Söders schwierige Rolle im Wahlkampf
In der CSU herrscht Unmut über Armin Laschet – In der CDU wiederum sind viele der Sticheleien aus Bayern überdrüssig
● UNTERSCHLEISSHEIM (dpa) - Nun hat auch in der CSU die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs begonnen. Die Ausgangslage ist schlecht wie nie. Und das liegt nicht nur am historischen Umfragetief der Union.
Um 19.06 Uhr am Dienstagabend ist es so weit: Mehr als eine Stunde nach dem Auftakt des CSU-Bundestagswahlkampfs fällt erstmals der Name Armin Laschet. „Wer einen pragmatischen Kanzler will, kann nicht an Olaf Scholz denken“, sagt CSU-Chef Markus Söder. Der SPDKanzlerkandidat sei ein Bürokrat, er wolle lieber einen Pragmatiker wie Laschet, der wisse, wo den Menschen der Schuh drücke.
In seiner rund 47-minütigen Rede erwähnt Söder Laschet am Ende exakt fünf Mal. Einmal, weil er die Journalisten anspricht, die nur darauf warten, über das besondere Verhältnis der beiden Parteichefs zu berichten; mal betont er, er wünsche sich Laschet als Kanzler, damit die Union an der Regierung bleibe. Erst fast am Ende seiner Rede wird er leidenschaftlicher: „Nur mit vielen Stimmen aus dem Süden kann Armin Laschet Kanzler werden“, ruft Söder.
Anders als beim Wahlkampfauftakt im mit rund 300 handverlesenen Besuchern besetzten Stadion in Unterschleißheim bei München ist Laschets Name in diesen Tagen in der CSU omnipräsent. Fast immer, wenn in der Partei nach Erklärungen für die desaströse Lage von CDU und CSU im Umfragen gefragt wird, hört man seinen Namen.
Sosehr sich die Parteispitzen in München nach dem heftigen Machtkampf um die Kanzlerkandidatur auch um versöhnliche und loyale Töne bemüht haben, die Niederlage von
Söder im Kandidatenpoker gegen den CDU-Chef hallt immer noch nach. „Mit Söder an der Spitze hätten wir die Probleme jetzt nicht“, sagen viele Christsoziale.
Tatsächlich muss man bei der Union etwas mehr als vier Wochen vor dem Wahltag eine denkbar schlechte Ausgangslage für die anstehende heiße Phase des Wahlkampfs konstatieren. Erstmals seit Jahren ist die SPD in einer Sonntagsfrage sogar stärkste politische Kraft in Deutschland. In der am Dienstag veröffentlichten Forsa-Umfrage kommen die Sozialdemokraten auf 23 Prozent, die Union erreicht 22 Prozent – ein historisch schlechter Wert. Vielleicht noch schlimmer für Laschet: 70 Prozent der Unions-Unterstützer hätten es laut einer am Mittwoch veröffentlichten CiveyUmfrage am liebsten, wenn Laschet als Spitzenkandidat durch Söder ersetzt würde.
Wer sich die Lage in der Union aber genauer anschaut, der merkt schnell, dass das aktuelle Dilemma keineswegs nur Laschet in die Schuhe geschoben werden kann. Zwar trägt er als Kanzlerkandidat zweifelsohne eine ganz besondere Verantwortung, doch auch Söder muss sich berechtigte Fragen zu seiner Rolle gefallen lassen, sowohl jetzt als auch besonders in dem Fall, dass die Union nach der 16-jährigen Ära von Angela Merkel (CDU) wirklich das Kanzleramt verlieren würde.
In der CDU präsentiert sich die Gemengelage ebenfalls kompliziert: Viele sind stinksauer, weil Laschet es in der Flutkatastrophe mit seinem unkontrollierten Lacher vergeigt hat, sich als Krisenmanager zu präsentieren. Zugleich gibt es aber auch zunehmende Irritationen über Söder – jüngst etwa, weil er beim Wahlkampfauftakt in Berlin am vergangenen Samstag erneut nicht auf Spitzen gegen Laschet verzichten wollte. Söders Forderungen oder Mahnungen, die Union müsse jetzt „endlich vernünftigen Wahlkampf machen“oder ins Kanzleramt komme man nicht per Schlafwagen, fallen immer auch auf Laschet zurück. Er erwarte, dass Söder jetzt mit seinen Sticheleien aufhöre „und dass er auch den gemeinsamen Wahlsieg mit uns will und er kämpft“, sagte jüngst nach einem Bericht des „Tagesspiegels“auch Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) bei einer Veranstaltung im Sauerland.
Hört man sich unter führenden CDU-Politikern in den Ländern um, gibt es auch noch viel deutlichere Kritik an Söder. Unfassbar nervig sei dessen Auftreten, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Der CSU-Chef sei destruktiv unterwegs, das komme in der CDU nicht gut an. Söder müsse aufpassen, sich nicht selbst zu schaden. In hohen CDU-Kreisen wird aber auch Verständnis für Söder laut. Man könne nach dem knallharten Zehn-Tage-Machtkampf um die Kanzlerkandidatur auch kaum verlangen, dass er glücklich sei.
Doch es sind nicht nur diese Sticheleien, die in der Union und auch unter den auf Harmonie bedachten konservativen Stammwählern für Unruhe sorgen. Dass Söder sich in seinen Reden auch für Laschet ausspricht, wirkt aber eben nur wenig glaubwürdig. Die Lage für Söder wird umso schwieriger, wenn man berücksichtigt, wie jedes Wort interpretiert wird. Wenn er nur einen „Hauch“von Kritik äußere, gelte er gleich als Dauerkritiker, sagt er selbst. Zur Wahrheit gehört aber auch: Verzichtet er aus Loyalität auf Kritik, wird ihm das sofort in den eigenen Reihen als Führungsschwäche ausgelegt.