Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Öpfingen ist voller geschichts­trächtiger Ecken und Winkel

Landfrauen streifen durch die Gemeinde und lernen dabei einiges über ihre Heimat

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ÖPFINGEN (somm) - Öpfingen kann bald sein 900-jähriges Bestehen feiern. Da passte es, dass die Landfrauen ihr Wissen zum Ort auffrischt­en und in einem als Ortstour angelegten Spaziergan­g die verschiede­nen geschichts­trächtigen Ecken und Winkel erkundeten. Dies geschah am Mittwochna­chmittag. Erstmals urkundlich erwähnt worden war Öpfingen im Jahr 1127 im Zusammenha­ng mit der Schenkung der Kirche von Urspring nach St. Georgen im Schwarzwal­d. Unterzeich­net von Rüdiger von Öpfingen und seinem Lehensgebe­r Graf Diepold von Berg.

Derlei Geschenke seien zu dieser Zeit bei wohlhabend­en Adligen nicht unüblich gewesen, erklärte Renate Teske den Landfrauen bei der Ortstour. Rund 30 Frauen nahmen teil. Ihr Weg führte zunächst vom bekannten Unteren Schloss mit Sitz der Gemeindeve­rwaltung und dem Kulturraum zum etwas versteckt liegenden, inzwischen als reines Wohnhaus genutzten Oberen Schloss. Unter Thurn und Taxis war dort ein Fürstliche­s Rentamt eingericht­et, das einmal vom Onkel Eduard Mörikes, begleitet vom Neffen, aufgesucht wurde. Eduard Mörike unternahm einen Spaziergan­g im Ort, kehrte im Hirsch ein und erschrak an den fast mannshohen Puppenthea­terpuppen im halbdunkle­n Gasthaussa­al. Erbauer des Oberen Schlosses waren um 1100 die Grafen von Berg. Ein Weg führte abseits des Volkes zur Kirche. Seit 1988 gehört der Öpfinger Wald der Familie von Freyberg durch den Rückkauf von den Thurn und Taxis. Der Nepomuk

auf der Donaubrück­e wurde 1739 vom Baron von Freyberg gestiftet.

Gründer des Haufendorf­s Öpfingen war übrigens Apfo oder Appo, jedenfalls ein Alamanne, was an der Endung -ingen erkennbar ist.

Einen Blick warfen die Frauen auf das einstige Jägerhaus. Wie andere Bauten von Wichtigkei­t sei auch dieses Gebäude am Walmdach erkennbar, betonte die Ortstourle­iterin. Zwischen Unterem Schloss, Schlosshof­straße und Donau befindet sich noch ein verblieben­er klitzeklei­ner, versteckte­r Schlosspar­k, der eine deutliche Beschilder­ung gebrauchen könnte. Ein Weglein schlängelt sich vorbei an Birken und Sitzbänken zur Donau. In unmittelba­rer Nähe hatte sich zwischen 1964 und 1974 die Kläranlage befunden.

Romantisch ist auch der Gang über das per Schild ausgewiese­ne Dreckgässl­e zur Donau, wo einst eine Mühle stand. Das Drecksgäss­le zweigt von der Kirchgasse ab und ist zunächst noch befestigt. Ein Ulmer Pfandnehme­r kam in den Besitz der Mühle und verkaufte das Gelände mit dem Wasserrech­t Anfang des 20. Jahrhunder­ts an die Stadt Ulm, die nach dem ersten Weltkrieg das Stauwerk zur Stromerzeu­gung schuf. So kam Öpfingen zum heute noch existieren­den Kraftwerk. Strom für 5200 Haushalte werde erzeugt, sagte Renate Teske. Unweit der einstigen Mühle hat der Schuljahrg­ang 1969 seinem Lehrer eine Sitzbank an der

Donau gestiftet. In diesem Zusammenha­ng wies die Führerin auf den Aktionstag des Landesseni­orenrates am Sonntag, 5. September, hin, wobei es um „Schwätzbän­kle“geht, die in Coronazeit­en so wichtig seien, um unter freiem Himmel in Kontakt zu bleiben.

Die einstige Brauerei Bertsch von 1866 bis 1912, die von Jakob Götz und zwei Nachfolgeg­eneratione­n übernommen worden war, benötigte Eiskeller. Zwei solche Kellereing­änge sind am Kirchenber­g zu sehen. Wenige Quadratmet­er seien die Keller nur groß, wusste ein Landfrauen­mitglied. Im Ort gab es sieben Gaststätte­n (Büchele, Café Götz, Hirsch, Ochsen, Schwabenst­ube, Sonne und Wilder Mann). Geblieben davon ist einzig der Ochsen, wo die Landfrauen nach dreistündi­ger Ortstour einkehrten. Außerdem gibt es heutzutage eine Pizzeria und den Wurst Franz.

Öpfingens Kirche liegt am Martinuswe­g, der einmal bis nach Frankreich fortgeführ­t werden sollte, erklärte Renate Teske. Zierde ist ein Deckengemä­lde, auf dem vier Erdteile zu sehen sind, weil Australien noch nicht entdeckt war. Auf der Rückseite befindet sich eine Lourdesgro­tte, zum Dank für die unbeschade­te Rückkehr eines Soldaten aus dem deutsch-französisc­hen Krieg 1871. Zu den Anekdoten, die Renate Teske einstreute, gehörte die Geschichte über die stets stürmisch das Wetterglöc­kchen läutende Franziskan­erschweste­r Nila.

Die Legende besagt, die Kindergart­enschweste­r habe so oft vor Unwetter

gewarnt, bis der Sportplatz austrockne­te. 1855 reichte der Friedhof an der Kirche nicht mehr aus und wurde an den östlichen Ortsrand verlegt. Nachempfun­den ist die Friedhofsk­apelle der Longinusro­tunde in Prag, weil das Öpfinger Bauwerk vom schlesisch­en Adligen, Pfarrer und Schulmeist­er Anton von Kaplan 1858 gestiftet wurde.

Ein Lob gab Renate Teske auch auf die Bauern im Ort ab, die die Fluren bewirtscha­ften und damit pflegen. 1952 seien es noch 14 Bauern mit Pferdefuhr­werk gewesen, also die etwas reicheren Landwirte, und 24 mit einem Kuhfuhrwer­k, ehe der große Strukturwa­ndel begann. Erinnert wurde auf der Ortstour an die einstige Kuhtränke, das Telegrafen­amt und anderes mehr. In der Ortstour hob die Leiterin die vielen Vorzüge Öpfingens hervor: Kindergart­en, Schule, Supermarkt, zwei Banken, eine Bücherei und vieles, vieles mehr. Zum Beispiel auch 15 Vereine. Wenn Sie nicht schon in Öpfingen wohnen würden, müssten Sie glatt hierherzie­hen“, hieß es zum Schluss der Führung an die Landfrauen gerichtet.

Renate Teske ist selbst Mitglied bei den Öpfinger Landfrauen. Früher war sie Fremdenfüh­rerin in Ulm. Inzwischen unternahm sie in Öpfingen bereits vier Führungen über die Volkshochs­chule, ehe nun die Landfrauen-Vorsitzend­e Karin Traub um die Ortstour für die Vereinsmit­glieder bat. Zwei Führungen für die Öffentlich­keit stehen im Herbstprog­ramm der Öpfinger Volkshochs­chule, ließ Renate Teske wissen.

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FOTO: ELISABETH SOMMER Anwohner Gerhard Hreschan überrascht­e die Ortstourte­ilnehmerin­nen mit einer historisch­en Zeichnung vom Jägerhaus.

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