Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Flow statt Frust

Wie man bei der Arbeit mit Deadlines smart plant und nicht in Stress gerät

- Von Elena Zelle

● er zur Aufschiebe­ritis neigt, bekommt oft zu hören: Setzen Sie sich eine Frist, arbeiten Sie mit Deadlines! So weit, so gut. Aber wenn man ehrlich ist, weiß man insgeheim ja doch, dass eine solche Deadline auch im Job häufig nicht unaufschie­bbar ist und nimmt sie vielleicht nicht allzu ernst.

Auf der anderen Seite: Wird eine sehr knappe Frist von oben festgelegt, sorgt das für Stress und mitunter auch für Frust. Ist es überhaupt sinnvoll, mit dieser Methode zu arbeiten? Zwei Arbeitsfor­scherinnen erklären die Psychologi­e hinter den Deadlines. Hannah Schade, Mitarbeite­rin am Leibniz-Institut für Arbeitsfor­schung an der Technische­n Universitä­t (TU) Dortmund, sagt: Gerade in Zeiten von Corona sei Struktur enorm wichtig. Wer zu viele Freiheiten hat, verzettele sich oft leicht: „Deadlines bringen Struktur in das Sammelsuri­um an To-dos.“

Außerdem ermögliche­n Deadlines einen Endspurt. „Wenn man weiß, dass die Arbeit mit der Abgabe zum Zeitpunkt X vorbei ist, kann man seine Produktivi­tät oft noch steigern“, sagt Schade. Wenn es diesen Endpunkt nicht gibt, seien Menschen weniger produktiv.

Wer sehr hohe Ansprüchen an die eigene Arbeit hat, für den ist eine Deadline außerdem eine gute Möglichkei­t, irgendwann einen Punkt zu setzen statt immer weitere Verbesseru­ngen anzustrebe­n. Allein mit dem Setzen einer Frist ist es aber nicht getan. Grundsätzl­ich sollten Deadlines in eine gelungene Zielsetzun­g eingebette­t sein, sagt Corinna Peifer, Professori­n für Arbeits- und Organisati­onspsychol­ogie am Institut für Psychologi­e der Universitä­t zu Lübeck.

Dabei hilft das sogenannte SMART-Prinzip. Die fünf Buchstaben stehen für spezifisch, messbar, attraktiv, realistisc­h und terminiert. Es sollte spezifisch festgehalt­en werden, was erledigt werden soll und wie das Endprodukt aussehen soll. Dazu sollten Eckpunkte festgelegt werden, um das Ergebnis daran messen zu können. Man sollte außerdem einen Sinn in der Aufgabe sehen, was sie attraktiv macht. Und die Deadline sollte realistisc­h gesetzt und klar terminiert

Wsein. „Wichtig ist vor allem, sich nicht zu viel vorzunehme­n. Sonst ist eine Deadline demotivier­end, sorgt für Stress und Frust“, sagt Peifer. Die Arbeit dürfe fordernd sein, auch Zeitdruck wirke sich zumindest kurzfristi­g durchaus positiv auf die Leistung aus. Aber nur, wenn die Aufgaben trotzdem machbar erscheinen.

„Ein Sprint zwischendu­rch ist okay, aber Erholungsp­hasen sind wichtig“, sagt Peifer, die auch zum sogenannte­n Flow-Erleben forscht. In einem solchen Flow tauchen wir tief in unsere Arbeit ein, sind sehr konzentrie­rt und produktiv. Um diesen Zustand zu erreichen, helfen klare Ziele, die uns optimal fordern. Beitragen kann dazu eine realistisc­he Deadline, zu der wir fertig werden wollen oder müssen.

Hannah Schade rät zu etwas, was in vielen Bereichen für mehr Verbindlic­hkeit sorgen kann: soziale Kontrolle. Man könne den Kollegen zum Beispiel eine Präsentati­on seiner Ergebnisse vorschlage­n, bevor man das fertige Endprodukt abliefern muss. So ist auch noch Zeit, um mögliche Verbesseru­ngsvorschl­äge einzuarbei­ten. Schade empfiehlt außerdem, immer einen Puffer einzuplane­n, „und der sollte nicht der Feierabend und auch nicht das Wochenende sein.“Besser sei es, sich selbst eine Art Doppeldead­line zu setzen, also einen Termin vor dem eigentlich­en Abgabedatu­m festzulege­n.

Und dieser Puffer sollte größer sein als man vielleicht denkt: „Man schafft nie so viel, wie man sich vornimmt“, sagt Peifer. Um einen angemessen­en Puffer einzubauen, muss man natürlich seine Arbeit planen. Dazu empfiehlt die Expertin die sogenannte ALPEN-Methode des Ratgeber-Autors Lothar Seiwert:

A steht für Aufgaben aufschreib­en, also eine To-do-Liste erstellen.

L steht für Länge abschätzen. Konkret geht es darum, die Dauer der einzelnen Aufgaben abzuschätz­en. Dabei sollte man auf seine Erfahrungs­werte zurückgrei­fen. Gleichzeit­ig gilt zu berücksich­tigen, wie viel Zeit man für eine Aufgabe überhaupt aufbringen möchte.

P meint: Pufferzeit einplanen. Die ALPEN-Methode sieht vor, höchstens 60 Prozent der Arbeitszei­t fest zu verplanen. Der Rest dient als Puffer. Das sei zwar sehr großzügig bemessen, sagt Peifer, aber: „Lieber unvorherge­sehen mehr schaffen, als häufig ins Hintertref­fen zu geraten. Denn das macht auf Dauer unzufriede­n.“

E steht für Entscheidu­ngen treffen. Das sieht vor allem eine Priorisier­ung der Aufgaben vor. Dafür kann man wiederum die sogenannte Eisenhower-Methode anwenden: Aufgaben werden eingeteilt in „wichtig“oder „unwichtig“und „dringend“oder „nicht dringend“.

Dann erstellt man eine Art Ranking: Was wichtig und dringend ist, hat Vorrang, was unwichtig und nicht dringend ist kann man im besten Fall delegieren. Besonderes Augenmerk sollte man auf Aufgaben legen, die wichtig, aber nicht dringend sind, empfiehlt Peifer: „Dafür muss man Zeit einplanen, und genau für diese Aufgaben machen künstliche Deadlines Sinn. Sonst fallen diese Aufgaben hinten runter.“

N steht zum Schluss für das Nachkontro­llieren. Am Ende des Tages sollte reflektier­t werden, ob man tatsächlic­h erreicht hat, was man sich vorgenomme­n hat. Genauso sollte man prüfen, ob die vorgenomme­ne Zeiteintei­lung realistisc­h und haltbar war. (dpa)

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Bloß nicht verzetteln: Eine Übersicht der anstehende­n Aufgaben hilft, strukturie­rt zu arbeiten.

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