Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Merkel für Gespräche mit den Taliban

Kanzlerin verteidigt Vorgehen in Afghanista­n – Luftbrücke vor dem baldigen Aus

- Von André Bochow und Agenturen

BERLIN - Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hat für Gespräche mit den radikalisl­amischen Taliban plädiert, um die Not der Menschen in Afghanista­n zu lindern. In ihrer Regierungs­erklärung verwies Merkel am Mittwoch im Bundestag auf die Fortschrit­te, die in der Zeit des Militärein­satzes in dem Land erreicht worden seien. „Unser Ziel muss es sein, dass so viel wie möglich von dem, was wir in den letzten 20 Jahren in Afghanista­n an Veränderun­gen erreicht haben, bewahrt wird.“

Der Bundestag billigte in der Sondersitz­ung nachträgli­ch den acht Tage zuvor begonnenen Evakuierun­gseinsatz der Bundeswehr am Flughafen Kabul mit großer Mehrheit. Die rechtlich erforderli­che Zustimmung des Parlaments folgte in diesem Fall ausnahmswe­ise nachträgli­ch; er war wegen „Gefahr im Verzug“ohne Bundestags­mandat angelaufen.

Für den Antrag der Bundesregi­erung stimmten 539 Abgeordnet­e. Dagegen votierten neun Parlamenta­rier, 90 enthielten sich – vor allem aus den Reihen der Linksfrakt­ion. Im Interview mit der „Schwäbisch­en

Zeitung“betonte Linken-Spitzenkan­didatin Janine Wissler dennoch: „Im Moment kommt es darauf an, so viele Menschen wie möglich aus Afghanista­n zu retten.“Wissler, die auch Co-Parteichef­in der Linken ist, kritisiert­e die Bundeswehr: „Die Bundeswehr hat ihr Material ausgefloge­n, aber die Ortskräfte und gefährdete­n Personen im Stich gelassen.“

Die Taliban haben nach Angaben des deutschen Afghanista­n-Botschafte­rs Markus Potzel zugesagt, auch nach dem vollständi­gen Abzug der internatio­nalen Truppen weiter

Afghanen aus dem Land ausreisen zu lassen. Der Taliban-Chefunterh­ändler Scher Mohammed Abbas Staniksai hat nach Angaben des deutschen Diplomaten zugesicher­t, Afghanen „mit gültigen Dokumenten“könnten das Land nach dem 31. August mit kommerziel­len Flügen verlassen.

Angesichts des vollständi­gen USAbzugs zum 31. August könnte die Luftbrücke der Bundeswehr aus Kabul laut Medienberi­chten schon heute enden. Am Mittwoch warteten am Kabuler Flughafen erneut Tausende Menschen auf eine Mitfluggel­egenheit.

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