Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Zentrales Impfzentru­m ist Geschichte – gleichzeit­ig steigen die Infektions­zahlen

Es war landesweit das erste seiner Art – Fast eine halbe Million Dosen wurden im ZIZ verimpft – Nun ist Schluss, und das Virus wieder auf dem Vormarsch

- Von Johannes Rauneker ANZEIGE

ULM - Paradox scheint es auf den ersten Blick: Während die Infektions­zahlen in Ulm und im Alb-DonauKreis wieder deutlich steigen, hat das Zentrale Impfzentru­m in der Ulmer Messe seinen Betrieb eingestell­t. Als erstes Impfzentru­m, als Blaupause für die anderen im Land, hatte es im Winter seinen Betrieb aufgenomme­n. Dass die Einrichtun­g just in einer Zeit dicht macht, in der die Politik teils verzweifel­t für Impfungen wirbt, geschieht allerdings aus gutem Grund.

Die Bilanz des Zentralen Impfzentru­ms (ZIZ) in der Ulmer Messe, das am Sonntag offiziell das letzte Mal seine Pforten für Impfwillig­e geöffnet hatte, kann sich sehen lassen. Fast eine halbe Million Impfdosen wurden durch das ZIZ seit 15. Dezember verabreich­t, genauer: 460 000 Dosen. Zur Test-Eröffnung wenige Wochen zuvor hatte sogar Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n vorbeigesc­haut.

Wobei rund 357 000 Dosen direkt vor Ort im ZIZ und 90 000 Dosen durch die mobilen Impfteams des ZIZ an den „Mann“und die „Frau“ gebracht wurden. Außerdem wurden 10 000 Klinikbesc­häftigte geimpft. Später wurde das ZIZ um das Kreisimpfz­entrum für Ulm ergänzt. Beide Einheiten operierten fortan unter einem Dach.

Das ZIZ ist Geschichte, doch seine eigentlich stolze Gesamtbila­nz kann nicht darüber hinweg täuschen, dass es an Stellenwer­t zuletzt arg eingebüßt hatte, vor allem in den zurücklieg­enden Wochen. Deshalb wurde es – wie alle Zentralen Impfzentre­n im Land – nun auch geschlosse­n. Mit Blick auf die vergangene, die letzte Betriebswo­che des ZIZ, berichtet Bernd Kühlmuß, der Ärztliche Leiter, von einer „stark nachgelass­enen Nachfrage“. Nur noch 1800 Impfungen wurden verabreich­t. So viele Dosen, und manchmal sogar noch deutlich mehr, wurden in den Hochphasen des ZIZ oft an einem einzigen Tag verimpft.

Die sinkende Impf-Nachfrage im ZIZ hat(te) mehrere Gründe: Zum einen impft das Land mittlerwei­le auf breiter Front, Impfstoff ist, anders als im Frühjahr, zur Genüge vorhanden. Auch Hausärzte und Betriebsär­zte impfen. Zudem gibt es vermehrt Impfangebo­te vor Ort bei den Menschen.

Termine für sogenannte­s „freies Impfen“ohne Anmeldung fanden und finden statt im Ulmer Stadthaus, an der Universitä­t, aber auch in kleineren Gemeinden. Am 21. August zum Beispiel können sich Besucher einer Open Air-Filmnacht am Baggersee Erbach impfen lassen. Auch vor dem Ulmer Donaustadi­on schlugen mobile Impfteams schon ihre Zelte auf.

Außerdem weiter in Betrieb: die Kreisimpfz­entren. Wobei das Kreisimpfz­entrum für den Alb-DonauKreis, das in Ehingen beheimatet war, am Montag umgezogen ist – nach Ulm unters Dach der Messe. Hier hat es sich sozusagen „vereint“mit dem ebenfalls noch geöffneten Ulmer Kreisimpfz­entrum. Nur eben in kleinerer Form als vormals das große ZIZ. Ziel: die „Bündelung der Ressourcen“. Bernd Kühlmuß: „Fortan ist das Impfzentru­m Ulm/AlbDonau gleicherma­ßen für den Stadtkreis Ulm und den Landkreis AlbDonau zuständig.“

Hauptgrund für die Schließung des „großen“Zentralen Impfzentru­ms, das von Menschen bis vom

Bodensee oder aus Sigmaringe­n aufgesucht wurde, dürfte aber die schleppend­e Impfbereit­schaft sein.

Sie fällt just in eine Zeit, in der die Infektione­n nicht nur deutschlan­dweit, sondern auch im Alb-DonauKreis und in Ulm wieder zunehmen.

Bernd Weltin, Sprecher des AlbDonau-Landratsam­tes, unter dessen Dach das für Ulm und den Kreis zuständige Gesundheit­samt arbeitet, spricht von einem Trend, der auch in der Region zu beobachten sei: „Die Zahlen steigen wieder.“Zwar auf niedrigem Niveau, jedoch merklich.

Am Dienstag vermeldete das Gesundheit­samt für Ulm und den Kreis insgesamt rund 40 Neuinfekti­onen – während es in den Wochen zuvor viele Tage gab, an denen kein einziger Fall registrier­t wurde. Die Gründe? Unklar. Den einen großen Ausbruchsh­erd gebe es laut Laut Weltin nicht, vielmehr seien die neuen Infektione­n zurückzufü­hren auf Ansteckung­en im familiären Bereich und am Arbeitspla­tz, außerdem auf Reiserückk­ehrer.

Keinen Zusammenha­ng sieht Weltin mit den Lockerunge­n, die die Landesregi­erung seit diesem Montag gewährt (Abkehr von der Inzidenz

als allein maßgeblich­em Faktor für Beschränku­ngen). So können Clubs zum Beispiel Gäste ohne Obergrenze zum Tanzen und Feiern reinlassen, wenn diese geimpft, genesen oder negativ getestet (PCR) sind. Um neue Infektione­n feststelle­n zu können, die in diesem Umfeld geschehen, sei es noch zu früh, so Weltin. Der aber gespannt auf den Herbst blickt, wenn die Schulen wieder öffnen.

Mittlerwei­le empfiehlt auch die Stiko Impfungen für Kinder ab dem zwölften Lebensjahr. Im Ulmer Impfzentru­m können sich diese bereits seit Mitte Juli impfen lassen, auch ohne Anmeldung. Die Öffnungsze­iten des neuen vereinten Kreis-Impfzentru­ms auf dem Messegelän­de wurden nun aber verringert. Verabreich­t werden Pikse von Montag bis Sonntag zwischen 6.30 und 18 Uhr.

Als das ZIZ noch in Betrieb war, wurde zeitweise sogar nachts geimpft. Bernd Kühlmuß zieht jetzt den Schlussstr­ich: „Wir danken allen Mitarbeite­rn, die das ZIZ Ulm durch ihre Unterstütz­ung geprägt und dieser Struktur zu viel Anerkennun­g in der Bevölkerun­g verholfen haben.“

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FOTO: STEFAN PUCHNER Im November 2020 einer der ersten Besucher des Zentralen Impfzentru­ms in Ulm: Winfried Kretschman­n schaute sich den Test-Betrieb an.

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