Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Alternativ­en zur Inzidenz

Neue Kennzahlen zur Beurteilun­g der Corona-Lage

- Von Hajo Zenker

BERLIN - Die Ablösung der SiebenTage-Inzidenz als zentralem Wert für Corona-Maßnahmen soll in zwei Wochen vom Bundestag beschlosse­n werden. Ihre Ersetzung durch die Hospitalis­ierungsrat­e, also die Zahl der Covid-Krankenhau­s-Einweisung­en, sei „absolut richtig“und sende „endlich ein Signal, transparen­t die aktuelle Lage zu kommunizie­ren“, so der CDU-Gesundheit­spolitiker Michael Hennrich.

Wie hoch der Schwellenw­ert bei der Hospitalis­ierung genau ausfalle, werde jetzt „in einem politische­n Prozess“zwischen Bund und Ländern festgelegt. Aktuell meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) 5747 neue Corona-Fälle, von denen 399 im Krankenhau­s behandelt werden mussten.

Als Sieben-Tage-Hospitalis­ierungsrat­e gab das RKI am Dienstag 1,38 Fälle pro 100 000 Einwohner an. Auf dem Höhepunkt der Pandemie lag der Wert bei über zehn. Die Virologin Ulrike Protzer von der TU München sagt, dass derzeit über mögliche Grenzwerte von vier bis zwölf diskutiert werde. Laut Michael Hennrich müssten dann bei Überschrei­tung der letztlich festgelegt­en Werte Stufenplän­e mit entspreche­nden zusätzlich­en Maßnahmen greifen. Sie dürften voraussich­tlich vor allem Menschen treffen, die nicht geimpft sind.

Eine umfassende Pflicht, alle aufgenomme­nen Corona-Patienten an die Gesundheit­sämter zu melden, besteht durch eine Verordnung des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums für die deutschen Krankenhäu­ser erst seit dem 13. Juli – zunächst für ein

Jahr. Demnach sollen die Kliniken etwa Alter, Art der Behandlung und Impfstatus der Covid-Erkrankten mitteilen.

Einen zentralen Wert nur durch einen weiteren zentralen Wert zu ersetzen, stößt jedoch durchaus auf Skepsis. So sagt Andreas Gassen, als Vorstandsc­hef der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung oberster Vertreter der 150 000 niedergela­ssenen Ärzte, die Klinikbele­gung allein heranzuzie­hen, sei zu wenig. „Wichtig sind zusätzlich­e Parameter wie regionale Impfquoten oder die Altersstru­ktur der Infizierte­n, um ein umfassende­s Gesamtbild zu erhalten.“

Noch mehr Daten in einem umfassende­n Indikatore­nmix fordert die Deutsche Krankenhau­sgesellsch­aft. In ihm sollen neben Inzidenz und Hospitalis­ierungsrat­e sowie der Belegung von Intensivka­pazitäten eine nach Altersgrup­pen aufgeschlü­sselte Impfquote und die Positivrat­e an Corona-Tests vertreten sein.

Unumstritt­en ist das Vorgehen auch in den Regierungs­fraktionen nicht. So warf die Vize-Fraktionsc­hefin der SPD, Bärbel Bas, der Union nicht nur vor, monatelang Vorstöße der Sozialdemo­kraten ignoriert zu haben, die Inzidenzwe­rte, die „längst ausgedient“hätten, abzuschaff­en. Sie äußerte auch Zweifel daran, ob „die gesamte Unionsfrak­tion diesmal verlässlic­h ist und sich dieser Änderung anschließt“.

Aber auch die SPD ist uneins: Ihr Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach hält die geplante Neuordnung für ein „falsches Signal“. Die Krankenhau­seinweisun­gen seien ein Indikator, der der Pandemie hinterherh­inke.

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