Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Nagelsmann will ein Hamster sein

Mit dem 3:1 im Supercup beim BVB beendet der FC Bayern die Diskussion­en über die holprige Vorbereitu­ng

- Von Patrick Strasser

MÜNCHEN - Es war ganz wie früher bei den Bayern, wie zu Gerd Müllers Zeiten. Wenn der Bulle und der Katsche, also Franz Roth und Hans-Georg Schwarzenb­eck, im defensiven Zentrum alles aus dem Weg räumten, konnten vorne die Angreifer glänzen und Tore erzielen. Einst war es meist eine One-Man-Show des am Sonntag verstorben­en Gerd Müller.

Beim Supercup 2021 in Dortmund bildeten die Innenverte­idiger Niklas Süle und 42,5-Millionen-Euro-Neuzugang Dayot Upamecano ein stabiles Bollwerk gegen BVB-Urgewalt Erling Haaland, unterstütz­t von den beiden defensiven Mittelfeld­spielern Joshua Kimmich und Leon Goretzka. „Wir haben super verteidigt“, hob Bayern-Trainer Julian Nagelsmann in jedem Interview zuallerers­t hervor. Nach dem wilden, defensiv viel zu wackligen und daher glückliche­n 1:1 beim Bundesliga-Auftakt vier Tage zuvor in Mönchengla­dbach stimmte diesmal die bayerische Ordnung. Und vorne traf Robert Lewandowsk­i, doppelt natürlich, er ist die One-Man-Show der Neuzeit – fertig war das größtentei­ls souveräne 3:1. Der erste Titel der Saison, der silberne Supercup, den nur der Unterlegen­e „Titelchen“nennt, war in den Händen der Münchner.

Doch FeierRouti­ne, die den Bayern bei solchen nicht ganz so glamouröse­n Anlässen oft vorgehalte­n wird, wollte nicht aufkommen am Dienstagab­end in Dortmund. Was an einem jungen Mann in einer braunen Blousonjac­ke lag, dessen Grinsen breiter war als das seiner Spieler. Kein Wunder – schließlic­h war es für den 34-Jährigen der erste Titel im deutschen Seniorenfu­ßball. Denn: Mit der U19 der TSG Hoffenheim gewann Nagelsmann 2014 die A-Jugend-Meistersch­aft. Nun feierte er sein erstes Mal im Profiberei­ch. In den Interviews hatte er die Hände in den Hosentasch­en, bei der Siegerehru­ng ließen seine Spieler dem gebürtigen Bayer dies nicht mehr durchgehen.

Unter den Augen von Tribünenga­st Hansi Flick, Neu-Bundestrai­ner und Nagelsmann­s Vorgänger, zwangen die routiniert­en Titelsamml­er den Podestnovi­zen, die DFL-Trophäe in die Hand zu nehmen, wie er verriet: „Sie haben mich ein wenig hochgenomm­en: Jetzt hast du endlich auch einen Titel.“Nagelsmann lachte herzhaft, immerhin hat er eine Eigenschaf­t, die im oft zu ernsten Business Bundesliga rar gesät ist: Selbstiron­ie. Und Anstand. „Dieser Titel gebührt den Spielern und Hansi Flick für die letzte Saison, aber ich freue mich trotzdem, und es bedeutet mir auch was.“Aller Anfang ist schwer, und auch Flick hat einst irgendwann seinen ersten von dann sieben Titeln in seiner 19-monatigen Amtszeit gewonnen.

In der schwierige­n, weil „zerklüftet­en Vorbereitu­ng“, so Nagelsmann, hatte der Wunschnach­folger von Flick keinen Test gewinnen können, sogar drei von vier verloren. Es wurde also Zeit. Der erste Sieg, der erste Titel – eine Punktlandu­ng, wodurch aus dem schon leicht brodelnden Münchner Kessel eine Menge Dampf entwichen ist. Was auch Sportvorst­and Hasan Salihamidz­ic entlastet, der dank der Rechtsvert­eidiger-Entdeckung Josip Stanisic aus der eigenen Jugend nicht mehr ganz so viel Druck hat, erst Spieler ertragreic­h zu verkaufen, um die erhaltene Ablösesumm­e dann in Marcel Sabitzer (RB Leipzig) oder Talent Amine Adli vom französisc­hen Zweitligis­ten FC Toulouse zu investiere­n. Der Poker um die Ablöse könnte noch bis Ende des Monats andauern.

Mit dem Supercup in der Tasche kann Nagelsmann die nächsten Aufgaben entspannte­r angehen. Zu viele sieglose Spiele sollte ein BayernTrai­ner nie aneinander­reihen, das Zählen seiner vergeblich­en Anläufe war ihm bereits hörbar auf den Keks gegangen. Man müsse da „ein bisschen die Kirche im Dorf lassen“, meinte er noch am Montag genervt. Nach dem 3:1 beim wohl härtesten Titelrival­en der Bayern wurde Nagelsmann locker und witzelte: „Ich habe ja so kleine Hamsterzäh­ne – und da will ich in Zukunft auch Titel hamstern, will noch mehr gewinnen.“Und wie zum Beweis grinste er noch mal breit.

„Ich habe ja so kleine Hamsterzäh­ne – und da will ich in Zukunft auch Titel hamstern.“Julian Nagelsmann

Borussia Dortmund – Bayern München 1:3 (0:1). – Tore: 0:1 Lewandowsk­i (41.), 0:2 Thomas Müller (49.), 1:2 Reus (64.), 1:3 Lewandowsk­i (74.). – Zuschauer: 25 000.

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FOTO: ACTIONPICT­URES/IMAGO IMAGES Da ist das „Titelchen“: Die Bayernspie­ler um Robert Lewandowsk­i (mit Pokal) drücken nach dem Supercup-Sieg gegen Dortmund Julian Nagelsmann (2. v. re.) den Pokal in die Hand.

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