Schwäbische Zeitung (Ehingen)

USA halten an Abzugsterm­in aus Kabul fest

G7-Staaten dringen auf Verschiebu­ng – Berichte über schwere Menschenre­chtsverlet­zungen

- Von Sebastian Borger und unseren Agenturen

● BERLIN/LONDON/WASHINGTON US-Präsident Joe Biden hat nach Angaben von Bundeskanz­lerin Angela Merkel beim G7-Gipfel keinen neuen Zeitpunkt für den Abzug der USTruppen aus Afghanista­n genannt. „Es sind heute keine neuen Daten über das bekannte Datum des 31.8. (hinaus) genannt worden vom Präsidente­n der Vereinigte­n Staaten von Amerika“, sagte Merkel am Dienstag in Berlin. Was das genau „im Zeitablauf“bedeute, könne sie aber noch nicht sagen. Sprecher des neuen Regimes in Kabul machten am Dienstag ebenfalls deutlich: Eine neuerliche Verschiebu­ng kommt nicht infrage.

Die europäisch­en Verbündete­n in London, Paris und Berlin dringen auf einen späteren Abzugsterm­in, weil nur so die Evakuierun­gsaktion in der jetzigen Form fortgesetz­t werden kann. Es stehen noch viele Tausende Menschen, die das Land wegen der Machtübern­ahme der Taliban verlassen wollen, auf den Ausreiseli­sten. Die Bundeswehr hat in den vergangene­n Tagen rund 3800 Menschen aus Afghanista­n ausgefloge­n, darunter 351 deutsche Staatsbürg­er. „Ich gehe nicht davon aus, dass wir alle ausfliegen können, die wir ausfliegen wollen“, sagte am Dienstag Außenminis­ter Heiko Maas (SPD).

Kurz vor dem Krisentref­fen der G7-Staaten gab es Berichte über schwerste Menschenre­chtsverlet­zungen nach der Machtübern­ahme der Taliban. Darunter seien Massenhinr­ichtungen von Zivilisten und Angehörige­n regierungs­treuer Sicherheit­skräfte, sagte die UN-Kommissari­n für Menschenre­chte, Michelle Bachelet, in Genf. Der Bewegungss­pielraum von Frauen sei in manchen Regionen eingeschrä­nkt worden, Mädchen dürften teils nicht mehr zur Schule gehen. Friedliche Proteste würden unterdrück­t und Minderjähr­ige zum Waffendien­st geholt. Die Berichte seien glaubhaft, betonte Bachelet.

Mitarbeite­r der Vereinten Nationen sowie von UN-Hilfsorgan­isationen müssen nach Willen der Taliban das Land offenbar nicht verlassen. „Sie haben klar gemacht, dass die UN bleiben sollen“, sagte Richard Brennan, Regionaldi­rektor für Nothilfe bei der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO), in Kairo.

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