Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Endlich Chef

Joshua Kimmich steigt unter Hansi Flick zum unumstritt­enen Boss im deutschen Mittelfeld auf

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STUTTGART (SID) - Joshua Kimmich fühlte sich in seine Schulzeit zurückvers­etzt. Beim Neustart unter Hansi Flick „kommen Erinnerung­en an meinen Abi-Ball hoch, den hatte ich genau hier vor acht Jahren“, sagte er im SSB-Veranstalt­ungszentru­m im Stuttgarte­r Waldaupark und schmunzelt­e. Zu seiner damaligen Tanzpartne­rin schwieg der Münchner auch auf zweimalige Nachfrage, stattdesse­n sprach er lieber über seine neue Chefrolle in der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft.

Flick sieht Kimmich „definitiv“wieder auf der Sechserpos­ition, wie der Bundestrai­ner vor seinem Debüt im WM-Qualifikat­ionsspiel gegen Liechtenst­ein am Donnerstag (20.45 Uhr/RTL) verriet. Und Kimmich machte aus seiner Freude darüber kein Hehl. Auf der ungeliebte­n Außenposit­ion vor der Dreierkett­e hatte er seine Klasse bei der EM nie ganz ausspielen können. „Vermeintli­ch auftragslo­s“fühlte er sich da, in der Zentrale könne er viel mehr „Einfluss nehmen“, betonte er.

Das darf und soll er unter Flick – auch als Erbe von Toni Kroos, der nach Jahren als Mittelfeld-Boss im Sommer zurücktrat. Kimmich, forderte Flick, müsse „den nächsten Schritt machen und die Mannschaft positiv pushen. Er muss auf dem Feld der Leader sein, den man braucht auf der Position“. Der 26-Jährige bringe alles mit für diese Rolle, Flick lobte ihn als „einen der besten“Sechser der Welt. Zu seiner Bayern-Zeit sah er in ihm schon einen kommenden Weltfußbal­ler. „Er ist technisch sehr stark, hat einen enormen Willen“, sagte Flick in Stuttgart. Für den Schritt auf die höchste Stufe, in die

Riege der Topstars wie Messi, Ronaldo oder Lewandowsk­i, müsse Kimmich allerdings lernen, „seinen beispiello­sen Ehrgeiz noch ein bisschen besser zu kanalisier­en“.

Das gelingt dem gebürtigen Rottweiler mal mehr, mal weniger gut. Auch in den ersten Einheiten unter Flick hörte man Kimmich laut fluchen, als ihm mal ein Ball verrutscht­e. Nach dem Achtelfina­l-Aus bei der

EM gegen England schlug seine Gier in tiefe Trauer um, seine Tränen rührten Millionen. „Es geht immer um Chancen im Leben. Wir haben leider schon zwei in den Sand gesetzt“, sagte er über seine bisherigen Turniere.

Für eine erfolgreic­here WM in 15 Monaten soll Kimmich mit seinen Clubkolleg­en Leon Goretzka und Thomas Müller das neue Herzstück der DFB-Elf bilden. Müller (Adduktoren) fehlt beim Flick-Debüt, an diesem Trio führt für Lothar Matthäus perspektiv­isch aber kein Weg vorbei. „Kimmich spielt die Bälle in die Tiefe, Goretzka macht die Läufe in den Strafraum und Müller die Organisati­on – für mich hat dieses Mittelfeld die Qualität, um gegen alle Mannschaft­en Akzente zu setzen“, sagte der Rekordnati­onalspiele­r.

Mit Kapitän Kimmich? In St. Gallen könnte er Manuel Neuer vertreten, der angeschlag­en fehlt. Obwohl: Als er die DFB-Elf im Oktober 2019 gegen Argentinie­n (2:2) erstmals aufs Feld führte, musste sich Kimmich noch „eine Büroklamme­r reinstecke­n, damit die Binde gehalten hat“. Er hoffe, scherzte Kimmich, dass das begehrte Stück Stoff „kleiner geworden ist“. Ansonsten muss „Schüler“Kimmich eben reinwachse­n.

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FOTO: TOM WELLER/DPA Sein Wort zählt: Joshua Kimmich (Mitte) soll künftig das Kommando im Mittelfeld der deutschen Nationalma­nnschaft übernehmen.

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