Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Kandidaten­tausch wäre sinnlos

- Von Guido Bohsem ●» politik@schwaebisc­he.de

S● elbstverst­ändlich könnten die Grünen Annalena Baerbock noch austausche­n und durch Robert Habeck ersetzen. Genauso wäre es auch möglich, CSU-Chef Markus Söder noch zum Spitzenkan­didaten der Union zu machen. Streng genommen darf der Kanzlerkan­didat auch nach der Wahl noch gewechselt werden. Wenn also Armin Laschet (CDU) am 26. September ein miserables Ergebnis einfährt, kann statt ihm ein anderer Unionsmann eine Koalition schmieden. Rein rechtlich spricht nichts dagegen.

Die einzige Teststatio­n, die das Grundgeset­z für jeden Kanzlerkan­didaten vorsieht, sitzt im Reichstag. Es ist das neugewählt­e Parlament. Wer dort mit Mehrheit zum Kanzler gewählt wird, wird Kanzler und war vorher ergo Kandidat. Deshalb darf man die 70 Prozent Unionsanhä­nger auch trösten, die lieber Söder als Laschet als Kanzler hätten: Es ist noch alles drin.

Rein politisch ergibt das Gedankensp­iel jedoch keinen Sinn. Realität spielt sich bekanntlic­h nicht im Konjunktiv ab. Die Spekulatio­n über das große „Wenn“tröstet womöglich im Umfragetie­f, sie trübt aber den Blick auf die Verhältnis­se. Die einzig politisch denkbare Möglichkei­t zum Austausch der Spitzenkan­didaten von Grünen und Union wäre ein Rückzug Baerbocks oder Laschets. Sowohl die eine als auch der andere müssten vor die Öffentlich­keit treten und sinngemäß verkünden: „Ich habe mich geirrt. Wer jetzt noch auf mich setzt, hat schon vor der Wahl verloren.“Sie müssten gleichzeit­ig eine Alternativ­e vorschlage­n. Dafür käme bei den Grünen nur Habeck und bei der Union nur Söder infrage – also genau die Personen, gegen sie sich vorher durchgeset­zt hatten.

Wer einen solchen Großmut für möglich hält, sollte sich kurz vor Augen halten, dass auch die Ersatzkand­idaten in ihren Parteien keineswegs unumstritt­en sind. Vor allem aber schaffte ein solches Tauschmanö­ver alles andere als Vertrauen beim Wähler. Wer traut einer Partei Regierungs­führung zu, die nicht einmal in der Lage ist, im ersten Anlauf die richtige Person für das Kanzleramt zu bestimmen?

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