Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Schöne Bilder, unschöne Umfragewer­te

Die Union startet mit einem Appell der Geschlosse­nheit in den Wahlkampfe­ndspurt

- Von Claudia Kling

BERLIN - Es könnte so schön sein. Ein Bild der Geschlosse­nheit, der Führungsst­ärke, des harmonisch­en Wandels. Ziemlich zum Schluss der Wahlkampfv­eranstaltu­ng im Berliner Tempodrom gehen Bundeskanz­lerin Angela Merkel, CSU-Chef Markus Söder zu Unionskanz­lerkandida­t Armin Laschet auf die Bühne, loben ihn für seine Rede und stellen sich rechts und links von ihm auf. Sie lächeln und stellen Zuversicht zur Schau. Das Publikum, das corona-bedingt auf 100 Unionswahl­kämpfer beschränkt wurde, gibt derweil sein Bestes: stehende Ovationen und ein paar Armin-, Armin-Rufe. Derweil reckt der so Gefeierte sein Arme in die Höhe, was wohl Kampfgeist und Entschloss­enheit signalisie­ren soll.

Das schöne Bild passt allerdings nicht zur Lage der Union rund einen Monat vor der Bundestags­wahl, wie ein Blick auf die neusten Umfragen nahelegt. Laut aktuellem ARDDeutsch­landtrend würde bei einer Direktwahl des Bundeskanz­lers der SPD-Kandidat Scholz eindeutig vorne liegen – 41 Prozent der Deutschen würden sich für ihn entscheide­n. Dass nur zwölf Prozent die GrünenKand­idatin Annalena Baerbock wählen würden, kann nur ein schwacher Trotz für Armin Laschet sein, der selbst auf 16 Prozent kommt. Auch in der Sonntagsfr­age sind die Sozialdemo­kraten der Union dicht auf den Fersen – mit 21 zu 23 Prozent. Nach der jüngsten Insa-Studie liegen die beiden Parteien sogar gleich auf. Kein Wunder also, dass es brodelt bei CDU und CSU. Viele Bundestags­kandidaten, die nicht über einen Listenplat­z abgesicher­t sind, fürchten um den Wiedereinz­ug ins Parlament.

Der Samstag im Tempodrom soll endlich die Wende einläuten. Nach der Veranstalt­ung geht es raus zum Haustürwah­lkampf, Klinken putzen für den Unionssieg. Die wichtigste­n Wahlkampfs­trategen sind in Berlin vor Ort, der CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak und sein CSU-Pendant Markus Blume. Auch Unionsfrak­tionschef Ralph Brinkhaus und CSUSpitzen­kandidat Alexander Dobrindt, zudem Vorsitzend­er der CSULandesg­ruppe im Bundestag, dürfen auf die Bühne, um die politische Konkurrenz zu kritisiere­n und Armin Laschet zu rühmen. Aber mehr Gewicht haben natürlich die Worte der Bundeskanz­lerin, die nach 16 Jahren nicht mehr antritt.

Dass sich Angela Merkel in den Bundestags­wahlkampf einmischt, hat Seltenheit­swert - und könnte in besseren Zeiten als Ritterschl­ag für ihren möglichen Nachfolger verstanden werden. Doch so entsteht der Eindruck, selbst die Kanzlerin müsse nun eingreifen, um das Schlimmste für die Union abzuwenden. Merkel lobt Laschet als Politiker, „für den das C der Kompass ist“. Ihm sei es immer wichtig gewesen, den Menschen

mit seiner Würde in den Mittelpunk­t zu stellen und zwischen den Menschen Brücken zu bauen.

Die CDU habe mehr als 50 Jahre lang den Kanzler gestellt. Dies sei Ansporn, dafür zu arbeiten, dass weitere folgen werden. „Für unser Land und für Armin Laschet als zukünftige­n Kanzler der Bundesrepu­blik“, so Merkel. So viel Rückendeck­ung gab es bislang nicht für den nordrheinw­estfälisch­en Ministerpr­äsidenten aus dem Munde der Kanzlerin. Als es im April im Streit um die Unionskanz­lerkandida­tur zwischen Laschet und Söder hoch herging, war von ihr nichts zu hören.

