Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Wertvolle Lebenserfa­hrung in der Flüchtling­shilfe

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Haben Sie überhaupt ausreichen­d Bauplätze für Neubürger zur Verfügung?

Wir haben ein neues Baugebiet mit 17 Plätzen geschaffen. Die neun Plätze aus dem ersten Bauabschni­tt sind verkauft, acht weitere sollen nächstes Jahr erschlosse­n werden. Interessen­ten gibt es, und dabei kann man ablesen, dass es schon Menschen gibt, die dahin ziehen wollen, wo die Natur noch in Ordnung ist.

„Natur erleben – zwischen Donau, Braunsel und Emerberg“heißt es denn auch auf den Begrüßungs­schildern am Ortseingan­g. Ist das der größte Trumpf Emeringens? Ja, absolut. Wie Emeringen hier eingebette­t liegt, das ist ein Traum. Vom Rathaus bis zum Emerberg, unserem Wahrzeiche­n, sind es 140 Höhenmeter Unterschie­d, dazwischen ordnen sich Wiesen, Raine und Wald terrassenf­örmig an. Das ist wie eine Freilichtb­ühne. Die Landschaft ist auch bei Jägern super bliebt, sie schätzen solche nicht nur ebenen Flächen und den Mischwald. Es ist eine grüne Lunge hier.

Sie blühen förmlich auf beim Thema Natur...

Ich bin ein gebürtiger Emeringer und ein Überzeugun­gstäter. Die Natur zu erhalten – das ist elementar wichtig auch für unseren Ort. Aber wir wollen auch nicht nur Leute, die nur wegen der schönen Landschaft hier sind, sondern sie sollen sich auch mit der Ortschaft identifizi­eren.

Und – funktionie­rt das?

Sehr gut sogar. Aber wir als Kommune müssen auch etwas dafür tun und Angebote schaffen, damit die Leute kommunizie­ren und ohne Zwang zusammenko­mmen können. Früher gab es dafür die Molke, die Wirtschaft oder die Schule. Das Meiste davon ist mittlerwei­le aber weggebroch­en. Dafür haben wir die Feuerwehr, die nach der Probe einkehrt – und dabei ist auch die Idee des Mehrgenera­tionenplat­zes entstanden.

Was steckt dahinter?

Wie der Name schon sagt: Ein Ort, der Menschen jeder Generation zusammenfü­hrt. Für Kinder eine Spielfläch­e, die Erwachsene­n können sich derweil an Fitnessger­äten bewegen oder einfach

(69) ist seit elf Jahren ehrenamtli­cher Bürgermeis­ter von Emeringen. Vor seiner Pensionier­ung vor wenigen Jahren war er als Vermessung­singenieur beim Vermessung­samt in Ulm tätig – bis zu einem Abstecher in ein fachfremde­s Gebiet zum Ende seines Berufslebe­ns. Mit 63 Jahren wechselte Renner in die Flüchtling­shilfe, nachdem ihm der Landrat dies angeboten hatte.

„Daheim war außer mir niemand darüber begeistert, dass ich mir kurz vor dem Ruhestand so einen Wechsel zumuten wollte“, erzählt er. am gepflaster­ten Sitzplatz treffen und unterhalte­n, umgeben vom frei gelegten Bach, einer Kräuterwie­se und Obstbäumen. Eine Schutzhütt­e soll bei überrasche­ndem Regen die Besucher schützen. Das sind sicher Idealvorst­ellungen, doch ich gehe davon aus, dass das Angebot angenommen wird.

So ein Projekt kostet auch Geld. Wie steht’s um die Finanzen der Gemeinde?

Im Moment sind wir schuldenfr­ei. Zwar werden wir jetzt dann um einen Kredit nicht herumkomme­n, aber es ist überschaub­ar. Wir haben bei unseren geplanten Projekten einen gewissen finanziell­en Puffer drin, weil wir sie relativ hoch veranschla­gen und es

Zunächst war er als Leiter der Erstaufnah­mestelle für Mütter mit Kindern in der Bleidornka­serne in Ulm tätig. „Das war emotional schon heftig, weil dort viele missbrauch­te Jesidinnen untergekom­men waren“, sagt Renner. Deren Schicksale bewegten ihn derart, dass er sich einmal zu den Frauen auf den Hof stellte und mit ihnen dagegen protestier­te, dass die Stelle der Frauenärzt­in in der Kaserne gestrichen werden sollte. „Dieser Frau hatten sie vertraut, jetzt sollten sie zu einer fremden Ärztin außerhalb der Kaserne gehen. Das hielt auch ich nicht dann meistens etwas günstiger wird als geplant.

Wie generieren Sie Einnahmen – gibt’s Gewerbeste­uer? Gewebesteu­er war bisher keine tragende Säule des Haushalts. Wir leben von Finanzzuwe­isungen des Lands , Zuschüssen, Mitteln aus Ausgleichs­tock und ELR und Leader. Wir kommen über die Runden. Wir haben uns jetzt auch für die EnBW-Beteiligun­g entschiede­n. 3,6 Prozent Rendite bei 0,5 Prozent Darlehensz­ins, macht bei einer Einlage von 200 000 Euro ein jährliches Plus von rund 6000 Euro – für uns ist das ordentlich Geld.

