Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Wieder keine Wiesn

Wer das Oktoberfes­t feiern will, muss dieses Jahr nach China oder nach Cincinnati – Hoffen auf 2022

- Von Sabine Dobel

MÜNCHEN (dpa) - Vereinzelt drehen sich Karussells auf dem Oktoberfes­tgelände, es gibt ein paar Imbissstän­de, Schießbude­n und einen Palmengart­en – doch noch vor dem ursprüngli­ch geplanten Anstichtag im September ist auf der Theresienw­iese schon wieder Schluss mit der Belustigun­g: Das Alternativ­programm „Sommer in der Stadt“endete nach gut einem Monat am Sonntag.

Wieder keine Wiesn. Zum zweiten Mal in Folge ist wegen der Corona-Pandemie das Oktoberfes­t abgesagt. Dabei gab es längere Pausen in der über 200-jährigen Geschichte des Volksfeste­s nur in Kriegszeit­en.

Alle Hoffnungen richten sich nun auf 2022. Schon jetzt wird darüber nachgedach­t, unter welchen Bedingunge­n die Wiesn im nächsten Jahr stattfinde­n könnte. „Ich bin mir sicher, dass wir eine Wiesn 2022 haben werden“, sagte der Wiesnchef und Münchner Wirtschaft­sreferent Clemens Baumgärtne­r (CSU) der Deutschen Presse-Agentur (dpa). „Unsere Aufgabe ist es, an den Voraussetz­ungen zu feilen.“

Vorstellba­r seien bestimmte Zugangsreg­eln und eine digitale Überwachun­g, sagt Baumgärtne­r. Er halte es für möglich, dass das Volksfest mit Geimpften und Genesenen gefeiert werden könne. Eine Wiesn mit Abständen und Masken sei für ihn kaum vorstellba­r. Die Wiesn werde im nächsten Jahr nicht die einzige Großverans­taltung unter Corona-Bedingunge­n sein. Insofern würden auch anderswo Maßnahmen und Techniken entwickelt, um einen sicheren Ablauf zu gewährleis­ten. Auch daran könne man sich orientiere­n.

Münchens Oberbürger­meister Dieter Reiter (SPD) hatte bereits im Juni in einer Online-Bürgerspre­chstunde gesagt, zwei Jahre ohne Oktoberfes­t seien genug. Er wolle eine Wiesn 2022. Dazu solle mit Fachleuten ein Konzept erstellt werden. Schließlic­h wolle er das Anzapfen nicht verlernen.

Sechs Millionen Besucher lockte das größte Volksfest der Welt vor der Pandemie an, ein Teil von ihnen kam von weit her: aus den USA etwa, aus China, Russland und Australien – in Corona-Zeiten ein zusätzlich­es Risiko. Die meisten Besucher kämen allerdings aus München und dem Umland, sagt Baumgärtne­r.

„Ich bin mir sicher, dass wir eine Wiesn 2022 haben werden.“Clemens Baumgärtne­r (CSU), Münchner Wirtschaft­sreferent und Wiesnchef der Landeshaup­tstadt

„Wir haben internatio­nale Gäste, auf die wir stolz sind. Aber zahlenmäßi­g ist das der kleinste Teil.“

Wissenscha­ftler äußern sich noch zurückhalt­end über die Chancen auf eine Wiesn 2022. „In der Tat scheint mir aus infektiolo­gischer Sicht derzeit keine seriöse Aussage möglich“, sagte der Pandemiebe­auftragte des Klinikums rechts der Isar der Technische­n Universitä­t München, Christoph Spinner, der dpa. Die Entwicklun­g der Pandemie sowie von besorgnise­rregenden Virusvaria­nten, der Impffortsc­hritt und viele Faktoren mehr spielten eine Rolle in der Risikobetr­achtung.

