Ein Routinier im zweiten Frühling
Fußball, Regionalliga: Ulm zu Gast bei Kickers Offenbach – Thomas Rathgeber spielte schon für beide Klubs
ULM/KEMPTEN (scö) - Thomas Rathgeber erlebt sportlich gerade seinen zweiten Frühling. Der mittlerweile 36Jährige ist im Juli 2019 vom SSV Ulm 1846 Fußball zu seinem Heimatverein FC Kempten zurückgekehrt. Beim bayerischen Landesligisten ist der Routinier nicht nur Co-Trainer und ältester Spieler in einem jungen Team, sondern mit fünf Toren in sieben Partien auch der bisher torgefährlichste Stürmer. „Ja, dieses Jahr läuft es ganz gut“, sagt er lachend. Das treffe aber auch auf seinen Ex-Klub zu. Was sich bei den Spatzen tut, wie sich der Verein immer weiter in Richtung Profisport entwickelt hat, beobachtet Rathgeber genau. Allein deshalb, weil er noch immer in Ulm arbeitet. Als Controller ist er bei einem Unternehmen tätig, das die Spatzen als Sponsor unterstützt. „Ich bin sehr dankbar, dass mir der Verein damals die Türen in die Arbeitswelt über seine Kontakte geöffnet hat“, sagt er. Am Samstag, 28. August, 14 Uhr, treffen die Ulmer in der Regionalliga Südwest auswärts auf einen seiner weiteren Ex-Vereine, denn Rathgeber kickte von 2010 bis 2013 mit Kickers Offenbach in der Dritten Liga.
Drei Klassen tiefer schnürt er inzwischen seine Fußballschuhe. In einer Mannschaft, die im Schnitt knapp 23 Jahre jung ist. „Ich gebe meine Erfahrung beim FC Kempten gerne an die jungen Spieler weiter. Sie sind alle wissbegierig, das macht mir großen Spaß“, sagt Rathgeber. Als Co-Trainer trägt er selbst ein Stück weit Verantwortung, dass auch auf seiner Position im Angriff bald die nächsten Talente nachrücken. Doch das, sagt er, sei für ihn auch Ansporn. Denn an ein mögliches Karriereende verschwendet er noch keine Gedanken. Rathgeber: „Ich bin 36, genieße jedes Spiel und plane nicht mehr zu lange in die Zukunft. Ich fühle mich nach wie vor richtig fit. Aber man muss natürlich auf seinen Körper hören. Ich weiß ja inzwischen, was mir guttut und was nicht.“
An seine Zeit beim SSV Ulm 1846 Fußball erinnert sich Rathgeber gern zurück. Von 2016 bis 2019 trug er das Trikot der Spatzen, in 74 Pflichtspielen erzielte er 25 Tore. Irgendwann kam aber der Tag, an dem ihm der Aufwand für den Fußballsport zu groß wurde. „Es war eine wahnsinnig tolle Zeit. Ich bin im Jahr nach dem RegionalligaAufstieg gekommen. Da war Ulm bestenfalls semi-professionell unterwegs. Wir haben abends nach der Arbeit trainiert. Inzwischen sind die Strukturen völlig anders“, sagt der 36Jährige, der als Jugendlicher schon im SSV-Nachwuchs gespielt hatte.
Aus der Ulmer U19 hatte es ihn 2004 zurück nach Kempten gezogen, ehe Rathgeber als Profi durchstartete. Mit dem VfL Bochum wurde er 2004 Zweitliga-Meister, über Unterhaching führte sein Weg im Sommer 2010 schließlich zu den Offenbacher Kickers. „Es ist ein Traditionsverein mit unglaublichen Fans. Es war eine sehr emotionale Zeit mit allen Höhen und Tiefen, nichts für schwache Nerven. Ich möchte die Jahre in Offenbach nicht missen“, so Rathgeber. Im DFBPokal zum Beispiel erreichte der OFC zu dieser Zeit das Viertelfinale, schlug unter anderem Borussia Dortmund. 79 Spiele, 19 Tore stehen von damals in seiner sportlichen Vita. Das Ende am Bieberer Berg war aber eher unschön: Im Jahr 2013 meldete der Verein Insolvenz an, Rathgeber und viele seiner Teamkameraden mussten gehen.
Das Duell seiner beiden Ex-Klubs am Samstag bezeichnet der Allgäuer als „absolutes Top-Spiel der Regionalliga Südwest“. Auch Ulms aktueller Cheftrainer Thomas Wörle hat eine Offenbacher Vergangenheit. Er trug von 2005 bis 2008 das Kickers-Dress, also kurz vor Rathgeber. 85 Mal lief er mit Offenbach in der Zweiten Bundesliga auf, erzielte als defensiver Mittelfeldspieler vier Tore. Wörle und Rathgeber wissen zu gut, dass die Fans am Bieberer Berg ein entscheidender Faktor sein können. Umso trauriger sei es, dass die Stadt Offenbach derzeit wegen Corona keine Gästefans im Stadion zulässt. Die Spatzen sind demnach im schweren Auswärtsspiel auf sich allein gestellt. Rathgeber merkt aber an: „So fantastisch die Stimmung dort sein kann, für die Heimmannschaft ist das nicht immer gut. Der Druck ist vor einer solchen Kulisse schon recht groß.“