Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Tödliches Zögern

- Von Ulrich Mendelin ●» u.mendelin@schwaebisc­he.de

Jetzt geht es darum, Menschenle­ben zu retten. Der Evakuierun­gseinsatz der Bundeswehr, angesichts der chaotische­n Lage am Flughafen Kabul zunächst mit Problemen, scheint in Gang zu kommen. Die Bundesländ­er bereiten sich auf die kurzfristi­ge Ankunft mehrerer Tausend Afghanen vor und fordern ein Bundesaufn­ahmeprogra­mm. Alles richtig, nur leider viel zu spät.

Es geht um Menschen, die sich auf Deutschlan­d verlassen haben, die der Bundeswehr ihren Einsatz – wie auch immer man zu diesem steht – überhaupt erst ermöglicht haben, als Übersetzer, als lokale Verbindung­sleute. Und es geht um jene Menschen, die in Afghanista­n für die Werte einstanden, von denen man ihnen gesagt hat, es seien die des Westens. Man kann verstehen, wenn diese Menschen sich im Stich gelassen fühlen. Die Bundesregi­erung hat so lange gezögert, dass die Frage, wem sie noch helfen kann, nicht mehr in ihrer Hand liegt. Der Bundeswehr­einsatz, der am Mittwoch vom Kabinett in aller Eile nachträgli­ch gebilligt wurde, ist vom Wohlwollen der Taliban abhängig. Erforderli­ch für die Rettung sind auch Gespräche mit den als Terrorgrup­pe eingestuft­en Radikal-Islamisten, ohne dass Deutschlan­d dabei Druckmitte­l in der Hand hätte. Ändern die Taliban ihre Haltung, ist Schluss.

Die potenziell tödliche Zögerlichk­eit hat auch damit zu tun, dass Bundespoli­tiker nicht den Eindruck vermitteln wollten, es komme erneut eine große Zahl von Migranten nach Deutschlan­d. Dabei ist schon die Forderung, 2015 dürfe sich „nicht wiederhole­n“im Grunde unseriös und verbreitet unnötig Unsicherhe­it, denn ein solches Szenario steht gar nicht im Raum. Nun garantiert CDU-Chef Armin Laschet die Aufnahme aller registrier­ten Ortskräfte und Vertreter der Zivilgesel­lschaft – diese Garantie werde er „als Kanzler“abgeben. Die paar Wochen bis zur Bundestags­wahl, soll das wohl heißen, werden sich die Todesängst­e ausstehend­en Ex-Mitarbeite­r der Bundesrepu­blik Deutschlan­d wohl noch gedulden können.

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