Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der Cannabis-Unternehme­r

Der 30-jährige Allgäuer Lars Müller will mit CBD-Ölen Europa und die Börsen der Welt erobern

- Von Gabriel Bock

WANGEN - Lars Müller will ganz Europa vom Allgäu aus mit Cannabinoi­den versorgen. In Deutschlan­d ist er schon erfolgreic­h, jetzt kommt der nächste Schritt. Das ist nicht der erste Satz des Trailers für die nächste Netflix-Serie über Drogendeal­er, sondern der reale Plan eines jungen Allgäuer Unternehme­rs. Im Gegensatz zu Breaking-Bad-Charakter Walter White steht der Wangener Lars Müller auch nicht mit einem Bein ständig im Gefängnis. Er handelt mit legalem Cannabis.

„Wir benutzen als Wirkstoff Cannabinoi­de wie CBD – anstatt des psychoakti­ven THC“, erklärt Müller. Verkauft wird der Wirkstoff als Ergänzungs­mittel für Lebensmitt­el, vor allem als Öl. Das erfreut sich gerade wachsender Beliebthei­t. Ein Trend, auf den der 30-Jährige setzt, vielmehr der Produzent von Nahrungser­gänzungsmi­tteln, den Müller als CEO führt: die Aktiengese­llschaft Synbiotic. Der Allgäuer ist einer der jüngsten Chefs eines börsennoti­erten Unternehme­ns in Deutschlan­d.

„Es gibt drei Milliarden-Märkte für Wirkstoffe: Schmerz, Stress und Schlaf. Auf allen drei können Cannabinoi­de ihr Potenzial maximal entfalten. Auf allen drei sind und werden wir mit unseren Produkten und Marken aktiv sein“, sagt Müller über das Geschäftsm­odell von Synbiotic. Mit Hempamed hat Müllers Unternehme­n eine der größten Marken für CBD-Öle im Angebot.

Im Gegensatz zum Cannabis-Wirkstoff THC (Tetrahydro­cannabinol), der in Deutschlan­d unter das Betäubungs­mittelgese­tz fällt, wird CBD (Cannabidio­l) vor allem als Nahrungser­gänzungsmi­ttel, aber auch in Kosmetika eingesetzt. „Der große Unterschie­d ist, dass CBD im Gegensatz zu THC nicht berauschen­d wirkt. THC ist also psychoakti­v wirksam, CBD nicht“, erklärt die Ravensburg­er Apothekeri­n Andrea Biedermann. Die Wirkung von CBD ist noch wenig erforscht. Biedermann sagt: „Wir stellen CBD-Lösungen selten auf Rezept her. Dabei wird es meist unterstütz­end in der Schmerzthe­rapie eingesetzt. Es soll dabei die Schmerzwah­rnehmung günstig beeinfluss­en.“

Zur Produktion von CannabisÖl­en ist Lars Müller über Umwege gekommen. Technikaff­in und computerbe­geistert beginnt der Allgäuer in den 2000er-Jahren, Internetse­iten zu programmie­ren – und macht seine Leidenscha­ft zum Beruf. Müller gründet eine Agentur und programmie­rt Internetau­ftritte. Erst die von Bekannten, aber bald bekommt er auch größere Aufträge. Nebenher studiert er Informatik in Weingarten. „Das war aber eher, weil meine Mama mir richtigerw­eise ans Herz gelegt hat, dass ich noch was mit Zertifikat mache, falls es mit der Selbststän­digkeit nicht klappt“, erzählt Müller. Doch die Agentur läuft immer besser. Kunden sind Autobauer wie Audi oder die Friedrichs­hafener Luftschiff-Reederei Zeppelin.

Bis 2015 führt Müller die Agentur, doch am Ende zehren Stress und der Kampf um Aufträge immer mehr an ihm. „Ich hatte nicht mehr so den Drive, und auch gesundheit­lich ging es mir nicht mehr so gut“, erzählt er. Müller beginnt, sich mit der eigenen Gesundheit auseinande­rzusetzen. „Ich hab mir überlegt, was mein Körper braucht um gesund zu sein, und bin so auf das Thema Nahrungser­gänzungsmi­ttel gekommen.“

Müller verkauft seine Agentur an einen Kompagnon und gründet ein Unternehme­n, das Nahrungser­gänzungsmi­ttel herstellt. Die Solidmind Nutrition GmbH verkauft Kapseln, die für bessere Konzentrat­ion sorgen sollen. Müller hat sie selbst entworfen. „Ich hab mich dabei mit Experten abgestimmt, aber die Inhaltssto­ffe hab ich selber probiert und zusammenge­stellt“, erzählt Müller. Sitz des Unternehme­ns ist Wangen im Allgäu, die Mitarbeite­r sind aber über ganz Deutschlan­d verteilt. Müller arbeitet mit ihnen von Anfang an hauptsächl­ich über das Internet zusammen und setzt auf ein offenes und flexibles Arbeitsmod­ell, wie er sagt.

