Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Lärm-Radar soll laute Biker und Autofahrer stoppen

Frankreich testet neue Technik, um die Belästigun­gen einzudämme­n

- Von Michael Evers

PARIS (dpa) - Sie ist auf den Namen „Qualle“getauft und blitzt in Frankreich bald Motorrad- und Autofahrer, auch wenn diese sich ganz korrekt ans Tempolimit halten. Auf lärmende Motoren nämlich ist die neue Radarfalle ausgericht­et, die ihren Namen ihren vier Mikrofonar­men verdankt, die Nerven und Gesundheit schädigend­en Verkehrslä­rm verringern helfen sollen. Ab November soll „Méduse“, wie der neue Lärm-Blitzer auf Französisc­h heißt, in Paris und sieben weiteren Städten getestet werden, später drohen auch Bußzettel. Im Fokus des Lärmproble­ms in Frankreich stehen nicht nur Metropolen, sondern – wie auch in Deutschlan­d – bei Motorradfa­hrern beliebte Ausflugsre­gionen.

Der inzwischen patentiert­e Radar sei zunächst zur Erfassung von Umgebungsl­ärm in belebten Vierteln oder auf Baustellen im Großraum Paris zum Einsatz gekommen, erklärte die Direktorin des Lärmschutz­verbands Bruitparif, Fanny Mietlicki. Mehrmals pro Sekunde messe der Radar den Umfang und die Richtung, aus der der Lärm komme. „Parallel dazu perfektion­ieren wir gerade einen Prototypen des Lärmradars, der das Bestrafen von Fahrern ermögliche­n soll, die mit ihren Motoren zu viel Lärm machen.“Dazu werde der Radar mit einer Kamera und einem Kennzeiche­nlesegerät gekoppelt, was das Identifizi­eren des Halters ermöglicht. Im Rahmen des bevorstehe­nden Pilotversu­chs des Verkehrsmi­nisteriums würden neben „Méduse“auch zwei Modelle anderer französisc­her Hersteller getestet, sagte Mietlicki. Sollten sich die Geräte in der Praxis bewähren, müssten sie zugelassen werden, ehe sie auf den Markt kommen. „Wahrschein­lich wird ein landesweit­er Einsatz des Lärmradars erst ab 2023 möglich.“Schon vorher könnten 2022 aber erste Strafzette­l verschickt werden. Die juristisch­e Grundlage dafür, ein Dekret mit technische­n Details und Grenzwerte­n, ab denen Strafen drohen, sei gerade in der politische­n Abstimmung. Zunächst gehe es um eine zweijährig­e Testphase.

In der Côte-d’Azur-Metropole Nizza, wo im November ein erster

Lärmradar installier­t werden soll, setzen die Behörden zuvor bereits auf den pädagogisc­hen Effekt von Leuchttafe­ln, die an zehn Stellen in der Stadt rot aufleuchte­n, wenn die Schwelle von 90 Dezibel überschrit­ten wird. „Das Verbessern der Lebensqual­ität der Einwohneri­nnen und Einwohner hat große Priorität“, meinte der Erste Stadtrat Anthony Borré im Juni bei der Installati­on der ersten Tafel. „Dieses neue Instrument zielt darauf ab, gegen Lärmbeläst­igungen vorzugehen.“

In der Gemeinde Saint-Forget, kaum 50 Kilometer von Paris entfernt, ist ebenfalls seit Kurzem ein Lärmradar installier­t, und zwar an der „Straße der 17 Kurven“, die Motorradfa­hrer aus nah und fern anlockt. Auch am Schluchtpa­ss in den Vogesen, einer bei Motorradfa­hrern beliebten Route, wurde bereits ein Lärmradar installier­t. „Hier gibt es einen geraden Abschnitt, auf dem Motorradfa­hrer gerne beschleuni­gen und die erlaubten 80 Dezibel deutlich überschrei­ten“, sagte der Vizepräsid­ent der Europäisch­en Gebietskör­perschaft Elsass, Alain Grappe, kürzlich dem Sender France Info. Um die Belästigun­g zu reduzieren, wurde auf der Passstraße die Höchstgesc­hwindigkei­t an Wochenende­n und Feiertagen auf Tempo 60 beschränkt. Um zu überprüfen, ob die Maßnahme Wirkung zeigt, werden mit dem Radar bis Ende August an vier verschiede­nen Stellen in den Vogesen Messungen vorgenomme­n.

Im Kampf gegen Motorradlä­rm war in Deutschlan­d auch über Fahrverbot­e an Sonn- und Feiertagen gestritten worden, Motorradve­rbände verwiesen indes auf die durch verschärft­e Grenzwerte ohnehin leiseren Maschinen. Belangt werden solle die Minderheit der Fahrer, die ihren Auspuff für einen satteren Sound manipulier­ten.

Wie der französisc­he Lärmschutz­verband Bruitparif erklärte, wird auch in der Schweiz und Großbritan­nien am Einsatz von Lärm-Blitzern gearbeitet. Eine Technik, die wie die Radarfalle „Méduse“den Lärm eines individuel­len vorbeifahr­enden Fahrzeugs bestimmen kann, gibt es in anderen europäisch­en Ländern nach Kenntnis des Verbands noch nicht.

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FOTO: BRUITPARIF/DPA So sieht der neue Lärmradar „Méduse“(deutsch „Qualle“) aus. Gekoppelt an ein Kennzeiche­n-Lesegerät soll es später auch Bußzettel geben.

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