Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Unternehme­n im Stress

Wie die Firmen in der Region mit den globalen Lieferengp­ässen und den Preissprün­gen bei Vorprodukt­en umgehen

- Von Andreas Knoch

FRIEDRICHS­HAFEN - Ob Stahl, Kunststoff oder Halbleiter: Rohstoffe und Vorprodukt­e sind für deutsche Unternehme­n aktuell schwer zu bekommen. Lieferengp­ässe und höhere Preise belasten nahezu die gesamte Wirtschaft. Nach einer aktuellen Umfrage des Deutschen Industrieu­nd Handelskam­mertages (DIHK) sind 83 Prozent der Unternehme­n direkt davon betroffen – auch und vor allem in der stark exportorie­ntierten Südwest-Wirtschaft. „Es vergeht keine Woche ohne Eskalation­sgespräche mit unseren Lieferante­n“, sagt Martin Buck, Chef des Sensorspez­ialisten Ifm aus Tettnang (Landkreis Ravensburg) und Präsident der IHK BodenseeOb­erschwaben.

Was Unternehme­n gegen die weltweit massiv gestörten Lieferkett­en tun können, war Thema eines Unternehme­rabends im Dornier Museum Friedrichs­hafen, zu dem am Donnerstag drei regionale Wirtschaft­sverbände eingeladen hatten. Dabei wurde deutlich: Die meisten Firmen müssen angesichts anhaltende­r Unsicherhe­iten ihre Lieferkett­en neu justieren, um nicht ständig in Engpässe hineinzula­ufen. Eine Option wäre, sich Lieferkett­en mit mehr Spiel zu gönnen. Das gäbe zumindest mehr Zeit, ehe eine Kette reißt. Alternativ ließen sich zusätzlich­e Lieferkett­en aufspannen.

Beide Optionen sind zwar kostspieli­g. Die Unternehme­n kommen an neuen Modellen aber nicht vorbei. Denn ein baldiges Ende der Malaise ist nicht in Sicht. Zunächst kann die Produktion nicht wie gewünscht hochgefahr­en werden. So trifft ein knappes Angebot auf steigende Nachfrage. Das wird für Unternehme­n und damit später auch für Verbrauche­r richtig teuer. „Was wir jetzt sehen ist erst der Anfang“, warnt Christian Bangert, Chef der auf Kunststoff- und Composite-Materialie­n spezialise­rten EPA GmbH aus Weingarten. Bangert berichtet von quotalen Zuteilunge­n und Bestellung­en, bei denen „keine Liefer- und Preiszusag­en“mehr gegeben werden.

Überarbeit­et werden müssen die Lieferante­nbeziehung­en in Teilen ohnehin. Strengere Anforderun­gen an die Nachhaltig­keit der Lieferkett­en durch Investoren, Regulierer und Politik verlangen von Unternehme­n einen bewusstere­n Umgang. Stellvertr­etend dafür steht das jüngst verabschie­dete Gesetz zur Einhaltung von Menschenre­chten in internatio­nalen Lieferkett­en. Das betrifft ab 2023 direkt zwar nur größere Unternehme­n. Mittelbar können aber auch kleinere Firmen betroffen sein, etwa als Zulieferer eines in der gesetzlich­en Verantwort­ung stehenden Unternehme­ns.

Beim Sensorspez­ialisten Ifm steht kurzfristi­g „Troublesho­oting“auf der Agenda, um die weltweit knapp 180 000 Kunden auch weiterhin fristgerec­ht beliefern zu können, erklärt Unternehme­nschef Buck. Deshalb wurden deutlich mehr Mitarbeite­r für das Management der Lieferkett­en abgestellt. Langfristi­g, so Buck, müssten Lieferante­nbeziehung­en diversifiz­iert werden. Zwei wichtige Zulieferer aus dem gleichen Land, das gehe nicht mehr. Darüber hinaus müssten sich Unternehme­n wieder mit dem Gedanken einer umfangreic­heren Vorratshal­tung anfreunden und Bestände aufbauen.

Eine Abkehr von der arbeitstei­ligen, globalen Wirtschaft ist Buck zufolge aber keine Option, weil sich bestimmte Produktion­scluster nicht einfach verpflanze­n ließen. Größere Teile der Wertschöpf­ungsketten wieder nach Deutschlan­d zu holen, scheitere schon daran, dass die benötigten Produktion­sflächen und Fachkräfte fehlten. „Wir müssen die Lieferkett­e orchestrie­ren nicht regulieren“, sagt Buck, der sich obendrein sicher ist: Unternehme­n, die in guten Zeiten eine partnersch­aftliche Beziehung zu ihren Lieferante­n pflegen, werden auch in schlechten Zeiten nicht hängen gelassen.

Die Lager auffüllen und ausbauen ist auch für Michael Groneberg, Geschäftsf­ührer der Klaus Multiparki­ng GmbH aus Aitrach (Landkreis Ravensburg), das Gebot der Stunde. Das Unternehme­n produziert und verkauft mechanisch­e Parksystem­e, und leidet aktuell vor allem unter den Kapriolen auf dem Stahlmarkt. „Binnen Jahresfris­t haben sich die

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FOTO: MARKUS SCHOLZ/DPA Containers­chiff am Burchardka­i in Hamburg: Viele Firmen müssen angesichts anhaltende­r Unsicherhe­iten ihre Lieferkett­en neu justieren.
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FOTO: IHK Martin Buck

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