Zentrales Impfzentrum ist Geschichte – gleichzeitig steigen die Infektionszahlen
Es war landesweit das erste seiner Art – Fast eine halbe Million Dosen wurden im ZIZ verimpft – Nun ist Schluss, und das Virus wieder auf dem Vormarsch
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ULM - Paradox scheint es auf den ersten Blick: Während die Infektionszahlen in Ulm und im Alb-DonauKreis wieder deutlich steigen, hat das Zentrale Impfzentrum in der Ulmer Messe seinen Betrieb eingestellt. Als erstes Impfzentrum, als Blaupause für die anderen im Land, hatte es im Winter seinen Betrieb aufgenommen. Dass die Einrichtung just in einer Zeit dicht macht, in der die Politik teils verzweifelt für Impfungen wirbt, geschieht allerdings aus gutem Grund.
Die Bilanz des Zentralen Impfzentrums (ZIZ) in der Ulmer Messe, das am Sonntag offiziell das letzte Mal seine Pforten für Impfwillige geöffnet hatte, kann sich sehen lassen. Fast eine halbe Million Impfdosen wurden durch das ZIZ seit 15. Dezember verabreicht, genauer: 460 000 Dosen. Zur Test-Eröffnung wenige Wochen zuvor hatte sogar Ministerpräsident Winfried Kretschmann vorbeigeschaut.
Wobei rund 357 000 Dosen direkt vor Ort im ZIZ und 90 000 Dosen durch die mobilen Impfteams des ZIZ an den „Mann“und die „Frau“ gebracht wurden. Außerdem wurden 10 000 Klinikbeschäftigte geimpft. Später wurde das ZIZ um das Kreisimpfzentrum für Ulm ergänzt. Beide Einheiten operierten fortan unter einem Dach.
Das ZIZ ist Geschichte, doch seine eigentlich stolze Gesamtbilanz kann nicht darüber hinweg täuschen, dass es an Stellenwert zuletzt arg eingebüßt hatte, vor allem in den zurückliegenden Wochen. Deshalb wurde es – wie alle Zentralen Impfzentren im Land – nun auch geschlossen. Mit Blick auf die vergangene, die letzte Betriebswoche des ZIZ, berichtet Bernd Kühlmuß, der Ärztliche Leiter, von einer „stark nachgelassenen Nachfrage“. Nur noch 1800 Impfungen wurden verabreicht. So viele Dosen, und manchmal sogar noch deutlich mehr, wurden in den Hochphasen des ZIZ oft an einem einzigen Tag verimpft.
Die sinkende Impf-Nachfrage im ZIZ hat(te) mehrere Gründe: Zum einen impft das Land mittlerweile auf breiter Front, Impfstoff ist, anders als im Frühjahr, zur Genüge vorhanden. Auch Hausärzte und Betriebsärzte impfen. Zudem gibt es vermehrt Impfangebote vor Ort bei den Menschen.
Termine für sogenanntes „freies Impfen“ohne Anmeldung fanden und finden statt im Ulmer Stadthaus, an der Universität, aber auch in kleineren Gemeinden. Am 21. August zum Beispiel können sich Besucher einer Open Air-Filmnacht am Baggersee Erbach impfen lassen. Auch vor dem Ulmer Donaustadion schlugen mobile Impfteams schon ihre Zelte auf.
Außerdem weiter in Betrieb: die Kreisimpfzentren. Wobei das Kreisimpfzentrum für den Alb-DonauKreis, das in Ehingen beheimatet war, am Montag umgezogen ist – nach Ulm unters Dach der Messe. Hier hat es sich sozusagen „vereint“mit dem ebenfalls noch geöffneten Ulmer Kreisimpfzentrum. Nur eben in kleinerer Form als vormals das große ZIZ. Ziel: die „Bündelung der Ressourcen“. Bernd Kühlmuß: „Fortan ist das Impfzentrum Ulm/AlbDonau gleichermaßen für den Stadtkreis Ulm und den Landkreis AlbDonau zuständig.“
Hauptgrund für die Schließung des „großen“Zentralen Impfzentrums, das von Menschen bis vom
Bodensee oder aus Sigmaringen aufgesucht wurde, dürfte aber die schleppende Impfbereitschaft sein.
Sie fällt just in eine Zeit, in der die Infektionen nicht nur deutschlandweit, sondern auch im Alb-DonauKreis und in Ulm wieder zunehmen.
Bernd Weltin, Sprecher des AlbDonau-Landratsamtes, unter dessen Dach das für Ulm und den Kreis zuständige Gesundheitsamt arbeitet, spricht von einem Trend, der auch in der Region zu beobachten sei: „Die Zahlen steigen wieder.“Zwar auf niedrigem Niveau, jedoch merklich.
Am Dienstag vermeldete das Gesundheitsamt für Ulm und den Kreis insgesamt rund 40 Neuinfektionen – während es in den Wochen zuvor viele Tage gab, an denen kein einziger Fall registriert wurde. Die Gründe? Unklar. Den einen großen Ausbruchsherd gebe es laut Laut Weltin nicht, vielmehr seien die neuen Infektionen zurückzuführen auf Ansteckungen im familiären Bereich und am Arbeitsplatz, außerdem auf Reiserückkehrer.
Keinen Zusammenhang sieht Weltin mit den Lockerungen, die die Landesregierung seit diesem Montag gewährt (Abkehr von der Inzidenz
als allein maßgeblichem Faktor für Beschränkungen). So können Clubs zum Beispiel Gäste ohne Obergrenze zum Tanzen und Feiern reinlassen, wenn diese geimpft, genesen oder negativ getestet (PCR) sind. Um neue Infektionen feststellen zu können, die in diesem Umfeld geschehen, sei es noch zu früh, so Weltin. Der aber gespannt auf den Herbst blickt, wenn die Schulen wieder öffnen.
Mittlerweile empfiehlt auch die Stiko Impfungen für Kinder ab dem zwölften Lebensjahr. Im Ulmer Impfzentrum können sich diese bereits seit Mitte Juli impfen lassen, auch ohne Anmeldung. Die Öffnungszeiten des neuen vereinten Kreis-Impfzentrums auf dem Messegelände wurden nun aber verringert. Verabreicht werden Pikse von Montag bis Sonntag zwischen 6.30 und 18 Uhr.
Als das ZIZ noch in Betrieb war, wurde zeitweise sogar nachts geimpft. Bernd Kühlmuß zieht jetzt den Schlussstrich: „Wir danken allen Mitarbeitern, die das ZIZ Ulm durch ihre Unterstützung geprägt und dieser Struktur zu viel Anerkennung in der Bevölkerung verholfen haben.“