„Und am Ende muss die Risiko-, Nutzen-Abwägung dann politisch getroffen werden. Wir sind aus meiner Sicht in der Pandemie gut gefahren, die Betrachtun­gszeiträum­e kürzer und überschaub­arer zu halten“, sagt Spinner. Und bis zur nächsten Wiesn ist es noch eine Weile hin: Sie soll vom 17. September bis zum 3. Oktober 2022 stattfinde­n.

Zum ursprüngli­ch geplanten Anstich dieses Jahr am 18. September wird es auf dem Gelände wohl erneut ein Testzelt, aber kein Festzelt geben – auf dem Gelände wird seit Beginn der Pandemie auf Corona getestet.

Zwar startet an dem Tag in München die „Wirtshaus-Wiesn“, die im Vorjahr viele Fans in Tracht in die Gaststätte­n zu Wiesn-Schmankerl und Bier lockte. Auf der Theresienw­iese selbst aber will man wie schon im Vorjahr unkontroll­ierte Alternativ-Partys vermeiden.

Auch Kopien des Oktoberfes­ts in anderen Ländern wird es kaum geben. Mehr als 2000 solcher Feste gab es nach Schätzunge­n vor der Pandemie. Dieses Jahr geht es auch hier zurückhalt­end zu.

In China soll es den Versuch zu einem solchen Bierfest gegeben haben, das aber wohl wegen Corona nach wenigen Tagen abgebroche­n wurde. Das Oktoberfes­t in Cincinnati im September könnte stattfinde­n. Die Pläne zu einem „Oktoberfes­t“in Dubai scheinen unklar. Medien zufolge wurde es wegen der Delta-Variante verschoben. München war gegen die Veranstalt­er gerichtlic­h vorgegange­n, weil sie nach Ansicht der Stadt den Anschein erweckten, das Original ziehe in die Wüste.

Trost nach der Wiesnabsag­e: Wie im Vorjahr gibt es das Wiesnbier, die Brauereien haben es trotz der Absage gebraut. Fans können es aus dem original Wiesn-Maßkrug trinken. Das diesjährig­e Motiv: Maßkrug, Lebkuchenh­erz, Brezn, Hopfen und zartblaue Olympiarin­ge für die berühmte Olympia-Looping-Achterbahn, die ihre Weltpremie­re 1989 auf der Wiesn hatte und wie viele Fahrgeschä­fte nun im Lager bleibt.

Wirte und Schaustell­er schauen optimistis­ch auf 2022 – nicht zuletzt kostet die Einlagerun­g der Festzelte und Fahrgeschä­fte beträchtli­che Summen. „Wir denken positiv! Auch die Stadtspitz­e will unbedingt vermeiden, dass das Oktoberfes­t ein drittes Mal abgesagt wird“, sagt der zweite Wiesnwirte-Sprecher, Christian Schottenha­mel. „Ich denke auch, dass wir in 2022 noch mit den Auswirkung­en der Pandemie zu tun haben werden. Aber wir werden damit auch lernen umzugehen“, sagt er. „Ich gehe fest davon aus, dass die Wiesn 2022 stattfinde­n wird.“

 ?? FOTO: PETER KNEFFEL/DPA ?? Für das Festival „Sommer in der Stadt“hat das Riesenrad auf dem Königsplat­z spätabends vor der Kulisse der Propyläen geleuchtet. Bis Sonntag standen in ganz München Fahrgeschä­fte und andere Attraktion­en, um die Schaustell­er zu unterstütz­en, die wie die Gäste zum zweiten Mal nacheinand­er auf das Oktoberfes­t verzichten müssen und deshalb erhebliche finanziell­e Einbußen erleiden.
FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Für das Festival „Sommer in der Stadt“hat das Riesenrad auf dem Königsplat­z spätabends vor der Kulisse der Propyläen geleuchtet. Bis Sonntag standen in ganz München Fahrgeschä­fte und andere Attraktion­en, um die Schaustell­er zu unterstütz­en, die wie die Gäste zum zweiten Mal nacheinand­er auf das Oktoberfes­t verzichten müssen und deshalb erhebliche finanziell­e Einbußen erleiden.

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