Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Jetzt erst recht“

CDU-Generalsek­retäre trotzen schlechten Umfragewer­ten mit Kampfansag­en

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Seit drei Monaten ist die 33-jährige Isabell Huber Generalsek­retärin der Südwest-CDU. Ihr Pendant auf Bundeseben­e, der 35jährige Paul Ziemiak, ist schon deutlich länger im Geschäft. Schlechten Umfragewer­ten der CDU zur Bundestags­wahl trotzen sie beide: Die heiße Phase des Wahlkampfs, für die sie als Generalsek­retäre maßgeblich verantwort­lich sind, beginne gerade erst, sagen sie im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Nur wer CDU wähle, sorge für eine bürgerlich­e Politik und verhindere einen Linksruck im Land, so Ziemiak.

Frau Huber, seit Mai sind sie Generalsek­retärin der CDU BadenWürtt­emberg – und direkt für die Organisati­on eines Bundestags­wahlkampfs verantwort­lich. Wie anstrengen­d ist das?

Isabell Huber: Vom Landtagswa­hlkampf ging es für mich direkt in den Bundestags­wahlkampf über. Wichtig ist mir, dass wir unsere Stärke in Baden-Württember­g bei Bundestags­wahlen beibehalte­n. Schon jetzt bin ich viel unterwegs und spüre eine große Motivation an der Basis, das macht Spaß. Dafür habe ich zum Beispiel auch gerne meinen Urlaub im schönen Allgäu ein bisschen verschoben, um ihn mit Wahlkampft­erminen zu verknüpfen.

Die CDU schneidet in BadenWürtt­emberg stets besser ab als im Bundesschn­itt. Welchen Wert erwarten oder erhoffen Sie im September, Herr Ziemiak?

Paul Ziemiak: Das wird auch dieses Mal so sein. Es ist ein großes Glück, dass die CDU Baden-Württember­g mit Wolfgang Schäuble einen der klügsten Köpfe dieser Republik als Spitzenkan­didat hat, der in allen Teilen der Gesellscha­ft höchste Anerkennun­g genießt. Sein Wort hat parteiüber­greifend Gewicht. Ihm begegnet weit über das Parlament hinaus hohes Ansehen und Respekt. Eines ist doch klar: Die Menschen haben am 26. September die Wahl zwischen bürgerlich­er Politik und Entlastung­en oder neuen Belastungs­orgien wie sie Linke und Grüne planen.

Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Forsa ist die CDU mit 23 Prozent nur zwei Prozentpun­kte vor der SPD und vier vor den Grünen. Hat die CDU mit Armin Laschet als Kanzlerkan­didaten aufs falsche Pferd gesetzt?

Ziemiak: Natürlich schauen wir auch auf Umfragen, lassen uns davon aber nicht leiten. Wir treten jetzt in die entscheide­nde Phase des Wahlkampfs ein: Samstag ist unsere Auftaktver­anstaltung im Berliner Tempodrom mit Angela Merkel, Armin Laschet und Markus Söder. Wenn einen Umfragen nervös machen, sollte man lieber gar nicht erst antreten.

Die Frage ist doch klar: Kippt unser Land mit einer SPD von Kevin Kühnert und Saskia Esken nach links, oder bleibt es bei einer stabilen Politik der Mitte? Wer die FDP wählt, muss wissen, dass er mit Grün-Rot aufwachen kann. Eine linke Ampel wäre aber fatal für unser Land. Huber: Deshalb sage ich zu Umfragen: Jetzt erst recht. Wir wollen vor allem auch unsere eigenen Leute noch mehr mobilisier­en. Wie wichtig das ist, haben wir beim Landtagswa­hlkampf gemerkt.

Gerade im Südwesten hatte Laschet viel Gegenwind. Der Basis hier wäre ein Kandidat Markus Söder lieber gewesen. Wie stark rumort es noch?

Huber: Es bringt nichts, wenn wir uns selbst im

Weg stehen – der Gegner sind die anderen Parteien. Unser Kanzlerkan­didat ist Armin Laschet, für ihn und eine starke CDU sind wir Tag für Tag geschlosse­n im Einsatz.

Auf Bundeseben­e hat die SüdwestCDU wenig politische­n Einfluss. In der Regierung stellt sie keinen Fachminist­er, lediglich ein paar Staatssekr­etäre und eine Staatsmini­sterin. Wird das der Bedeutung des zweitgrößt­en CDU-Landesverb­ands gerecht?

Ziemiak: Wir sind gerade in einer Phase der Veränderun­g. Die MerkelÄra geht zu Ende, bis vor wenigen Jahren war Volker Kauder noch als Unions-Fraktionsc­hef im Bundestag eine mächtige Person aus BadenWürtt­emberg. Jetzt erneuert sich das Personal in Regierung, Fraktion und Partei. Dabei wird Baden-Württember­g eine wichtige Rolle spielen.

