Illegales Spiel mit den Aktienkursen
Wie sich Privatanleger vor Marktmanipulationen schützen können
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STUTTGART - Die Integrität der Finanzmärkte gilt grundsätzlich als Basis für das Vertrauen in die Börse. Zum Schutz der Finanzmärkte ist daher Marktmanipulation als eine Form des Marktmissbrauchs verboten. Fälle von Marktmanipulation aufzudecken und zu verfolgen, gehört daher zu den wichtigsten Aufgaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin).
Nach der Marktmissbrauchsverordnung der EU wird Marktmanipulation als der Versuch bezeichnet, wenn jemand gezielt falsche Angaben über für die Bewertung entscheidende Umstände macht und damit irreführende Signale an den Markt gibt. Damit soll der Börsen- oder Marktpreis der betroffenen Wertpapiere beeinflusst werden – nach oben, aber auch nach unten.
Ein typisches Beispiel sind Aktiengesellschaften, die überhöhte Umsätze oder Gewinne angeben, um die Kurse ihrer Aktien positiv zu beeinflussen. Verboten ist auch das sogenannte Scalping, bei dem Aktien gegenüber den Anlegern beworben werden, ohne auf bestehende Interessenkonflikte konkret hinzuweisen. Dies ist etwa der Fall, wenn die Aktientipps in Wahrheit nur den Tippgebern dazu dienen, die eigenen Bestände gewinnbringend zu verkaufen.
Zu den häufigsten Abzockmethoden zählt die
Bafin Empfehlungen in Börsenbriefen. „Wird eine Aktie in den höchsten Tönen gelobt und kurz bevorstehende massive Kurssteigerungen prophezeit, ist Vorsicht geboten“, warnt Jürgen
Kurz, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Der Grund ist einfach: Entweder der Verfasser hat tatsächlich Insiderkenntnisse, dann würde er sich mit der Veröffentlichung strafbar machen, oder – was Kurz für sehr viel wahrscheinlicher hält – er will den Kurs nach oben pushen, um selbst teuer verkaufen zu können.
Dasselbe gilt für Cold Calling, wenn also eine unbekannte Person am Telefon anruft und Anlagetipps geben will. Hartnäckige Telefonverkäufer preisen Aktien zum Kauf an, doch sobald der Börsenpreis aufgrund der künstlich erzeugten Nachfrage steigt, verkaufen die Manipulateure ihre Aktienpakete wieder. „Short and Distort“nennt man eine Methode, bei der ein Manipulator eine Aktie „shortet“, also leerverkauft, und anschließend negative Gerüchte verbreitet, um ihren Kurs zu drücken und so einen Gewinn zu erwirtschaften. Das Gegenteil von „Short and Distort“ist „Pump and Dump“. Hier werden ebenfalls Fehlinformationen gestreut – diesmal aber, um den Kurs einer Aktie nach oben zu treiben. Das Dumping beginnt, sobald die gewünschte Anzahl an Personen eingestiegen ist. Denjenigen, die nicht schnell genug verkaufen, drohen dann große Verluste. „Pump and Dump“ist die am häufigsten eingesetzte Manipulationsmethode, bei der eine nur außerbörslich handelbare Microcap-Aktie künstlich aufgebläht und dann verkauft wird, sodass spätere Anhänger die Zeche zahlen müssen.
Was aber ist zu tun, wenn man Opfer einer Marktmanipulation geworden ist? Neben der Aufgabe einer Strafanzeige kann man sich direkt an die Bafin wenden, die den Sachverhalt bei Anhaltspunkten für Marktmanipulation der zuständigen Staatsanwaltschaft anzeigt. Allerdings unterstützt die Aufsicht den einzelnen Anleger nicht, um seine Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Dies kann nur ein Rechtsanwalt. „Grundsätzlich sollte man immer misstrauisch werden, sobald Anlagen auf marktschreierische
Weise zum Kauf angeboten werden – egal welche Anlageform und egal von wem“, sagt Jürgen Kurz von der DSW. Das gilt auch, wenn extrem hohe Gewinne in Aussicht gestellt werden. „Zumindest kurzfristig kann hohe Gewinne nur erzielen, wer große Risiken eingeht“, so Kurz.
Und große Risiken solle man nur auf Basis eigener intensiver Recherchen eingehen und nicht aufgrund der Empfehlungen eines „Anlageexperten“, ist Kurz überzeugt. Geregelt sind die Straf- und Bußgeldvorschriften im Wertpapierhandelsgesetz. Die Bafin kann Verstöße gegen das Verbot der Marktmanipulation als Ordnungswidrigkeit ahnden. Die Höhe des Bußgelds kann gegenüber Einzelpersonen bis zu fünf Millionen Euro und bei juristischen Personen bis zu 15 Millionen Euro betragen. Vorsätzliche Manipulationen, die auf den Börsen- oder Marktpreis eingewirkt haben, sind Straftaten, die mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe geahndet werden können.