Der Packesel wird zum Politikum
Die Grünen wollen künftig private Lastenräder kräftig fördern – Manche Kommunen sind schon weiter
● RAVENSBURG/BERLIN - Raus aus dem Auto und rauf aufs Lastenrad: Die Grünen wollen mit einer Förderprämie von 1000 Euro den privaten Kauf von Lastenfahrrädern unterstützen. Was sagen andere Parteien dazu – und welche Fördermöglichkeiten gibt es bereits?
Das sind Lastenräder Lastenräder sollen den Transport von größeren Objekten mit dem Fahrrad ermöglichen. Die Räder gibt es dafür in verschiedenen Varianten, als „Long John“mit einer Ladefläche zwischen Lenker und Vorderrad, als „Backpacker“mit langgezogenem Gepäckträger oder als „Trike“mit drei Rädern. Die günstigsten Modelle sind ab etwa 1500 Euro zu haben. Wer einen E-Antrieb oder ein hochwertigeres Rad haben möchte, muss deutlich tiefer in den Geldbeutel greifen.
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Das können sie
Das Kind zur Kita bringen, den Bierkasten nach Hause fahren oder Bretter im Baumarkt abholen – dank des größeren Stauraums sollen Lastenräder vor allem Autofahrten ersetzen. Rund die Hälfte der Nutzer von Mietlastenrädern würde den Transportweg sonst mit dem Auto zurücklegen, sagt der Fahrradclub ADFC. Befürworter sagen außerdem: Lastenräder sind gesund, sowohl für die Menschen als auch für die Umwelt. Sie fahren CO2-neutral und sollen bei der Mobilitätswende helfen. Aber: Bei engen Fahrradwegen kann es schwer sein, voranzukommen. Auch beim Fahrverhalten ist Vorsicht geboten:
● Fahrer sollten sich nicht zu scharf in die Kurve legen. Hat das Lastenrad keinen E-Antrieb, kann es bei längeren Strecken zudem schnell anstrengend werden.
So viele werden verkauft
Im Jahr 2020 sind nach Angaben des Zweirad-Industrie-Verbands rund 103 200 Lastenräder in Deutschland verkauft worden. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum wurden insgesamt mehr als fünf Millionen Fahrräder und E-Bikes verkauft.
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Das sagt die Politik Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock will 1000 Euro Zuschuss beim Kauf von privaten Lastenrädern. Damit könnten auch Menschen, die keinen Führerschein hätten oder nicht Auto fahren wollten oder könnten, etwa ihre Einkäufe nach Hause bringen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hält von einer Kaufprämie dagegen wenig: „Wir haben ja kein Problem
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mit dem Absatz von Fahrrädern, der ist auf Rekordniveau.“Der Bund müsse seine Investitionen auf den Ausbau des Radwegenetzes konzentrieren. Auch Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) reagiert skeptisch auf den Vorschlag: Der Bund fördere längst Lastenräder, und zwar für Freiberufler, Betriebe, Vereine oder Kommunen.
Rückenwind erhält Baerbock unter anderem von einem Parteifreund aus Baden-Württemberg. „Wir fänden es gut, wenn der Bund den Kauf von Lastenrädern fördert und damit dafür sorgt, dass weniger mit dem Auto in Städten und Gemeinden gefahren wird“, sagt Südwest-Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) der „Schwäbischen Zeitung“. „Besonders für Familien mit Kindern sind Cargo-Bikes eine gute Sache. Besonders die Kinder haben viel Freude damit und lernen ganz nebenbei ein umweltfreundliches Verkehrsmittel kennen.“Thomas Dörflinger, verkehrspolitischer
Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag und Abgeordneter für den Wahlkreis Biberach, äußert sich dagegen zurückhaltend und verweist auf den grün-schwarzen Koalitionsvertrag. „Mit dem Regierungspartner haben wir im Koalitionsvertrag eine Reihe von Maßnahmen für eine nachhaltige und moderne Mobilität in unserem Land vereinbart“, sagt Dörflinger. „Wir möchten den Fokus prioritär auf die Abarbeitung der zur Umsetzung vorgesehenen Maßnahmen legen.“
Diese Fördermöglichkeiten gibt
● es bereits
Zusätzlich zur Förderung des Bundes kann auch bei einigen Ländern ein Zuschuss beantragt werden. Das baden-württembergische Verkehrsministerium etwa fördert E-Lastenräder für Kommunen, Unternehmen, Vereine oder gemeinnützige Organisationen mit maximal 2500 Euro pro Rad. Seit 2007 wurden so mehr als 2700 E-Lastenräder mit einer Gesamtfördersumme von rund 3,9 Millionen Euro bewilligt.
Städte wie Stuttgart, Tübingen, Mannheim, Friedrichshafen oder Ravensburg haben zusätzlich eigene Förderprogramme aufgelegt. „Die Stadt hat damit eine Lücke geschlossen, weil es bislang keine Förderung für Privatpersonen gab“, sagt Julia Zyler, Projektleiterin nachhaltige Mobilität der Stadt Ravensburg. Seit Beginn der Förderung im Dezember 2020 seien neun Förderanträge eingegangen. „Das Modell ist bislang nicht sehr bekannt“, sagt Zyler. „Deshalb würden wir uns über ein bundesweites Förderprogramm freuen, auch wenn unser eigenes dadurch hinfällig würde.“