Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Süd-Länder wollen Afghanen aufnehmen

Bundeshilf­e für Flüchtling­sunterbrin­gung gefordert – Ex-Präsident Karsai trifft Taliban

- Von Kara Ballarin, Claudia Kling und Agenturen

● STUTTGART/KABUL - Die Innenminis­ter der Länder haben vom Bund ein Bundesaufn­ahmeprogra­mm für Afghanista­n-Flüchtling­e wie Ortskräfte, Journalist­innen und Journalist­en oder Menschenre­chtsaktivi­stinnen und -aktivisten gefordert. „Aufgrund der sicherheit­s- und außenpolit­ischen Verantwort­ung des Bundes sehen wir hier den Bund für ein Bundesaufn­ahmeprogra­mm in der Pflicht“, sagte der Vorsitzend­e der Innenminis­terkonfere­nz (IMK), der baden-württember­gische Ressortche­f Thomas Strobl (CDU), am Mittwoch in Berlin nach einer Telefonkon­ferenz der IMK.

Baden-Württember­g selbst will zunächst bis zu 1100 bedrohte Ortskräfte und deren Verwandte aus Afghanista­n aufnehmen. Die evakuierte­n Menschen würden nach dem Königstein­er Schlüssel auf die Bundesländ­er verteilt, sagte ein Sprecher des Justizmini­steriums. Auf BadenWürtt­emberg entfallen demnach 13 Prozent der Betroffene­n, auf Bayern 15 Prozent. „Der Bund in seiner Verantwort­ung führt jedoch zuvor Sicherheit­süberprüfu­ngen und einen Corona-Test durch“, sagte Strobl.

Die Bundeswehr flog am Mittwoch weitere Menschen aus der afghanisch­en Hauptstadt Kabul aus. Seit der Einrichtun­g der Luftbrücke seien mehr als 670 gefährdete Menschen in Sicherheit gebracht worden, so das Verteidigu­ngsministe­rium am Abend. Nach dem am Mittwoch vom Bundeskabi­nett beschlosse­nen Mandatsent­wurf sollen für die Luftbrücke bis zu 600 Soldaten bis spätestens Ende September im Einsatz sein.

Während die Lage rund um den von den Taliban abgesperrt­en Flughafen nach wie vor unübersich­tlich war, blieb es im Rest der Hauptstadt Kabul am Mittwoch weitgehend ruhig. Dort trafen sich Vertreter der militant-islamistis­chen Taliban mit anderen politische­n Kräften. So sprachen am Mittwoch Ex-Präsident Hamid Karsai und der Leiter des Hohen Rates für Nationale Versöhnung Abdullah Abdullah mit dem hochrangig­en Taliban-Mitglied Anas Hakkani. Ein Mitarbeite­r Karsais teilte mit, es sei um Pläne und weitere Treffen gegangen. Ein Sprecher der Taliban erklärte, man wolle andere politische Kräfte an der Macht beteiligen.

Auf EU-Ebene bahnt sich unterdesse­n ein Streit über den Umgang mit afghanisch­en Flüchtling­en an. Österreich sprach sich gegen die Aufnahme weiterer Flüchtling­e aus. Aus Luxemburg kam scharfe Kritik an dieser Haltung. CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak sagte der „Schwäbisch­en Zeitung“, im Vordergrun­d stehe nun die Rettung der Deutschen, ihrer Helfer und bedrohter Frauen. „Gleichzeit­ig ist aber auch richtig, dass Deutschlan­d nicht alle wird aufnehmen können. Vielmehr müssen wir vor Ort helfen“, so Ziemiak.

Experten wie der Migrations­forscher Steffen Angenendt gehen aber ohnehin nicht davon aus, dass ähnlich viele Menschen nach Deutschlan­d zu fliehen versuchen wie 2015 während des Bürgerkrie­gs in Syrien: „Die Grenzen der Erstaufnah­meund Transitsta­aten, die die Menschen durchwande­rn mussten, waren 2015 längst nicht so verschloss­en wie heute.“

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FOTO: TALIBAN/AP/DPA Auf diesem von den Taliban veröffentl­ichten Foto trifft sich Hamid Karsai (Dritter von links), ehemaliger Präsident von Afghanista­n, mit Mitglieder­n der Taliban-Delegation.

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