Minister in Erklärungsnot
Opposition spricht von „Komplettversagen“
zur EU zu verbessern. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte der „Bild“-Zeitung zufolge, man müsse eng mit der Türkei zusammenarbeiten. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz forderte Hilfe für Länder wie die Türkei, die jetzt Afghanen aufnehmen.
Gespräche zwischen der Türkei und der EU über die afghanischen Flüchtlinge gibt es bereits. Europa hat Ankara für die Fortschreibung des Flüchtlingsabkommens von 2016 drei Milliarden Euro angeboten; das neue Geld könnte auch für die Versorgung von Afghanen in der Türkei ausgegeben werden. Ob Erdogan darauf eingeht, ist offen: Die Opposition spricht von einem „Bestechungspaket“der EU, das der Türkei die ganze Last der Flüchtlingsfrage aufbürden solle. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu warnte Erdogan am Dienstag davor, eine neue Vereinbarung mit der EU zu unterzeichnen. Europa solle mit Iran verhandeln, die Türkei sei schließlich keine direkte Nachbarin von Afghanistan.
Ohnehin ist ungewiss, ob die neue Mauer an der Grenze mit Iran das bringt, was Erdogan verspricht. Selbst wenn die 300 Kilometer fertig sind, gibt es immer noch etliche Grenzabschnitte ohne Sicherung: Die Grenze ist 530 Kilometer lang. Außerdem zeigt die Erfahrung, dass Flüchtlinge und Schlepper meistens Wege finden, Grenzabsperrungen zu überwinden. Noch vor vier Jahren war das auch die Position von Erdogans Regierung. Sein damaliger Ministerpräsident Binali Yildirim kommentierte das Mauerbau-Projekt von Donald Trump in den USA mit den Worten, Mauern seien keine Lösung.
BERLIN (dpa) - Die Opposition wirft der Bundesregierung Schönfärberei und Versagen bei der Lageeinschätzung für Afghanistan in den vergangenen Wochen vor. Am Mittwoch beschäftigten sich die Ausschüsse für Verteidigung und Außenpolitik mit der Machtübernahme der Taliban. Im Zentrum der Kritik standen die zuständigen Ressortchefs, Außenminister Heiko Maas (SPD) und Verteidigungsministerin Annegret KrampKarrenbauer (CDU). Die Auftritte der beiden Minister in den jeweiligen Ausschüssen überzeugten die Opposition nicht.
„Heiko Maas ist federführend. Aber wir haben hier ein Komplettversagen der Bundesregierung“, sagte der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour. Seine Fraktionskollegin Agnieszka Brugger warf der Bundesregierung vor, den Personenkreis der zur Ausreise nach Deutschland berechtigten Menschen vor Wochen „bewusst und willkürlich“sehr klein definiert zu haben. „Zahlreiche Ortskräfte wurden so im Stich gelassen.“
„Neue Erkentnisse gab es nicht“, kommentierte der FDP-Außenpolitiker Bijan Djir-Sarai nach der Sitzung. So habe Maas etwa nicht erklären können, wie es zu der Fehleinschätzung gekommen sei, dass Kabul nicht in die Hand der Taliban fallen werde. Auch der AfD-Außenpolitiker Armin Paul Hampel zeigte sich enttäuscht: „Für mich war das eine Kakofonie der Erklärungsversuche. Zu vielen Fragen gab es ausweichende Antworten.“
Unmut herrscht selbst im Koalitionslager. Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen bezeichnete die Situation in Afghanistan als „dramatischen Scherbenhaufen“. „Es ist ein menschliches Drama und eine Katastrophe, es ist eine politische Katastrophe, es ist ein moralisches Scheitern des Westens“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses.