Türkei will Afghanen mit Mauer aufhalten
Stacheldraht und drei Meter hohe Betonwände an der Grenze zu Iran – Erdogan unter Druck der Opposition
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ISTANBUL - Eine Mauer soll afghanische Flüchtlinge vor dem Grenzübertritt in die Türkei stoppen. Präsident Recep Tayyip Erdogan vollzieht mit der Abriegelung eine Kehrtwende.
Von einem Hügel an der iranischen Grenze blickt der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar auf ein helles Band aus Beton. Bis zum Horizont zieht sich eine neu errichtete Mauer, die afghanische Flüchtlinge aus der Türkei fernhalten soll. „Wir schneiden ihnen den Weg ab“, sagt Akar über die Flüchtlinge. Der Minister ist mit einem Tross aus Militärs, Beamten und Reportern regierungsnaher Medien an die Grenze gereist, um den Türken zu zeigen, dass die Regierung auf den Unmut der Wähler über die steigende Zahl von Flüchtlingen aus Afghanistan reagiert. Mit der Mauer wächst auch die Bedeutung der Türkei für die EU als Torwächter in der Flüchtlingsfrage.
Drei Meter hoch, 2,70 Meter breit und sieben Tonnen schwer sind die stacheldrahtbewehrten Betonmodule, die derzeit an der türkisch-iranischen Grenze aufgestellt werden. Ein vier Meter tiefer Graben, Wachtürme, Wärmebildkameras und Aufklärungsdrohnen gehören ebenso zum Grenzregime. Sollten Flüchtlinge doch einmal die Mauer überwinden, warten auf der türkischen Seite Soldaten und Polizisten darauf, sie abzufangen, wie Akar bei dem Grenzbesuch einem mitreisenden Journalisten der Zeitung „Sabah“sagte. Präsident Recep Tayyip Erdogan versprach den Türken, die Mauer werde die Grenze komplett abriegeln.
Knapp 160 Kilometer lang ist die Mauer bereits. Nun soll sie zügig auf 300 Kilometer erweitert werden. Seit fünf Jahren baut die Türkei außerdem an ihrer Grenze zu Syrien an einer Mauer, die sich inzwischen fast entlang der gesamten Grenze von 900 Kilometern erstreckt. Auch an der Grenze zum Irak hat der Mauerbau begonnen: Die Türkei schottet sich nach Süden und Osten ab.
An der iranischen Grenze haben türkische Truppen nach Angaben von Akar seit Jahresbeginn rund 62 000 Flüchtlinge aufgehalten und nach Iran zurückgeschickt. Auf die Türkei rolle über Iran eine „ständig wachsende afghanische Flüchtlingswelle“zu, sagte Erdogan.
Noch vor ein paar Tagen hörte sich das ganz anders an. Von einer Fluchtwelle aus Afghanistan könne keine Rede sein, erklärte Erdogan da noch. Dabei melden regierungsunabhängige Medien seit Wochen die Ankunft von täglich Hunderten Afghanen,
die wegen des Vormarsches der Taliban in ihrer Heimat über Iran nach Westen fliehen – schon vor der Einnahme der Hauptstadt Kabul durch die Taliban. Die Opposition wirft Erdogans Regierung vor, in der Flüchtlingspolitik die türkischen Interessen zu verraten.
In der türkischen Bevölkerung treffen Erdogans Gegner damit einen Nerv. Nach der Aufnahme von 3,6 Millionen Syrern und schätzungsweise einer halben Million Afghanen wollen viele Türken nicht noch mehr Flüchtlinge in ihrem Land. In einer neuen Umfrage fordern fast 58 Prozent der Wähler, die Politik solle Kontakt mit der syrischen Regierung aufnehmen, um die Syrer wieder nach Hause schicken zu können; jeder dritte Türke ist für Zwangsrückführungen. Nur sieben Prozent sprechen sich dafür aus, die Syrer in die türkische Gesellschaft zu integrieren.
Die Krise könnte Erdogan letztlich helfen, die türkischen Beziehungen