„Mit den Augen zu rollen ist ganz schlecht“
- Im Willy-Brandt-Haus ist die Stimmung gerade vom Feinsten. Nach vielen Monaten im 15-ProzentJammertal schaut man nun mit Begeisterung und Vorfreude auf jede neue Umfrage. Und am Sonntag hofft man in der SPD, den Vorsprung noch ausbauen zu können. Denn dann läuft die erste von drei Fernsehdebatten zur Bundestagswahl am 26. September (RTL, 20:15 Uhr). Und die ist ein Novum. In den vergangenen zwei Jahrzehnten standen sich immer nur die Spitzenkandidaten von Union und SPD gegenüber. Diesmal wird aus dem Duell ein Triell: Armin Laschet (CDU) gegen Olaf Scholz (SPD) gegen Annalena Baerbock (Grüne). Wird der Dreikampf die Wahlentscheidung beeinflussen?
Vorbei die Zeit, als die Grünen moserten, dass es keiner Trielle bedürfe, weil die SPD in Umfragen so weit abgeschlagen hinten liege, dass man es auch beim guten, alten Duell belassen könne. Inzwischen haben sich die Umfragewerte der beiden umgekehrt und die SPD liegt bei 22 Prozent, auf gleicher Höhe mit der Union und zwei Punkte vor den Grünen.
Das Umfeld von SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz will sich eigentlich nichts anmerken lassen, doch letztlich klingt es nach Triumph. Die Strategen sind überzeugt, dass der Vizekanzler beim Triell seinen Bonus als Staatsmann in die Waagschale werfen wird.
Schon vorher wurde ausgelost, wer jeweils mit dem Eingangsstatement beginnt und mit dem Schlusswort endet. Für den Anfang: Baerbock, Scholz, Laschet. Alles ganz fair. Nicht ganz in Ordnung findet man bei der SPD, dass eine der beiden Moderatorinnen des dritten Triells, das von Pro7 organisiert wird, Claudia von Brauchitsch ist. Von Brauchitsch arbeitete lange für das parteieigene „CDU-TV“.
Und wie werden die Kandidaten vorbereitet? Da lassen sich die Parteien ungern in die Karten schauen. „Letztlich kümmert sich das gesamte Willy-Brandt-Haus“, heißt es bei der SPD. Externe Hilfe, zum Beispiel Coaches, hat man sich nicht geholt. Es werden auch keine Redeblöcke vorbereitet, die der Kandidat auswendig lernt. Scholz zieht auch an, was ihm gefällt. Dunkler Anzug, weißes Hemd. Da wird es wohl keine Überraschungen geben.
Scholz’ Konkurrent Armin Laschet gilt hingegen nicht gerade als diszipliniert und ordentlich. Der CDU-Chef und Kanzlerkandidat der Union schafft es beispielsweise, ein leeres Podiumstischchen binnen Minuten unter einem Haufen aus Wasserglas, Maske, Handy und Zetteln verschwinden zu lassen. Der Zustand seines Schreibtisches in der
BERLIN (abo) - Er hat Wahlkampf für Bill Clinton geführt und später viele Wahlkämpfe der SPD begleitet. Frank Stauss (Foto: Marlene Gawrisch/ oh) war auch schon im Team von Olaf Scholz. Allerdings bei der Hamburg-Wahl. Von Stauss ist auch der Bestseller „Höllenritt Wahlkampf“. Die anstehenden Trielle hält der Politologe für höchst wichtig.
Herr Stauss, manche sagen, bei diesen Fernsehauftritten kann man kaum Wähler gewinnen, aber man kann sie verlieren. Sehen Sie das auch so?
Zumindest ist es so, dass man der eigenen Kampagne mit kleinen Fehlern großen Schaden zufügen kann. Die Kandidaten dürfen sich
Düsseldorfer Staatskanzlei ist legendär.
Wenn es allerdings wirklich gilt, kann er auch ganz anders. Dann ist er glasklar und fokussiert. Das konnte beispielsweise jeder sehen, der Laschets Rede beim Wahlparteitag der CDU verfolgt hat: Schritt neben das nicht darauf konzentrieren, die Konkurrenz zu bekämpfen. Es geht darum, für sich selbst zu werben. Das mögen vielleicht die Journalisten nicht, aber die Zuschauer sind an einer Konfrontation in der Regel wenig interessiert. Wenn die Kandidaten es nicht schaffen, sich selbst zu präsentieren, dann wird es für sie wirklich gefährlich.
Muss man solche Auftritte trainieren?
Unbedingt. Und in der aktuellen Situation besonders. Da liegen drei Parteien so dicht beieinander, dass am Ende diese Trielle wahrscheinlich die Wahl entscheiden. Wer sich darauf nicht vorbereitet, ist ein Amateur.
Gibt es allgemeingültige Regeln?
Pult, Bergmannsmarke seines Vaters groß im Bild, Schlussblick direkt in die Kamera. Keine Frage, Laschet hatte sich auf den Punkt vorbereitet.
Um für das Fernseh-Triell zu trainieren, bleibt wegen des Wahltermin-Kalenders nur wenig Zeit. Dabei steht für ihn am meisten auf dem
Körpersprache ist wichtig. Wenn so ein Triell 90 Minuten dauert, muss man auch am Schluss noch hellwach wirken. Mindestens genauso entscheidend ist die erste Viertelstunde. Und die Situation sollte geübt werden. Zum Beispiel: Wie bewege ich mich? Wohin schau ich, wenn da drei Personen stehen? Herablassung, genervt zu sein, kann man sich nicht leisten. Mit den Augen zu rollen ist ganz schlecht. George Bush hat im Duell mit Bill Clinton auf die Uhr geschaut. Das wirkte, als sei er gelangweilt. So etwas mögen die Zuschauer gar nicht.
In Ihrem Blog haben Sie geschrieben, Scholz könne „mit einem schlumpfigen Lächeln“auf die Fehler der anderen warten. Wird das beim Triell reichen?
Spiel: Die Dreikämpfe sind seine Chance, die Umfragen zu drehen. Die TV-Debatten seien wichtig, heißt es auch in der Partei. Hinzugefügt wird, dass es für Laschet sogar von Vorteil sein könnte, quasi unterbewertet in die Auseinandersetzung zu gehen: Er habe am meisten zu gewinnen.
Scholz hat den Vorteil, dass er vor den Triellen schon mehr geschafft hat, als die meisten erwartet haben. Er muss sich vorbereiten, aber er muss keine Wundertüte mehr aufmachen. Wenn er sich konzentriert und seine Kompetenzen ausspielt, hat er gute Karten.
Annalena Baerbock und Armin Laschet sind schwer angeschlagen. Was würden Sie denen raten? Es ist für beide die letzte Chance, wobei ich glaube, dass für Annalena Baerbock die Kanzlerschaft nicht mehr drin ist. Armin Laschet hat das große Problem, dass er nicht nur gegen Baerbock und Scholz antritt, sondern auch noch gegen Markus Söder, obwohl der bei den Sendungen gar nicht dabei ist. Laschet muss an seiner eigenen Statur arbeiten. Und er muss die eigenen Leute mobilisieren.