Ein Ehinger leidet mit seinen Freunden
Warum Matthias Zok verzweifelte Hilferufe aus Afghanistan erhält
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EHINGEN - Die dramatischen Bilder aus Afghanistan in diesen Tagen lassen wohl kaum jemanden kalt. Erst recht nicht Matthias Zok aus Ehingen: Der 48-Jährige bildete im Jahr 2012 für die deutsche Polizei afghanische Polizisten aus. Zu einigen hält er auch heute noch über Facebook Kontakt – und leidet mit ihnen nicht nur mit, sondern hat auch Schuldgefühle.
„Natürlich sollte man als Polizist solche Dinge nicht zu nahe an sich heranlassen. Aber das ist schon schwer, wenn man sieht, was in Afghanistan derzeit passiert, man persönlich verzweifelte Hilferufe bekommt und nichts tun kann“, beschreibt Matthias Zok seine aktuellen Gefühle angesichts der jüngsten Ereignisse am Hindukusch.
Von Dezember 2011 bis Dezember 2012 hat der Ehinger im Militärcamp in Mazar-e-Sharif zusammen mit weiteren 90 Polizisten aus ganz Deutschland Einheimische zu Polizisten ausgebildet. Das Ziel: Sie sollten beim Wiederaufbau und der Demokratisierung des Landes mithelfen, indem sie für Recht und Ordnung im Land sorgten. „Ich habe zwei Monate lang eine Klasse ausgebildet, ansonsten war ich in einem großen Planungsbüro für die Organisation der Ausbildung mitverantwortlich. Dabei hatte ich auch Kontakt zu einheimischen Funktionären, Polizisten, Dolmetschern und anderen Ortskräften, mit denen wir sehr gut zusammengearbeitet haben“, erzählt Zok.
Die Kooperation war so gut, dass hinterher auch Facebook-Freundschaften entstanden und gepflegt worden sind. Umso mehr tue es ihm weh, dass diese Menschen nun um ihr Leben fürchten müssen und er das auch unmittelbar mitbekommt. „Bei mir kommen Nachrichten mit verzweifelten Hilferufen an“, berichtet Matthias Zok. Den bislang verbreiteten Beteuerungen der Taliban, man wolle nach der Machtübernahme in Frieden mit allen Menschen im Land leben und hege keine Rachegelüste
gegen Afghanen, die in den vergangenen 20 Jahren die westlichen Sicherheitskräfte unterstützt haben, schenke niemand wirklich Glauben. „Auch ich bekomme Berichte, wonach sich die Taliban bei Freunden und Verwandten nach dem Aufenthaltsort der sich versteckt haltenden Ortskräfte erkundigen“, sagt Zok. Darauf zu vertrauen, dass die neuen Machthaber vorwiegend friedliche Absichten hätten, sei daher allzu gutgläubig.
Dagegen sprächen auch Berichte von afghanischen Flüchtlingen, mit denen Matthias Zok in seiner Funktion als Leiter einer speziellen polizeilichen Ermittlungsgruppe in Sigmaringen regelmäßig zu tun hat. „Wir bearbeiten alle Straftaten, die einen Flüchtlingsbezug haben“, erklärt Zok. Unter den täglich rund 20 Geflüchteten, die neu in Sigmaringen ankommen, seien auch immer wieder Menschen aus Afghanistan. Und aus deren Berichten erfahre er, dass der Vormarsch der Taliban den Druck auf ethnische Minderheiten oder andere von den neuen Machthabern nicht geduldete Gruppen stetig zunehme. Das mache den Zustrom von Menschen aus dem Land am Hindukusch durchaus nachvollziehbar.
Was Matthias Zok dabei als besonders schlimm empfindet, ist die Tatsache, dass es für die Hilfesuchenden mittlerweile keine Ansprechpartner mehr vor Ort gibt, die sich für sie einsetzen. Entsprechend verzweifelt klingen die Hilferufe, die er persönlich über Facebook bekommt. „Die Leute sind ihrem eigenen Schicksal überlassen, und das macht mich sehr traurig.“Über Jahre hinweg hätten sie den westlichen Kräften den Rücken freigehalten, und jetzt würden sie im Stich gelassen. „Man fühlt sich schuldig“, räumt Zok ein, zumal auch ihm selbst die Hände gebunden sind: „Ich muss so ehrlich sein und den Leuten, die mich um Hilfe bitten, antworten, dass ich im Moment nichts für sie tun kann. Das tut sehr weh. Ich kann lediglich versprechen, mich für sie einzusetzen, wenn sie es schaffen sollten, aus Afghanistan heraus nach Deutschland zu kommen.“
Mit der großen medialen Welle der Schuldzuweisungen an die Politik mag Matthias Zok indes nicht mitschwimmen. Natürlich sei der Vormarsch der Taliban am Ende sehr schnell gegangen, „aber wer mal längere Zeit dort unten war, weiß, wie kompliziert die Lage ist: Was militärisch dort los, wie viele verschiedene Interessen aufeinandertreffen und wie schwierig es daher ist, große Evakuierungsmaßnahmen zu organisieren. Es ist auch schwer zu sagen,