Teil des Tarifpokers
Die öffentliche Meinung kann die Erfolgsaussichten eines Arbeitskampfes beeinflussen, besonders wenn viele Leute von ei- nem Streik beeinträchtigt werden. Das ist beim Bahnstreik gerade der Fall. So ist das neuerliche Gesprächsangebot der Deutschen Bahn an die Lokführergewerkschaft GDL denn auch der Versuch, den Druck auf die GDL zu erhöhen, sich gemeinsam auf Kompromisssuche zu begeben.
Doch die Offerte wird GDL-Chef Claus Weselsky bei Weitem nicht ausreichen. Sie ist Teil des Tarifpokers.
Das Angebot einer Corona-Prämie dürfte sich auch noch in den ohnehin einkalkulierten Spielräumen der Arbeitgeber halten. Und beim wichtigsten Anliegen der Lokführer – die Ausweitung ihres Verhandlungsmandats auf weitere Berufsgruppen – bringt es die Tarifverhandlungen nicht einen Deut weiter. Ein Kompromiss in diesem Punkt erscheint unmöglich, jedenfalls vorerst. Allerdings muss sich die GDL fragen lassen, inwieweit ein Arbeitskampf noch verhältnismäßig ist, wenn die andere Seite beim Konflikt um Löhne, Betriebsrenten und Corona-Prämie
deutlicher nachgeben sollte.
Von einem möglichen gerichtlichen Verbot hat sich die GDL aber noch nie von einem Ausstand abhalten lassen. So werden die Bahnkunden wohl auch die laufenden Streiktage durchstehen müssen. Wenn es nicht gelingt, schnell Lösungen für die entscheidenden Fragen zu finden, drohen zum Ferienende weitere Ausstände. Zur Erinnerung: Bei der letzten langen Auseinandersetzung kam es zu insgesamt acht Streikwellen, bis die Gewerkschaft ihre Forderungen durchsetzte.