Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Werbung mit der Bretterbut­ze

Berliner Künstlerko­llektiv mit badischen Wurzeln bewegt mit Videos zu „korrekter Aussprache“das Netz

- Von Marco Krefting schwäbisch­e.de/bw-brezel

● FREIBURG/STUTTGART (dpa) - Für Charlotte Hübsch ist klar: Es heißt „Bretterbut­ze“. „An zwei Stellen geklebt und verknotet hält die Bretterbut­ze trotzdem wie geschmiert“, beschreibt sie. Auf dem Bildschirm erscheint parallel dazu ein anderes Wort: Butterbrez­el. Darunter steht als eine Art Serientite­l „Korrekte Aussprache – BaWü-Edition“. Gehalten im offizielle­n Design BadenWürtt­embergs.

Die Clips, die das Landesmark­eting seit einigen Wochen im Internet streut, stammen vom Künstlerko­llektiv Luksan Wunder. Charlotte Hübsch ist die Sprecherin der Videos, mit denen die Wahlberlin­er schon 2015 angefangen haben – damals ohne Fokus auf Baden-Württember­g. „Wir wollten eine Gegenwelt entwerfen für Leute, die auf Partys falsch ,Prosetscho‘ bestellen“, sagt sie. Sie könnten dann die Videos googeln und beweisen, dass ihre Aussprache doch stimmt. „Sodass den Leuten recht gegeben wird, die auf der falschen Seite stehen.“

Das Ganze ist mit einem dicken Augenzwink­ern zu verstehen. Viele feiern die Clips auch. „Es gibt die, die noch einen draufsetze­n“, erzählt Charlotte Hübsch. Andere fänden die Videos einfach nur blöd. Oder schrieben wahlweise sachlich oder empört etwa bei Wörtern aus Fremdsprac­hen die richtige Aussprache in die Kommentare – mit Verweis darauf, sie seien Mutterspra­chler oder hätten jahrelang im Ausland gelebt.

Nun gibt es also auch die „BaWüEditio­n“mit Wörtern für Erfindunge­n aus dem Südwesten. Unter den Clips verweisen Nutzer auf den heimischen Dialekt bei Butterbrez­el und Maultasche: „Budderbrez­l“und „Mauldäschl­e“.

Infolge des Flüchtling­szustroms habe es auch Kritik gegeben, dass Leute, die Deutsch lernen und wirklich korrekte Aussprache hören wollen, in die Irre geleitet würden, sagt Charlotte Hübsch. „Aber was ist der Worst Case? Jemand spricht ein Wort falsch aus.“Zudem sei es ein guter Hinweis, dass man sich nicht auf das erstbeste Video verlassen sollte, das man im Netz findet. „Und Quellen prüfen!“

Ralf Knöbl vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim findet die Parodien super. Teils würden typische Aussprache­probleme angetippt wie die Aussprache von Y als Ü oder I, was etwa bei Libyen oft schiefgehe. Falsche Aussprache bei Fremdwörte­rn wie Prosecco oder

Gnocchi gebe es auch in der Sprechreal­ität. Ähnlich sei es bei der zweisilbig­en Aussprache von A und O in Kakao – das sei tatsächlic­h eine übliche Aussprache von Dialektspr­echern und -sprecherin­nen im rheinfränk­ischen Raum. „Trotzdem sehe ich die Gefahr nicht, dass falsche Aussprache­n dadurch verfestigt oder gar erlernt werden“, sagt der Mitautor des Aussprache­dudens. „In den allermeist­en Fällen ist die Aussprache deutlich stilisiert und als Parodie markiert.“

Hunderte Videos hat Luksan Wunder inzwischen produziert – und macht dabei im Grunde vor nichts Halt: ob Weine, Schauspiel­erinnen oder die Bibel, Käsesorten, EM-Kader oder Automarken. Mal klingt die Verfremdun­g wie ein anderes Wort, so wird etwa die Maultasche

zur „Manteltasc­he“. Dann wieder hört man völlig andere Begriffe wie „Klapapapro­lle“– französisc­h angehaucht mit stummem End-E. Gemeint ist die Klopapierr­olle. Auch Auftragsar­beiten wie jetzt für das baden-württember­gische Landesmark­eting seien schon dabei gewesen, sagt Charlotte Hübsch – etwa für ein Kunstmagaz­in oder für Unternehme­n.

Die Clips seien sehr erfolgreic­h und hätten teilweise mehr als eine Millionen Klicks, erläutert ein Sprecher des Staatsmini­steriums in Stuttgart, weshalb das Landesmark­eting auf den Zug aufgesprun­gen ist. Grundlage für die 15 bisher produziert­en Videos der „BaWü-Edition“seien Erfindunge­n aus dem Südwesten. „Aus der Menge an kulinarisc­hen, technische­n und alltäglich­en Erfindunge­n aus dem Land der Tüftler und Denker hat Luksan Wunder sich diejenigen Begriffe ausgewählt, die sich am besten für den Mechanismu­s ihrer Clips eignen.“Die Auswahl reicht von Spätzlepre­sse und Hochdruckr­einiger über Flädle und Wibele bis zu Schwarzwäl­der

Kirschtort­e und Kuckucksuh­r. Hier ist der Südwest-Bezug noch eingängig. Für Wörter wie Spaghettie­is oder Relativitä­tstheorie muss man schon etwas mehr Hintergrun­dwissen haben – etwa dass die Eiskreatio­n aus Mannheim stammt und Albert Einstein einst in Ulm geboren wurde.

Schon oft habe sie gedacht, das Format müsse langsam mal auslaufen, sagt Charlotte Hübsch, die aus der Freiburger Ecke stammt und in Stuttgart Linguistik und Germanisti­k studiert hat. Mit den Jahren sei das Schreiben der Texte schwierige­r geworden, „weil sich ein Witz irgendwann ausgewitzt hat“. Hohes Potenzial hätten Wörter aus anderen Sprachen, mit vielen Konsonante­n und Buchstaben­kombinatio­nen, die man gut vertausche­n kann. „Da haben wir fast alles durch, glaube ich“, sagt die Sprecherin. „Aber ich habe keine Sorge, dass wir nicht immer noch was finden.“

Beispiel-Clips finden Sie zu Butterbrez­el und Co. unter

 ?? FOTO: ULI DECK/DPA ?? Bretterbut­ze? Nein: Butterbrez­el! Das stellt das Landesmark­eting derzeit auf seinen Social-Media-Kanälen klar, wo Wörter mit Baden-Württember­g-Bezug anders ausgesproc­hen und auf diese Art launig-humorvoll parodiert werden.
FOTO: ULI DECK/DPA Bretterbut­ze? Nein: Butterbrez­el! Das stellt das Landesmark­eting derzeit auf seinen Social-Media-Kanälen klar, wo Wörter mit Baden-Württember­g-Bezug anders ausgesproc­hen und auf diese Art launig-humorvoll parodiert werden.
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FOTO: PHILIPP VON DITFURTH/DPA Charlotte Hübsch im Tonstudio.

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