„Wollen in allen Bereichen besser werden“
Pascal Wehrlein schaut nach der ersten Formel-E-Saison für Porsche erwartungsvoll nach vorn
RAVENSBURG - Der ehemalige Formel-1-Fahrer und DTM-Champion Pascal Wehrlein aus Worndorf (Landkreis Tuttlingen) chauffiert seit dieser Saison einen Elektrorenner von Porsche in der Formel E. Platz elf im Gesamtklassement der Serie spiegelt die Qualitäten des 26-Jährigen nur bedingt wider. Warum das so gekommen ist, wo und wie er seine Zukunft sieht – das erklärt Pascal Wehrlein im Gespräch mit Klaus-Eckhard Jost.
Herr Wehrlein, Sie haben die Formel-E-Saison auf Platz elf abgeschlossen. Sind Sie damit zufrieden?
Wenn man Platz elf hört, dann hört sich das nicht großartig an. Aber wenn man bedenkt, wie knapp es zuging und dass ich mit 21 Punkten mehr Weltmeister geworden wäre, dann muss man schon sagen, dass es eine positive Saison war. Klar hätten wir hie und da ein paar Punkte mehr holen können, aber generell haben wir einen sehr guten Job gemacht. Wir haben während der Saison große Schritte nach vorne gemacht.
Sie haben ein paar Rennen Anlauf gebraucht.
Definitiv, aber ich habe mit neuen Leuten angefangen zusammenzuarbeiten. Das Team musste verstehen, wie ich das Auto gerne hätte. Ich musste die ganze Software und Setups, die wir einstellen können, verstehen. Das hat einfach ein wenig Zeit gebraucht. Aber ab Mitte der Saison ging’s stark bergauf. Ich fühle mich superwohl im Team und freue mich mit der Erfahrung, die wir gemeinsam gesammelt haben, ins nächste Jahr zu gehen. Ich hoffe, dass wir das in diesem Jahr Gelernte dann sofort umsetzen können.
Was war Ihr persönliches Highlight?
Natürlich das Rennen in Mexiko. Die Performance dieses Wochenendes, als ich am Samstag gewonnen habe und am Tag darauf Zweiter geworden war, hat für sich gesprochen.
Das war gleichzeitig auch der Tiefpunkt, weil Sie im ersten Rennen disqualifiziert wurden und dann eine Zeitstrafe erhalten haben. Genau. Aber wenn man bedenkt, dass wir so wenig Punkte mitgenommen haben, obwohl wir das gesamte Wochenende inklusive Poleposition dominiert haben, dann ist das das weinende Auge. Ein anderes Highlight war definitiv auch Rom mit meinem ersten Podium für Porsche.
Wenn man die 31 Punkte, die Sie durch die Strafen verloren haben, zu Ihren 79 dazuzählen würde, wären Sie Weltmeister.
Ich hätte allerdings auch häufiger in Gruppe 1 beim Qualifying antreten müssen. Es bringt nichts, darüber nachzudenken.
Sie und André Lotterer fahren auch in der kommenden Saison für Porsche. Wo müssen Sie beide sich noch verbessern – technisch, taktisch, organisatorisch?
Es gibt keinen bestimmten Bereich, von dem ich sagen könnte: Da müssen wir deutlich zulegen. Wir wollen in allen Bereichen besser werden. Man darf nicht vergessen, dass es für Porsche auch erst die zweite Saison war. Im Qualifying war ich stark. Leider konnten wir im Rennen dann nicht immer die maximale Punktzahl rausholen.
Bleibt das Team mit Ihrem Renningenieur Kyle Wilson-Clarke als wichtigstem Ansprechpartner zusammen?
Ja, das bleibt so. Darüber bin ich super happy. Ich habe so ein tolles Team, nicht nur meinen Ingenieur und meine Mechaniker, um mich herum, sodass ich mich im kompletten Team unheimlich wohlfühle. Mir kommt es vor, als ob ich schon viel länger als ein Jahr bei der Truppe wäre.
Sie haben Ihre Karriere mit benzinbetriebenen Rennwagen begonnen. Würden Sie sagen, dass Sie durch die Formel E zu einem kompletteren Rennfahrer geworden sind, weil die Anforderungen komplexer sind?
Definitiv. In der Formel E fährt man, speziell im Rennen, noch einmal ganz anders. Da geht es nicht nur um Geschwindigkeit, sondern auch um Effizienz. Dieses Thema kannte ich davor nicht. In diesem Bereich bin ich speziell in diesem Jahr besser geworden.
Formel-E-Kritiker bemängeln, dass es den Elektrorennern an Geschwindigkeit fehlt. Würde mehr Speed auf den engen Kursen Sinn machen?
Auf den Kursen, die der DNA der Formel E entsprechen, also engen Stadtkursen wie London, Rom und Riad, da kommt es einem als Fahrer schon sehr schnell vor.
Würden Sie höhere Geschwindigkeiten als Fahrer, der neben dem Steuern auch noch die Energie managen muss, nicht überfordern? Ich würde sagen, dass ich die Kapazitäten habe, um noch schneller zu fahren.
Was würden Sie an Änderungen fordern, damit der Sport für die Fahrer fairer wird?
Ich bin kein großer Fan von dem Qualifying-Format mit den verschiedenen Gruppen. Von Gruppe 1 bis Gruppe 4 verändert sich die Strecke doch zu entscheidend. Dadurch, dass die Fahrer, die in der Meisterschaft vorne sind, im Nachteil sind, wird die Meisterschaft künstlich spannend gehalten. Da würde ich mir ein faireres System wünschen. Trotzdem finde ich sehr spannend, dass man im Qualifying nur eine Runde hat. Dadurch kommt es mehr auf das Gefühl an, das Auto am Limit zu halten, ohne zu wissen, wie es sich in der einen Runde verhält.
Für die Fans ist es nicht transparent, dass nach einer Safetycar-Phase Energie abgezogen wird. Wie ist das für Sie als Fahrer?
Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass die Rennen langweilig werden, wenn nach einem Safetycar keine Energie abgezogen wird. Weil man nach dem Abzug weiterhin 20 bis 30 Prozent Energie sparen muss, sieht man immer wieder Überholmanöver. Ich finde allerdings die Lösung gut, dass nach einer Safetycar-Phase in den letzten fünf Minuten des Rennens keine Energie mehr abgezogen wird. Ich find’s auch gar nicht so wichtig, dass der Zuschauer weiß, wie viel Energie abgezogen wurde, denn es ist für alle Fahrer gleich. Es geht darum, wie die Fahrer und Teams das managen.
Formel-E-Chef Jamie Reigle schwebt eine Regel wie beim Fußball vor, dass die Zeit hinterm Safetycar wie bei einer Verletzungsunterbrechung beim Fußball hinten drangehängt wird.
Das wäre auch eine gute Lösung. Definitiv.
Was sagen Sie zum jetzt bekannt gewordenen Ausstieg von Mercedes aus der Formel E nach der kommenden Saison?
Ich finde es schade, dass sie aussteigen. Wir wollen uns mit den Besten messen. Für uns ändert sich dadurch aber nichts. Und ich bin überzeugt, dass wir in Zukunft trotzdem ein volles Starterfeld haben werden und großes Interesse von anderen Herstellern da ist.
Was steht bei Ihnen jetzt an? Urlaub.
Fliegen Sie nach Mauritius, in die Heimat Ihrer Mutter?
Nein, dorthin fliegen wir immer um die Weihnachtszeit. Ich bleibe jetzt erst einmal zu Hause am Bodensee. Einfach mal abschalten, trainieren, Spaß haben, Freunde treffen.