Nagelsmann will ein Hamster sein
Mit dem 3:1 im Supercup beim BVB beendet der FC Bayern die Diskussionen über die holprige Vorbereitung
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MÜNCHEN - Es war ganz wie früher bei den Bayern, wie zu Gerd Müllers Zeiten. Wenn der Bulle und der Katsche, also Franz Roth und Hans-Georg Schwarzenbeck, im defensiven Zentrum alles aus dem Weg räumten, konnten vorne die Angreifer glänzen und Tore erzielen. Einst war es meist eine One-Man-Show des am Sonntag verstorbenen Gerd Müller.
Beim Supercup 2021 in Dortmund bildeten die Innenverteidiger Niklas Süle und 42,5-Millionen-Euro-Neuzugang Dayot Upamecano ein stabiles Bollwerk gegen BVB-Urgewalt Erling Haaland, unterstützt von den beiden defensiven Mittelfeldspielern Joshua Kimmich und Leon Goretzka. „Wir haben super verteidigt“, hob Bayern-Trainer Julian Nagelsmann in jedem Interview zuallererst hervor. Nach dem wilden, defensiv viel zu wackligen und daher glücklichen 1:1 beim Bundesliga-Auftakt vier Tage zuvor in Mönchengladbach stimmte diesmal die bayerische Ordnung. Und vorne traf Robert Lewandowski, doppelt natürlich, er ist die One-Man-Show der Neuzeit – fertig war das größtenteils souveräne 3:1. Der erste Titel der Saison, der silberne Supercup, den nur der Unterlegene „Titelchen“nennt, war in den Händen der Münchner.
Doch FeierRoutine, die den Bayern bei solchen nicht ganz so glamourösen Anlässen oft vorgehalten wird, wollte nicht aufkommen am Dienstagabend in Dortmund. Was an einem jungen Mann in einer braunen Blousonjacke lag, dessen Grinsen breiter war als das seiner Spieler. Kein Wunder – schließlich war es für den 34-Jährigen der erste Titel im deutschen Seniorenfußball. Denn: Mit der U19 der TSG Hoffenheim gewann Nagelsmann 2014 die A-Jugend-Meisterschaft. Nun feierte er sein erstes Mal im Profibereich. In den Interviews hatte er die Hände in den Hosentaschen, bei der Siegerehrung ließen seine Spieler dem gebürtigen Bayer dies nicht mehr durchgehen.
Unter den Augen von Tribünengast Hansi Flick, Neu-Bundestrainer und Nagelsmanns Vorgänger, zwangen die routinierten Titelsammler den Podestnovizen, die DFL-Trophäe in die Hand zu nehmen, wie er verriet: „Sie haben mich ein wenig hochgenommen: Jetzt hast du endlich auch einen Titel.“Nagelsmann lachte herzhaft, immerhin hat er eine Eigenschaft, die im oft zu ernsten Business Bundesliga rar gesät ist: Selbstironie. Und Anstand. „Dieser Titel gebührt den Spielern und Hansi Flick für die letzte Saison, aber ich freue mich trotzdem, und es bedeutet mir auch was.“Aller Anfang ist schwer, und auch Flick hat einst irgendwann seinen ersten von dann sieben Titeln in seiner 19-monatigen Amtszeit gewonnen.
In der schwierigen, weil „zerklüfteten Vorbereitung“, so Nagelsmann, hatte der Wunschnachfolger von Flick keinen Test gewinnen können, sogar drei von vier verloren. Es wurde also Zeit. Der erste Sieg, der erste Titel – eine Punktlandung, wodurch aus dem schon leicht brodelnden Münchner Kessel eine Menge Dampf entwichen ist. Was auch Sportvorstand Hasan Salihamidzic entlastet, der dank der Rechtsverteidiger-Entdeckung Josip Stanisic aus der eigenen Jugend nicht mehr ganz so viel Druck hat, erst Spieler ertragreich zu verkaufen, um die erhaltene Ablösesumme dann in Marcel Sabitzer (RB Leipzig) oder Talent Amine Adli vom französischen Zweitligisten FC Toulouse zu investieren. Der Poker um die Ablöse könnte noch bis Ende des Monats andauern.
Mit dem Supercup in der Tasche kann Nagelsmann die nächsten Aufgaben entspannter angehen. Zu viele sieglose Spiele sollte ein BayernTrainer nie aneinanderreihen, das Zählen seiner vergeblichen Anläufe war ihm bereits hörbar auf den Keks gegangen. Man müsse da „ein bisschen die Kirche im Dorf lassen“, meinte er noch am Montag genervt. Nach dem 3:1 beim wohl härtesten Titelrivalen der Bayern wurde Nagelsmann locker und witzelte: „Ich habe ja so kleine Hamsterzähne – und da will ich in Zukunft auch Titel hamstern, will noch mehr gewinnen.“Und wie zum Beweis grinste er noch mal breit.
„Ich habe ja so kleine Hamsterzähne – und da will ich in Zukunft auch Titel hamstern.“Julian Nagelsmann
Borussia Dortmund – Bayern München 1:3 (0:1). – Tore: 0:1 Lewandowski (41.), 0:2 Thomas Müller (49.), 1:2 Reus (64.), 1:3 Lewandowski (74.). – Zuschauer: 25 000.