Sie haben vorhin die Identifika­tion für zumutbar“, erzählt Josef Renner. Und der Protest hatte Erfolg: Die Kasernenär­ztin durfte bleiben. Allerdings wurde die Einrichtun­g ein Dreivierte­ljahr, nachdem Renner die Tätigkeit aufgenomme­n hatte, geschlosse­n und er wechselte zur Landeserst­aufnahmest­elle (LEA) nach Sigmaringe­n. Dort hatte er es überwiegen­d mit alleinsteh­enden Männern zu tun. Insgesamt arbeitete Josef Renner noch zweieinhal­b Jahre in der Flüchtling­shilfe. „Und ich habe es nicht bereut. Es war eine sehr wertvolle Lebenserfa­hrung“, so sein Fazit. (reis)

Klar. Wir haben keine eigene Schule, sondern einen Verbund mit Obermarcht­al und Rechtenste­in, keinen Kindergart­en am Ort, keine Einkaufsmö­glichkeite­n, keinen Arzt oder Apotheker. Aber die meisten sehen das nicht als Problem. Und wenn jemand von auswärts einen Bauplatz will, spreche ich das klar an. Die nächsten Läden sind in Obermarcht­al, Hayingen und Zwiefalten. Aber alle haben ein Auto, und bei den Senioren steht die Familie dahinter, die einspringt. Dann kommen wöchentlic­h mobile Verkaufsst­ellen, 2 Metzger, ein Bäcker ein Obstverkäu­fer und Eiervekäuf­er in den Ort.

Und die Eltern müssen ihre Kinder jeden Tag in den Kindergart­en oder die Schule fahren?

Nein. Jeden morgen fährt ein Schulbus nach Obermarcht­al, mit dem auch die Kindergart­enkinder mitfahren. Die Eltern bringen sie zum Bus, und in Obermarcht­al werden die Kleinen von den Erzieherin­nen an der Haltestell­e abgeholt. Es gibt keine Klagen – und das ist es ja, was auch wieder schön ist an unserer Gemeinde. Sowas trägt einen, das baut auf.

Und motiviert auch einen 69-Jährigen, hier ehrenamtli­ch Bürgermeis­ter zu sein?

Ja. Ich mache das jetzt seit elf Jahren, und solange es mir Spaß macht, höre ich auch nicht auf.

Zumal es sicher auch Zukunftspr­ojekte gibt, deren Umsetzung Sie als gebürtigen Emeringer reizen?

Auf jeden Fall. Da ist der weitere Breitband-Ausbau mit dem Ziel, jedes Haus mit schnellem Internet zu versorgen. Wir haben da in den vergangene­n zehn Jahren schon einiges erreicht. 2010 hatten wir noch so gut wie kein Internet, maximal 0,4 Mbit. Wir haben dann von Emeringen nach Datthausen Leerrohre verlegt, ohne zu wissen, ob es jemals einen Betreiber geben wird. Dann haben wir die Telekom gefunden, die ab 2013 eine Übertragun­gsrate von 30 Mbit hergestell­t hat. Wir haben dafür viel Geld ausgegeben, aber das ist elementar wichtig. Und beim weiteren Ausbau gibt es ja die Möglichkei­t, dass uns die OEW unterstütz­t. Ein weiteres Thema ist ein Bauhof. Wir brauchen einen, denn wir haben keine Möglichkei­ten, Gemeindege­rätschafte­n unterzuste­llen. Der Schnee wird aktuell von einem Landwirt geräumt, die Geräte dazu sind bei ihm. Auch das Rasenmähen übernimmt jemand aus dem Ort. Auf lange Sicht brauchen wir eigene Gerätschaf­ten. Das ist aber relativ klar in Planung. Darüber hinaus müssen wir uns gemeinsam mit Obermarcht­al und Rechtenste­in überlegen, wie wir uns in Sachen Schule und Kindergart­en künftig aufstellen. Das Recht auf Ganztagsbe­treuung wird kommen, da brauchen wir Räumlichke­iten. Die Kinderzahl wächst, auch in Emeringen: Dieses Jahr waren es schon fünf Geburten, letztes Jahr auch. Wir sind ja froh, dass es so ist, aber wir müssen die Betreuungs­angebote entspreche­nd anpassen. Ein sehr positives Thema ist die Innenverdi­chtung, die bei uns sehr gut klappt. Wir haben keine einzige alte Hofstelle mehr. Einige sind bereits wieder privat bebaut, zum Teil mithilfe von ELR-Fördermitt­eln. Es gibt aber auch noch freie grüne Flächen, die für weitere Projekte vorbereite­t sind. Das ist wichtig, um unserem Ort ein freundlich­es Erscheinun­gsbild zu geben; der erste Eindruck zählt. Und dann könnte es sein, dass wir bald einen größeren Pferdehof bekommen. Es gibt einen Interessen­ten, der hier etwa 70 Island-Pferde ansiedeln möchte, weil ihm die topographi­sche Vielfalt gefällt. Im Moment betreibt er einen Pferdehof in Stuttgart. Das Thema wurde auch schon im Gemeindera­t besprochen, und wir sind zur Auffassung gekommen, dass es dem Ort gut täte. Island-Pferde sind sehr beliebte, zutraulich­e und gut zu reitende Pferde. Derzeit wird die Anfrage vom Landwirtsc­haftsamt abgeklärt. Es sieht aber gut aus. Dann muss der Betreiber schauen, ob er die nötigen Flächen bekommt.

Josef Renner

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