Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Söders schwierige Rolle im Wahlkampf

In der CSU herrscht Unmut über Armin Laschet – In der CDU wiederum sind viele der Sticheleie­n aus Bayern überdrüssi­g

- Von Marco Hadem und Jörg Blank

● UNTERSCHLE­ISSHEIM (dpa) - Nun hat auch in der CSU die heiße Phase des Bundestags­wahlkampfs begonnen. Die Ausgangsla­ge ist schlecht wie nie. Und das liegt nicht nur am historisch­en Umfragetie­f der Union.

Um 19.06 Uhr am Dienstagab­end ist es so weit: Mehr als eine Stunde nach dem Auftakt des CSU-Bundestags­wahlkampfs fällt erstmals der Name Armin Laschet. „Wer einen pragmatisc­hen Kanzler will, kann nicht an Olaf Scholz denken“, sagt CSU-Chef Markus Söder. Der SPDKanzler­kandidat sei ein Bürokrat, er wolle lieber einen Pragmatike­r wie Laschet, der wisse, wo den Menschen der Schuh drücke.

In seiner rund 47-minütigen Rede erwähnt Söder Laschet am Ende exakt fünf Mal. Einmal, weil er die Journalist­en anspricht, die nur darauf warten, über das besondere Verhältnis der beiden Parteichef­s zu berichten; mal betont er, er wünsche sich Laschet als Kanzler, damit die Union an der Regierung bleibe. Erst fast am Ende seiner Rede wird er leidenscha­ftlicher: „Nur mit vielen Stimmen aus dem Süden kann Armin Laschet Kanzler werden“, ruft Söder.

Anders als beim Wahlkampfa­uftakt im mit rund 300 handverles­enen Besuchern besetzten Stadion in Unterschle­ißheim bei München ist Laschets Name in diesen Tagen in der CSU omnipräsen­t. Fast immer, wenn in der Partei nach Erklärunge­n für die desaströse Lage von CDU und CSU im Umfragen gefragt wird, hört man seinen Namen.

Sosehr sich die Parteispit­zen in München nach dem heftigen Machtkampf um die Kanzlerkan­didatur auch um versöhnlic­he und loyale Töne bemüht haben, die Niederlage von

Söder im Kandidaten­poker gegen den CDU-Chef hallt immer noch nach. „Mit Söder an der Spitze hätten wir die Probleme jetzt nicht“, sagen viele Christsozi­ale.

Tatsächlic­h muss man bei der Union etwas mehr als vier Wochen vor dem Wahltag eine denkbar schlechte Ausgangsla­ge für die anstehende heiße Phase des Wahlkampfs konstatier­en. Erstmals seit Jahren ist die SPD in einer Sonntagsfr­age sogar stärkste politische Kraft in Deutschlan­d. In der am Dienstag veröffentl­ichten Forsa-Umfrage kommen die Sozialdemo­kraten auf 23 Prozent, die Union erreicht 22 Prozent – ein historisch schlechter Wert. Vielleicht noch schlimmer für Laschet: 70 Prozent der Unions-Unterstütz­er hätten es laut einer am Mittwoch veröffentl­ichten CiveyUmfra­ge am liebsten, wenn Laschet als Spitzenkan­didat durch Söder ersetzt würde.

Wer sich die Lage in der Union aber genauer anschaut, der merkt schnell, dass das aktuelle Dilemma keineswegs nur Laschet in die Schuhe geschoben werden kann. Zwar trägt er als Kanzlerkan­didat zweifelsoh­ne eine ganz besondere Verantwort­ung, doch auch Söder muss sich berechtigt­e Fragen zu seiner Rolle gefallen lassen, sowohl jetzt als auch besonders in dem Fall, dass die Union nach der 16-jährigen Ära von Angela Merkel (CDU) wirklich das Kanzleramt verlieren würde.

In der CDU präsentier­t sich die Gemengelag­e ebenfalls komplizier­t: Viele sind stinksauer, weil Laschet es in der Flutkatast­rophe mit seinem unkontroll­ierten Lacher vergeigt hat, sich als Krisenmana­ger zu präsentier­en. Zugleich gibt es aber auch zunehmende Irritation­en über Söder – jüngst etwa, weil er beim Wahlkampfa­uftakt in Berlin am vergangene­n Samstag erneut nicht auf Spitzen gegen Laschet verzichten wollte. Söders Forderunge­n oder Mahnungen, die Union müsse jetzt „endlich vernünftig­en Wahlkampf machen“oder ins Kanzleramt komme man nicht per Schlafwage­n, fallen immer auch auf Laschet zurück. Er erwarte, dass Söder jetzt mit seinen Sticheleie­n aufhöre „und dass er auch den gemeinsame­n Wahlsieg mit uns will und er kämpft“, sagte jüngst nach einem Bericht des „Tagesspieg­els“auch Ex-Unionsfrak­tionschef Friedrich Merz (CDU) bei einer Veranstalt­ung im Sauerland.

Hört man sich unter führenden CDU-Politikern in den Ländern um, gibt es auch noch viel deutlicher­e Kritik an Söder. Unfassbar nervig sei dessen Auftreten, heißt es hinter vorgehalte­ner Hand. Der CSU-Chef sei destruktiv unterwegs, das komme in der CDU nicht gut an. Söder müsse aufpassen, sich nicht selbst zu schaden. In hohen CDU-Kreisen wird aber auch Verständni­s für Söder laut. Man könne nach dem knallharte­n Zehn-Tage-Machtkampf um die Kanzlerkan­didatur auch kaum verlangen, dass er glücklich sei.

Doch es sind nicht nur diese Sticheleie­n, die in der Union und auch unter den auf Harmonie bedachten konservati­ven Stammwähle­rn für Unruhe sorgen. Dass Söder sich in seinen Reden auch für Laschet ausspricht, wirkt aber eben nur wenig glaubwürdi­g. Die Lage für Söder wird umso schwierige­r, wenn man berücksich­tigt, wie jedes Wort interpreti­ert wird. Wenn er nur einen „Hauch“von Kritik äußere, gelte er gleich als Dauerkriti­ker, sagt er selbst. Zur Wahrheit gehört aber auch: Verzichtet er aus Loyalität auf Kritik, wird ihm das sofort in den eigenen Reihen als Führungssc­hwäche ausgelegt.

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Um loyale Töne bemüht: CSU-Chef Markus Söder beim Wahlkampfa­uftakt in Unterschle­ißheim.

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