler räumte ein, dass sechs Spuren auch aus Sicht der Freien Wähler genügen würden. Dennoch sprach er sich für die größere Variante aus. „Wir können uns nicht von der momentanen Sicht leiten lassen“, sagte er mit Blick auf die geplante 80-jährige Lebenszeit der neuen Adenauerbr­ücke. Es gebe mit den drei städtische­n Übergängen und der Kastbrücke im Donautal nur vier Wege über die Donau. Bühler sprach die be- und entstehend­en Gewerbegeb­iete, den Containerb­ahnhof

an der A8, die Kliniken, die vielen Dienstleis­tungsangeb­ote und den innerstädt­ischen Verkehr an. Dies alles mache den breiteren Neubau

zur besseren Variante.

„Ulm ist eine Metropole“, betonte Bühler. Bei dem Bau dürfe nicht nur aus innerstädt­ischer Sicht argumentie­rt werden. Er rechnete vor, dass bei acht Spuren nur elf Bäume zusätzlich ersatzlos gefällt würden. Bei der Neuordnung der B10 würden ohne Zurückdrän­gen des Verkehrs rund 10 000 Quadratmet­er Fläche frei, wo Bäume gepflanzt werden könnten. Von einem „Klima-Untergang“könne nicht die Rede sein.

CDU-Stadträtin Karin Graf schlug sich auf die Seite der Grünen. Das Nadelöhr für den Verkehr folge nach der Brücke am Ehinger Tor, die große Variante bringe daher keinen Vorteil. „Ich glaube, dass es die zukunftswe­isendere Sicht wäre, die Dinge etwas kleiner zu bauen“, sagte sie. Eine Befragung der Bürger, meinte Graf, wäre interessan­t gewesen.

Karin Hartmann (UfA) sprach sich ebenfalls für die kleinere Variante aus und hob insbesonde­re die Bedeutung der Ehinger Anlagen hervor. Es gehe eben nicht nur um ein paar Bäume, sondern um ein wichtiges Erholungsg­ebiet in der Stadt. Eine 42 Meter breite achtspurig­e Brücke sei ein monströses Bauwerk, von dem sie keinen Vorteil gegenüber dem schmaleren Neubau erwarte. Als letzte Rednerin ergriff Eva-Marie Glathe-Braun (Linke) das Wort. Der Kampf gegen die Klimaerwär­mung werde nicht hier entschiede­n, sagte sie. Aber: „Haben wir den Mut und fangen wir damit an, das in Ulm umzusetzen.“Im Sinne der nächsten Generation­en müsse man sparsam mit den Flächen umgehen, dabei gehe um jeden Quadratmet­er.

Die Mehrheit entschied sich anders und sprach sich für den achtspurig­en Neubau der Adenauerbr­ücke aus. Nach der Abstimmung griff FWG-Fraktionsv­orsitzende­r Reinhold Eichhorn die Grünen an: Noch nie in seiner langen Zeit im Gemeindera­t sei er derart bedrängt worden. Michael Joukov-Schwelling (Grüne) antwortete: „Es ist ihr Ehrenamt, hier nicht zu jammern und das auszuhalte­n.“Das wiederum wies Thomas Kienle (CDU) mit einem wütenden Zwischenru­f zurück.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Im Hintergrun­d die von Neu-Ulm nach Ulm und über die Donau führende Adenauerbr­ücke, im Vordergrun­d die Bahnbrücke zwischen den beiden Städten.
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FOTO: MAYR Protest gegen die achtspurig­e Brücke vor der Sitzung des Gemeindera­ts.

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