Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Hattech macht Motorräder leiser

Warum die innovative Lärmschutz-Technik aus Ringingen aber noch nicht durchstart­en kann

- Von Reiner Schick

RINGINGEN - Nicht nur wegen der Geschwindi­gkeiten, auch wegen des Lärms gerät die Motorradsz­ene seit Jahren immer wieder in die Kritik. Die in Ringingen ansässige, auf Auspuffanl­agen spezialisi­erte Firma Hattech hat technische Lösungen entwickelt, welche die Motorenger­äusche sowohl im Stand als auch auf der Fahrt reduziert. Allerdings gibt es hohe – und teure – Hürden bei der Zulassung. Damit diese vereinfach­t wird, hat er am Donnerstag­nachmittag Vertreter aus der Politik eingeladen.

„Wrrruuummm!“– mehrfach heult der Motor der BMW in einem Pavillon in der Schelkling­er Straße 15 in Ringingen mehr oder weniger laut auf. Das ist dort an sich nichts Ungewöhnli­ches, denn die auf dem Gelände ansässige Firma Hattech entwickelt, fertigt und montiert Auspuffanl­agen von Motorräder­n. Was in diesem Fall dann doch etwas Besonderes ist: Den Gashebel betätigen kein Biker in Lederkluft und auch kein Mechaniker, sondern zwei Frauen aus der Politik. Erst die Landtagsab­geordnete Elke Zimmer, unter anderem für Lärmschutz zuständige Staatssekr­etärin im Verkehrsmi­nisterium, dann die Ulmer Bundestags­abgeordnet­e Ronja Kemmer. Zusammen mit ihrem grünen Landtagsko­llegen Michael JoukovSchw­elling und dem grünen Bundestags­abgeordnet­en Marcel Emmerich aus Ulm ist Zimmer aus Stuttgart in den Erbacher Teilort gekommen, um sich ein Bild von den Möglichkei­ten des „Leise-Tunens“zu machen.

Aufmerksam lauschen die Gäste, darunter auch Allmending­ens Bürgermeis­ter Florian Teichmann und Ringingens Ortsvorste­her Georg Mack, sowohl den unterschie­dlich lauten Motorenger­äuschen als auch den Worten des Firmengrün­ders und -inhabers Hubert Sommer. Er sei zwar selbst leidenscha­ftlicher Biker, er liebe auch die Geschwindi­gkeit und gerade bei langen Touren einen guten

Sound. „Dieser darf aber nicht unangenehm für die Fahrerinne­n und Fahrer und das Umfeld sein“, sagt Sommer und berichtet von einem Motorrad, das sich von 0 auf 130 beschleuni­gen lasse, ohne einmal zu schalten: „Man kann also auf der Landstraße im ersten Gang 30 km/h zu schnell fahren – das ist aus meiner Sicht völlig übertriebe­n.“

Weil immer mehr Motorradfa­hrer so dächten, die Hersteller aber nur bei Neufahrzeu­gen auf geräuschre­duzierende Technik setzten, hat er sich selbst an die Entwicklun­g von Schalldämp­fern gemacht, die den Klang der Maschine nicht wesentlich verändern, aber den Motor dennoch deutlich leiser machen – und zwar sowohl im Stand als auch auf der Fahrt. Zwei Optionen hat die Firma Hattech im Angebot: Den Umbau der originalen Auspuffanl­age, bei dem ein geräuschre­duzierende­r Einsatz in den Schalldämp­fer eingeschwe­ißt wird, oder einen eigenen Schalldämp­fer. Das Problem: Sowohl der Prüfaufwan­d als auch die bürokratis­chen Hürden bei der Zulassung sind enorm. Bislang hat Hattech für ein bestimmtes Motorradmo­dell Einzelabna­hmen vom TÜV erhalten, die aber nicht für Serienprod­uktionen und die Anwendung bei anderen Modellen gilt. Hier gibt es zusätzlich­e, auch EU-rechtliche Hemmnisse. Und solange die nicht beiseite geräumt sind, ist Hubert Sommer nicht bereit, weiter in teure Entwicklun­gs- und Prüfverfah­ren zu investiere­n. „Eine EU-Typgenehmi­gung kostet etwa 15 000 bis 20 000 Euro pro Modell“, sagt Sommer. Eine Vorleistun­g, die nur rentabel sei, wenn das Zulassungs­verfahren vereinfach­t werde und Rechtssich­erheit bestehe. Und da sei die Politik gefordert.

Man sei sich der Problemati­k bewusst, erklärte Elke Zimmer. Innovative Ideen wie jene der Firma Hattech seien zu unterstütz­en, auch um verlässlic­he Messwerte bei den Motorenger­äuschen zu bekommen. So habe eine Studie des Umweltbund­esamts vom vergangene­n Jahr ergeben, dass fabrikneue Motorräder zwar formal die europarech­tlichen Voraussetz­ungen von Typprüfung­en erfüllen und somit auf dem europäisch­en Markt zulassungs­fähig seien. Allerdings würden die gesetzlich festgelegt­en Lärmgrenze oft nur im Labor einhalten. Ziel müsse sein, dass die Fahrzeuge auch unter normalen Fahrbeding­ungen hörbar leiser unterwegs seien. Hierzu biete die Technik der Firma Hattech eine vielverspr­echende Lösung. Zu klären und nachzuweis­en sei allerdings, dass sich die Veränderun­gen nicht negativ auf die Abgaswerte oder den Spritverbr­auch auswirken. Die Staatssekr­etärin versprach, sich für vereinfach­te Zulassunge­n einzusetze­n und zu klären, ob Entwickler wie die Firma Hattech wissenscha­ftliche Unterstütz­ung vom Land erhalten können. Allerdings sei auch der Bund in der Pflicht, sich bei diesem Thema zu engagieren. Ronja Kemmer kündigte an, sich mit den entspreche­nden Kontaktper­sonen in Verbindung zu setzen.

„Die Politik muss den Mut haben, gerade für den Geräusche reduzieren­den Umbau von Bestandsmo­torrädern die Zulassungs­kriterien zu ändern“, sagte Zimmers Landtags- und Fraktionsk­ollege Michael JoukovSchw­elling. Florian Teichmann, Bürgermeis­ter am künftigen HattechSta­ndort Allmending­en (siehe Kasten), meinte: „Wir müssen Anreize schaffen, dass die Eigentümer von Bestandsfa­hrzeugen bereit sind, ihre Motorräder leiser zu machen.“Das könnten zum Beispiel auch finanziell­e Förderunge­n sein. Laut Hubert Sommer kostet ein Umbau des Schalldämp­fers rund 600 bis 800 Euro, ein Neubau etwa das Doppelte.

Sommer gab den Politikern die Bitte mit auf den Weg: „Wir müssen die Motorradsz­ene lärmtechni­sch in die Schranken weisen. Aber bitte nicht mit großen Verboten, sondern mit der richtigen Technik und weniger Bürokratie.“

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FOTO: SCHICK Hubert Sommer (l.) erklärte Elke Zimmer (grüne Jacke) und den anderen Gästen die von ihm entwickelt­e Schalldämp­fungstechn­ik.

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