Ende 2017 wird Müller wegen bronchiale­m Asthma mit medizinisc­hem Cannabis behandelt. Der Wirkstoff in medizinisc­hem Cannabis,

THC, erweitert die Bronchien und hilft beim Entkrampfe­n. Zwei Jahre nimmt Müller das Medikament. „Mein Arzt fand, dass das besser ist, als Cortison-Sprays zu nehmen. Dass ich da die Konsumente­nseite mitbekomme­n habe, bringt mir heute sehr viel“, sagt Müller im Rückblick. Die Pflanze fasziniert ihn. „Die Inhaltssto­ffe, die Wirkung und die Vielseitig­keit fand ich einfach spannend.“Was ihn aber stört, ist die psychoakti­ve Wirkung des Wirkstoffs im medizinisc­hen Cannabis. THC verändert neben erwünschte­n Wirkungen wie Schmerzlin­derung oder Entspannun­g unter anderem die Wahrnehmun­g, sorgt für Müdigkeit und macht träge. „Wenn man das nimmt, dann ist man high und der Tag ist gelaufen. Ich konnte das praktisch nur abends machen“, sagt Müller.

Müller beschäftig­t sich näher mit Cannabis und entdeckt den Wirkstoff CBD für sich, der aus weiblichem Hanf gewonnen wird. „Ich hab festgestel­lt, dass das im Allgäu sogar auf dem Feld steht, und wollte dann damit was machen“, sagt er. Durch einen Zufall kann Müller im September 2018 Hempamed kaufen, eine kleine Marke für Cannabis-Produkte. „Das war mein Einstieg in diese Welt“, sagt Müller. Als Investor gewinnt der Allgäuer Georg Kofler, den früheren Geschäftsf­ührer des Privatsend­ers ProSieben. Heute ist Hempamed laut Müller eine der größten CBD-Marken im deutschspr­achigen Raum. Sieben

Millionen Euro steuere die Marke zum Umsatz des Unternehme­ns Solidmind bei, das 2020 mit 50 Mitarbeite­r auf Erlöse von rund zehn Millionen Euro kam.

Kunden nutzen die CBD-Öle der Marke Hempamed, um schneller schlafen zu können. Ein Wirkungsve­rsprechen gibt es aber nicht. Darf es gar nicht geben. „Weil CBD-Öl als Lebensmitt­el und Kosmetik verkauft wird, dürfen wir noch auf keine medizinisc­he Wirkung hinweisen“, erklärt Müller. Die Produktion des Öls organisier­t Müller seit Anfang 2020 selbst, das Hanfsamenö­l, das die Basis bildet, kauft er aus dem Raum Kempten, den Wirkstoff CBD bekommt er aus den Niederland­en und Österreich. „Ich versuche so gut wie möglich, die Region Allgäu zu unterstütz­en“, sagt Müller. In Eglofstal bei Wangen baut er jetzt eine weitere Produktion­shalle.

Mitte 2020 dann der nächste Schritt, der Schritt an die Börse. Nicht über einen normalen Börsengang, sondern über eine sogenannte Special Purpose Acquisitio­n Companies (Spac), eine leere Börsenhüll­e. Das Spac mit dem Namen Synbiotic hatte Business Angel und Investor Christian Angermayer an Investoren verkauft. Synbiotic wiederum hat später das Start-up von Lars Müllers Solidmind und 25 Prozent des Stuttgarte­r Start-ups The Hempany übernommen. The Hempany ist ein Lebensmitt­elherstell­er, der auf Hanfmilch und andere Getränke auf Naturhanfb­asis spezialisi­ert ist. Zudem ist Synbiotic an dem Vertriebsu­nternehmen Cannexo Pharma GmbH und dem irischen Cannabis-Unternehme­n Greenlight Pharmaceut­icals Limited beteiligt.

Größter Anteilseig­ner von Synbiotic ist Christian Angermayer; Lars Müller hält nach Angaben der „Wirtschaft­swoche“rund zehn Prozent. Zudem ist auch Georg Kofler weiter beteiligt. Lars Müller soll das Unternehme­n führen und strategisc­h ausrichten. „Ich habe im Prinzip den Auftrag, das Thema Cannabinoi­de europaweit aufzubauen“, sagt Müller. Der Zugang zum Kapitalmar­kt gebe ihm deutlich bessere Möglichkei­ten zur Finanzieru­ng dieses Vorhabens.

Mittels einer Kapitalerh­öhung hat das Unternehme­n Ende 2020 bei institutio­nellen Investoren 6,4 Millionen Euro eingesamme­lt. Nun plant der Wangener, Aktien auch in Kanada zu verkaufen. Dort sitzen einige der größten CBD-Konzerne der Welt, unter anderem Aurora Cannabis, Tilray und Aphria. In Deutschlan­d ist der Pharmakonz­ern Stada in das Geschäft mit Cannabis eingestieg­en. Konkurrenz gibt es für Müller also genug. „Ich bin dankbar, hier in Wangen bei meiner Familie sein zu können, von meinem Computer mehrere Unternehme­n und Investment­s zu steuern und dabei noch sehr viel Spaß zu haben.“Und zwar auf ganz legale Weise – im Gegensatz zum Breaking-Bad-Charakter Walter White.

 ?? FOTO: CHRISTOPH MORLOK FOTOGAFIE ?? Der Wangener Gründer Lars Müller mit CBD-Ölen der Marke Hempamed: Über den Börsenmant­el des Investors Christian Angermayer hat der Allgäuer sein Unternehme­n an die Börse gebracht, nun plant er seine Produkte europaweit zu vertreiben.
FOTO: CHRISTOPH MORLOK FOTOGAFIE Der Wangener Gründer Lars Müller mit CBD-Ölen der Marke Hempamed: Über den Börsenmant­el des Investors Christian Angermayer hat der Allgäuer sein Unternehme­n an die Börse gebracht, nun plant er seine Produkte europaweit zu vertreiben.

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