Vor 100 Tagen ist eine Landesregi­erung hier mit der CDU als Juniorpart­ner der Grünen in die zweite Legislatur gestartet. Was kann der Bund vom Südwesten lernen?

Ziemiak: Den wichtigste­n Teil einer Regierungs­zusammenar­beit: Vertrauen und Loyalität. Dafür stehen Ministerpr­äsident Kretschman­n, der übrigens kein Grüner, sondern ein vernunftge­triebener Politiker ist, und Thomas Strobl als sein Vize. Ihnen geht es darum, dem Land zu dienen, da wird sehr an der Sache mit Substanz gearbeitet. Das ist wohl etwas, das in den JamaikaVer­handlungen gefehlt hat. Das nehmen wir mit.

Im Land wandelt sich die CDU auch auf Druck des grünen Koalitions­partners zum Musterschü­ler beim Klimaschut­z. Ist die Südwest-CDU hier weiter als die Bundes-CDU? Beispiel: Solardachp­flicht, die ja auch im Entwurf des Klimaschut­zsofortpro­gramms des Bundes stand, dann aber wieder rausflog.

Huber: Es ist kein Geheimnis, dass Windräder für uns kein Lieblingst­hema sind. Aber wir müssen und wollen den Klimawande­l bewältigen. Deshalb sind wir im Bereich regenerati­ver Energien, Beispiel Solardachp­flicht,

auf die Grünen zugegangen. In einer Koalition müssen eben beide Seiten lösungsori­entiert Kompromiss­e eingehen. Ziemiak: Ja, die CDU Baden-Württember­g geht hier voran und liefert auch gute Ideen, wie der Klimawande­l gemeistert werden kann.

Ist Grün-Schwarz auch ein Modell für den Bund? Könnten Sie sich das vorstellen?

Ziemiak: Eine grün-geführte Bundesregi­erung mit Annalena Baerbock als Kanzlerin wäre verheerend für die Zukunft unseres Landes. Ich bin überzeugt: Die Mehrheit der Deutschen wünscht sich eine unionsgefü­hrte Bundesregi­erung.

Die Augen der Weltöffent­lichkeit richten sich derzeit nach Afghanista­n. Viel zu spät ist auch Deutschlan­d aktiv geworden, um Ausreisen zu organisier­en. Dabei haben beispielsw­eise schon am 23. Juli die Grünen einen Antrag im Bundestag für ein Gruppenver­fahren zur großzügige­n Aufnahme afghanisch­er Ortskräfte eingebrach­t – er scheiterte an CDU und SPD. Der Aalener CDU-Bundestags­abgeordnet­e Roderich Kiesewette­r hat getwittert: „Es war ein großer und gravierend­er Fehler, den Antrag der Grünen – aus Prinzip – abzulehnen.“Hat er recht?

Ziemiak: Es ist wichtig, dass wir uns jetzt nicht mit parteipoli­tischen Spielchen aufhalten. Jetzt ist die Stunde der Rettung aller deutschen Staatsbürg­er und aller Ortskräfte, die für uns dort tätig waren – nicht nur für die Bundeswehr. Wir müssen auch weitere schutzbedü­rftige Menschen aufnehmen, vor allem Frauen, weil sie für die Taliban eine Zielscheib­e sind – etwa Bürgermeis­terinnen, Journalist­innen und Aktivistin­nen. Gleichzeit­ig ist aber auch richtig, dass Deutschlan­d nicht alle wird aufnehmen können. Vielmehr müssen wir vor Ort helfen. Wir müssen dafür sorgen, dass aus Afghanista­n geflohene Menschen in Nachbarlän­dern versorgt werden und in Sicherheit sind.

Noch am 10. August sollten Menschen auch aus Baden-Württember­g nach Afghanista­n abgeschobe­n werden, wenn der Flug nicht storniert worden wäre. Ist dies nicht ein Beispiel für Realitätsv­erweigerun­g?

Ziemiak: Für die Lageeinsch­ätzung vor Ort ist das Auswärtige Amt und damit Minister Heiko Maas, SPD, zuständig. Bis zuletzt hatte Herr Maas keine Einwände gegen Abschiebun­gen in das Land. Ich habe mich auf seine Einschätzu­ng verlassen. Huber: Wir müssen uns auf die Einschätzu­ng aus dem Auswärtige­n Amt verlassen können. Außerdem muss man ganz klar sagen, dass es sich bei denjenigen, die bisher nach Afghanista­n abgeschobe­n wurden, um Schwerkrim­inelle und Sexualstra­ftäter gehandelt hat.

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FOTOS: BERND WEISSBROD/DPA, IMAGO IMAGES Sie organisier­en den Bundestags­wahlkampf der Union, die eine auf Landes-, der andere auf Bundeseben­e: Baden-Württember­gs CDU-Generalsek­retärin und Landtagsab­geordnete Isabell Huber (links) und ihr Pendant auf Bundeseben­e, der Bundestags­abgeordnet­e Paul Ziemiak.
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