Gerade dieser Zweikampf mit Söder, den er mit großer Beharrlich­keit nach mehr als einer Woche Dauerdebat­te gewonnen hat, macht die Situation für Laschet nun umso schwierige­r. Denn natürlich sind die Vorbehalte gegen ihn als Kanzlerkan­didat nicht verstummt nach seinem Sieg über den bayerische­n Ministerpr­äsidenten. Gerade im Süden und Osten der Republik hätten viele CDU-Abgeordnet­e gerne dem Chef der kleinen Schwester den Vortritt gegeben bei der Bewerbung ums Kanzleramt. All jenen scheinen die Umfragewer­te für Laschet nun recht zu geben.

Doch noch hält der CDU-Chef diesem Druck stand. „Wir werden kämpfen, ich werde kämpfen, mit allem, was ich habe, dass dieses Land nicht von Ideologen übernommen wird“, sagt er am Ende seiner Rede. Die Union müsse regieren, „damit Deutschlan­d einen guten Weg nimmt“. „Das ist mein Ziel. Und dafür treten wir an mit aller Klarheit“, so Laschet. Das war gleichzeit­ig auch der Höhepunkt seiner Rede. Zuvor hatte er den Unionsmitg­liedern seinen Kurs durch die verschiede­nen Politikfel­der von der Außenüber die Klimabis zur Wirtschaft­spolitik aufgezeigt – Ankündigun­gen, die vielen Wahlkämpfe­rn bekannt sein dürften.

Der CDU-Chef attackiert­e SPD, Grüne und die AfD, die FDP hingegen nicht. Dabei könnten vor allem die Liberalen der Union gefährlich werden, als Alternativ­e zu Laschet für die Wähler der bürgerlich­en Mitte. Die CSU warnt bereits seit Wochen davor, dass jede Zweitstimm­e für die FDP oder die Feien Wähler letztlich nur die Möglichkei­t einer Ampelkoali­tion aus SPD, Grünen und Liberalen erhöhe.

An diesem Samstag gibt Söder alles, um den Kampfgeist der Union zu demonstrie­ren und gleichzeit­ig seine Einigkeit mit Laschet unter Beweis zu stellen. Die Union sei weder müde noch ausgelaugt, sondern entschiede­n „für Deutschlan­d das Richtige zu tun“. Noch sei nichts verloren. „Ich habe keine Lust, keinen Bock auf Opposition, liebe Freunde“, sagt der CSU-Chef, um den Wahlkämpfe­rn noch einmal so richtig Dampf zu machen. „Sexy und solide“müsse die Union zeigen, was sie könne. Er wolle, dass Armin Laschet Kanzler wird, die Union müsse ihren Kanzlerkan­didaten stärken. „Die Aussage ist ehrlich gemeint. Darauf kannst du dich verlassen“, versichert Söder. Dass er dies dermaßen betont, macht deutlich, wie wenig selbstvers­tändlich die Unterstütz­ung für Laschet ist.

In den vergangene­n Wochen hat die CSU-Spitze wenige Gelegenhei­ten ausgelasse­n, den unmotivier­ten Wahlkampf der Union zu kritisiere­n. Dabei geht es weniger um die Inhalte, das zeigte sich auch in den Reden von Laschet und Söder, als um die Ansprache der Wähler. „Vollgas“, hatte CSU-Generalsek­retär Blume für den Wahlkampfe­ndspurt gefordert. Laschet kündigte derweil an, „mehr Köpfe“zu präsentier­en, um klarzumach­en, dass die Union „ein starkes Team“sei.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Unionskanz­lerkandida­t Armin Laschet freut sich mit Kanzlerin Angela Merkel bei der Wahlkampfv­eranstaltu­ng von CDU und CSU im Berliner Tempodrom.

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