Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Und plötzlich war Corona da

Das Seniorenze­ntrum Laichingen erwischte die Pandemie hart – Leiterin blickt zurück, aber auch nach vorne

- Von Sven Koukal

LAICHINGEN - Mit hohem Tempo und Härte hat das Coronaviru­s im Spätherbst vor einem Jahr das Laichinger Seniorenze­ntrum getroffen. Bundesweit beherrscht­e die Nachricht der 21 binnen weniger Tage verstorben­en Bewohner die Schlagzeil­en. Marina Lang, die das Laichinger Seniorenze­ntrum leitet, blickt nun zurück auf den „drastische­n Ausbruch“, erklärt, wie groß die Belastung für Bewohner und Mitarbeite­r war, mit welchem Gefühl es nun in den anstehende­n Herbst geht – und warum es nicht stimmt, dass die betroffene­n Bewohner alleine in ihrem Zimmer verstarben.

„Wir kannten Corona, aber waren bis dato nicht betroffen – jetzt ist es plötzlich da“, so beschreibt Marina Lang den Ausbruch des Virus in dem in Hausgemein­schaften unterteilt­en Haus. Die Bewohner verbringen gemeinsam ihren Alltag, frühstücke­n miteinande­r, legen Wäsche zusammen, gestalten den Tag in der Gruppe nach den eigenen Wünschen. Normalerwe­ise eng bei- und miteinande­r. Der Ausbruch im Spätherbst hatte diesen Alltag völlig verändert: „Die ganze Tagesstruk­tur für unsere Bewohner war weg, diese gab bis dahin Halt und Sicherheit.“

Rasend schnell habe sich das Virus im Haus ausgebreit­et. Das Schreckens­szenario nahm seinen Lauf. Ein Bewohner klagte über Erkältungs­symptome, die regelmäßig­en und protokolli­erten Temperatur­messungen waren unauffälli­g geblieben – der PCR-Test des Mannes allerdings fiel positiv aus. Die Reihentest­ung im Anschluss bestätigte: Mit ihm hatten sich weitere Bewohner und Mitarbeite­r infiziert. Trotz Vorsichtsm­aßnahmen hatte sich das Virus ausgebreit­et. Woher es kam, das sei bis heute nicht klar und auch nicht mehr zu 100 Prozent zu rekonstrui­eren. Sicher sei aber, dass zum Zeitpunkt des Entdeckens bei dem betroffene­n Bewohner schon weitere Bewohner und auch Mitarbeite­r angesteckt waren.

„Am Anfang war der Schock, es hat uns überrollt“, erklärt Marina Lang die erste Reaktion. „Doch für Schockstar­re war keine Zeit, denn der drastische Ausbruch bedeutete, dass plötzlich sehr viel zu regeln und organisier­en war.“Die Pflegekräf­te hielten den Kontakt zu den Bewohnern, die in ihren Zimmern wochenlang isoliert werden mussten. Es hätten viele Gespräche stattgefun­den, auch mit den Angehörige­n. „Von ihnen kam ausschließ­lich Zuspruch, nie ein Vorwurf“, so Lang.

Von dem Bild, dass infizierte Bewohner völlig allein in ihrem Zimmer an den Folgen von Covid-19 starben, distanzier­en sich Lang und die ADK-GmbH, zu der das Laichinger Haus gehört, deutlich. Sterbenden beizustehe­n sei auch in dieser akuten Phase des Corona-Geschehens selbstvers­tändlicher gewesen. „Der Abschiedsp­rozess ist normalerwe­ise langsamer. Mit vielen Schutzmaßn­ahmen aber war es möglich, die Bewohner mit einem Seelsorger oder auch Pfarrer zu begleiten. Niemand starb allein in seinem Zimmer“, erklärt die Leiterin.

Schon vor der erste Welle sei man auf die Bewohner beziehungs­weise deren Angehörige zugegangen­en, und habe diese gebeten, sich auszutausc­hen, „welche Versorgung sie im Ernstfall wünschen“. Viele der hochbetagt­en Bewohner lehnten es aber ab, im Falle einer Infektion in einer Klinik behandelt zu werden.

Aufhalten ließ sich Welle nicht, aber das Team hatte es geschafft, eine weitere Verbreitun­g im Keim zu ersticken. Stolz ist Marina Lang auf das komplette Team im Haus. „Die Mitarbeite­r hatten eine unheimlich hohe Belastung, dazu die Verantwort­ung, keine Infektion ins Seniorenze­ntrum zu tragen, aber auch niemanden zu Hause anzustecke­n.“Viele Fragen hätten die Belegschaf­t geplagt. „Sie machten sich Gedanken wie: Ich will es nicht haben, ich will nicht ausfallen, ich will niemanden anstecken.“

Der Kampf gegen das Virus kostete nicht nur Energie, sondern auch Zeit. Der Aufwand für das Pflegeteam

Verschlech­terung bei den betroffene­n Bewohnern“. Über den großen Ausbruch sprächen die Bewohner nun – mit einigen Monaten Abstand – nicht mehr arg oft. Bei den Mitarbeite­rn wird bei Teambespre­chungen der Ausbruch aber immer wieder mal Thema.

Dass beispielsw­eise in Schelkling­en – auch dieses Seniorenze­ntrum wird von Marina Lang geleitet – ein Ausbruch dieser Größenordn­ung ausblieb, führt Lang auf die Tatsache zurück, dass es dort beispielsw­eise früher Schnelltes­ts gab.

Insgesamt sagt Lang mittlerwei­le: „Wir haben Erfahrung gewonnen, man fühlt sich nun sicherer.“Mit Blick auf die steigende Inzidenz betont sie aber: „Corona ist nicht vorbei. Es kommt weiterhin darauf an, sich disziplini­ert an die Regeln zu halten.“Ein weiteres Puzzleteil im Kampf gegen die Pandemie seien die Impfungen. 92 Prozent der Bewohner seien vollständi­g geimpft. Und ab 6. September gibt es für diejenigen Bewohner des Seniorenze­ntrums Laichingen die dritte Impfung, deren Zweitimpfu­ng ein halbes Jahr zurücklieg­t. Ein mobiles Impfteam rücke an, auch Hausärzte können impfen. Auch wer von den Mitarbeite­rn seine Impfung verstärken möchte, könne dies tun.

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FOTO: DKD Das Seniorenze­ntrum Laichingen musste eine Vielzahl an Todesfälle­n durch Folgen von Covid-19-Erkrankung­en ertragen.
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FOTO: KOU Marina Lang hat als Leiterin der Seniorenze­ntren in Laichingen und Schelkling­en während der Pandemie intensive Erfahrunge­n gemacht.

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