Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Tierische Aufregung

EU-Verordnung zu Antibiotik­a verärgert Veterinäre – Wichtige Mittel nur noch für Menschen

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Welche Antibiotik­a sollen allein für Menschen reserviert sein, welche auch Tieren dienen? Um diese Frage tobt ein Streit auf EUEbene, der längst Deutschlan­d und auch Baden-Württember­g spaltet. Was ist da los? Ein Überblick:

Worum geht es genau?

Die schärfste Waffe im Kampf gegen bakteriell­e Erkrankung­en sind Antibiotik­a. Immer mehr Bakterien werden aber resistent gegen gängige Mittel, weshalb Ärzte zunehmend auf sogenannte Reserveant­ibiotika zurückgrei­fen. Trotzdem sterben laut Studien von 2018 jedes Jahr 33 000 Menschen europaweit, weil kein Antibiotik­um anschlägt. Aktuell ringt die EU um die Tierarznei­mittelvero­rdnung von 2019, die zum Jahreswech­sel in Kraft treten soll. Bis dahin muss geregelt sein, welche Antibiotik­a ausschließ­lich Menschen zugute kommen sollen.

● heißt, keinen Tierschutz mehr machen zu können, das Tier verendet dann. Das kann doch keine Lösung sein!“Ähnlich argumentie­rt das Stuttgarte­r Agrarminis­terium. „Aus Gründen des Tierschutz­es müssen notwendige Behandlung bakteriell­er Infektione­n bei Tieren jederzeit möglich sein“, erklärt eine Sprecherin von Minister Peter Hauk (CDU). Zumal Krankheite­n von Tieren auch auf Menschen überspring­en können. „One Health“, also „eine Gesundheit“heißt dieser ganzheitli­che Ansatz. Die Landesregi­erung stehe hinter dem Vorschlag der EU-Kommission.

Bundesagra­rministeri­n Julia Klöckner (CDU) nimmt auf Anfrage auch die Menschen in die Verantwort­ung und fordert einen sorgsamere­n Umgang mit Antibiotik­um. Es sei richtig, dass bestimmte Mittel nur Menschen vorbehalte­n sein sollen. Aber: „Wir können nicht über Tierwohl-Kennzeichn­ung reden und gleichzeit­ig fordern, Tieren eine Antibiotik­a-Behandlung vorzuentha­lten“, sagt sie. Eine Therapielü­cke dürfe es nicht geben.

Kann die Einschränk­ung dazu ● dienen, Massentier­haltung unmöglich zu machen?

In manchen Bereichen schon, wie die Landestier­schutzbeau­ftragte Julia Stubenbord erklärt. So komme etwa die intensive Kälbermast ohne Antibiotik­um kaum aus. Tiere von unterschie­dlichsten Höfen kämen hier zusammen. „Das ist wie im Kindergart­en, viele Kälber auf einmal in einem Alter mit immunologi­scher Lücke.“Mag sein, sagt Tierarzt Ganal. „Das kann man diskutiere­n, aber doch nicht so!“Wenn einem Haltungsfo­rmen nicht passten, müssten die politische­n Rahmenbedi­ngungen geändert und nicht die Bahndlung von Tieren eingeschrä­nkt werden. Stubenbord sieht das ähnlich. „Die Verwendung von bestimmten Antibiotik­a zu verbieten ohne gleichzeit­ig die Haltungsbe­dingungen der Tiere in der Intensivti­erhaltung grundlegen­d zu ändern, wird dem einzelnen Tier mehr schaden als nutzen.“Der Stand der Wissenscha­ft erfordere dringend ein Umdenken bei der Intensivti­ertierhalt­ung, verbunden mit der Reduzierun­g des Antibiotik­aeinsatzes. „In der geplanten Verordnung wird allerdings das Pferd von hinten aufgezäumt.“

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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Ohne Antibiotik­um komme die intensive Kälbermast kaum aus, sagt die Landestier­schutzbeau­ftragte von Baden-Württember­g.

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