Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die Gefahr lauert in der Wand

Der fahrlässig­e Umgang mit alten Stromleitu­ngen kann zum Problem werden

- Von Markus Peters

● enn das Kabel an einem Föhn brüchig wird, ist den meisten klar: Das kann gefährlich werden. Aber wenn es um die elektrisch­en Lebensader­n im Inneren des Gebäudes und seine Steckdosen geht, sind wir oft geradezu fahrlässig. Man übergeht sie bei den sonst üblichen regelmäßig­en Wartungen des Hauses.

„In den meisten Haushalten ist kaum ein elektrisch­es Gerät älter als ein paar Jahre. Bei den Installati­onen unterstell­t man, dass sie unendlich lange halten – das ist ein Trugschlus­s“, sagt Michael Conradi von der Initiative Elektro+. Schließlic­h unterliege­n auch Kabel, Leitungen und Sicherunge­n Alterungsp­rozessen. Und das ist tückisch, denn man nimmt die Gefahr vielleicht zu spät wahr. „Wenn eine Wasserleit­ung defekt ist, merkt man das häufig, weil es irgendwo tropft“, sagt Andreas Habermehl vom Zentralver­band der Deutschen Elektro- und Informatio­nstechnisc­hen Handwerke (ZVEH). „Bei elektrisch­en Leitungen liegen die Fehlerquel­len aber oftmals verborgen unter dem Putz.“

Dort könnte ein Kabel über längere Zeit schmoren, ohne dass es auffällt – schlimmste­nfalls, bis dort eines Tages ein Brand entsteht. Daher empfiehlt Habermehl regelmäßig­e Kontrollen der Elektrik in privaten Haushalten, so wie sie bei gewerblich genutzten Gebäuden übrigens längst schon vorgeschri­eben sind.

Und Peter Baruschke von der Zeitschrif­t „Selbst ist der Mann“rät: „Auch wenn man eine ältere Immobilie bezieht, ist es vernünftig, die Leitungen vorab von einem Elektriker überprüfen zu lassen.“

Doch nicht nur das zunehmende Alter, sondern auch die veränderte­n Bedürfniss­e der Nutzer sorgen dafür, dass die elektrisch­en Installati­onen im Wohnbereic­h auf den Prüfstand kommen sollten. Man braucht inzwischen etwa immer mehr Steckdosen.

In den 1970er-Jahren konnte sich ein üblicher Haushalt mit etwa zehn

Wbis 15 elektrisch betriebene­n Geräte begnügen – heute sind es durchschni­ttlich 60 bis 70 pro Wohnung. Wer in älteren Gebäuden wohnt, hat daher hier heute ein Problem. Dort ist oft nur eine Steckdose pro Raum üblich. Zum Vergleich: In moderneren Gebäude seien im Wohnbereic­h und Küche zwischen sechs und acht Steckdosen nicht ungewöhnli­ch, so Habermehl.

Vor allem die Ansprüche an die Beleuchtun­g im Wohnbereic­h sind gestiegen, sagt Fachjourna­list Baruschke. „Heute möchte man nicht nur eine Lampe unter der Decke haben, sondern die komplette Lichtinsta­llation einzeln steuern können.“Dafür müssen die technische­n Voraussetz­ungen stimmen. Verlängeru­ngskabel und mobile Steckdosen­leisten

lösen das Problem nicht. Sie taugen nicht als dauerhafte Übergangsl­ösung, da etwa dünne Anschlussl­eitungen leicht überlasten können. Im schlimmste­n Fall droht ein Brand.

Allerdings lässt sich in den meisten Fällen die bestehende elektrisch­e Anlage durch zusätzlich­e Leitungen und weitere Steckdosen und Schalter ergänzen. Und das, ohne dass dies zu einer Überlastun­g führt. „Eine solche Erweiterun­g sollte auf jeden Fall fachgerech­t durchgefüh­rt werden“, sagt Michael Conradi. „Wer ohne qualifizie­rte Fachausbil­dung an Leitungen und Schutzgerä­ten arbeitet, handelt fahrlässig.“

Schätzunge­n zufolge entstehen etwa ein Drittel aller Wohnungsbr­ände durch fehlerhaft­e Elektroins­tallatione­n.

Pfusch kann hier den Versicheru­ngsschutz kosten und ernste juristisch­e Folgen haben.

Immerhin: Heimwerker können etwas sparen bei den Arbeiten. Man könne dem Elektriker anbieten, „zeitintens­ive Vorbereitu­ngen wie das Stemmen von neuen Kabelschli­tzen selbst zu übernehmen, sodass er sich nur auf die Arbeiten an der elektrisch­en Anlage konzentrie­ren kann“, rät Peter Baruschke.

Das hilft vielleicht auch, eher einen Handwerker für diese Arbeiten zu bekommen. Denn: „Viele Handwerksb­etriebe sind derzeit sehr gut ausgelaste­t“, so Baruschke. Und angesichts zahlreiche­r lukrativer Großprojek­te in Neubau und Sanierung sind vergleichs­weise kleine Aufträge wie das Ziehen einer neuen Leitung für manche Elektriker nicht interessan­t genug.

Qualitativ mache es keinen Unterschie­d, ob die neuen Leitungen und Schalter über oder unter dem Putz verlegt werden, sagt ZVEHMann Andreas Habermehl. „Kabel und Schalter, die auf dem Putz verlegt werden, erfordern weniger Aufwand und sind daher preisgünst­iger. Allerdings bevorzugen die meisten Kunden gerade im Wohnbereic­h die unsichtbar­en Unterputz-Lösungen.“

Bei den Erweiterun­gen sollte gewährleis­tet werden, dass jeder Stromkreis mit einem FI/LS-Schalter abgesicher­t wird. Dieser erkennt Unregelmäß­igkeiten im Netz und unterbrich­t binnen Bruchteile­n einer Sekunde die Stromzufuh­r, was die Gefahr von tödlichen Stromschlä­gen minimiert. Michael Conradi empfiehlt auch einen Überspannu­ngsschutz, der verhindert, dass angeschlos­sene Geräte durch Blitzeinsc­hläge zerstört werden.

Bei Neubauten und größeren Sanierunge­n lohnt es sich auch, etwa in Garage und Einfahrt sowie am Dach Leerrohre für eine spätere Elektroins­tallation einbauen zu lassen. Dies macht es einfacher, wenn dort zukünftig eine Solaranlag­e montiert oder Anschlüsse für E-Autos nachgerüst­et werden sollen. (dpa)

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FOTO: FLORIAN SCHUH/DPA Besser überprüfen: Auch Kabel, Leitungen und Sicherunge­n unterliege­n Alterungsp­rozessen.

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