Im Dienst der Nato und der EU
Zwei internationale Hauptquartiere unter einem Dach in Ulm – Militärs melden volle Einsatzbereitschaft
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ULM - Soldaten aus 27 Nationen in einer Kaserne, zwei internationale militärische Hauptquartiere, je eines für die Europäische Union und die Nato: Ulm hat sich zu einem besonders wichtigen Standort der Bundeswehr entwickelt. Am Mittwoch meldet das Kommando volle Einsatzbereitschaft, dazu wird der Oberste Alliierte Befehlshaber der Nato in Europa (SACEUR), General Tod D. Wolters,erwartet. Der militärische Blick des Kommandos richtet sich vor allem nach Osten.
„Der Standort Ulm hat sich in den vergangenen drei Jahren zu einer in der Bundeswehr einzigartigen Schnittstelle entwickelt, die einerseits für die Einbindung der Bundeswehr in die Strukturen der EU und der Nato steht, andererseits auch den Charakter Ulms als internationale Stadt betont“, erklärt Generalleutnant Jürgen Knappe, der beide Kommandos führt. „Wir haben einerseits seit 2018 ein komplett neues Kommando aufgebaut, das Joint Support and Enabling Command (JSEC), das für Verlegungen von Truppen wie auch Logistik zuständig ist, aber auch die Verantwortung für Ausbildung, Führung, Übung und Schutz der Truppen übernehmen kann, und das der Nato als neues operatives Führungshauptquartier dient“, beschreibt der Offizier, „auf der anderen Seite haben wir das Multinationale Kommando operative Führung umstrukturiert, das im Bedarfsfall innerhalb kürzester Zeit militärische Operationen im Auftrag der Europäischen Union führen kann.“
Rückblick: Anfang Juni 2018 beschließen die Nato-Verteidigungsminister die Einrichtung eines Kommandos für Truppen- und Materialtransporte. Das Bündnis will die Kommando- und Streitkräftestruktur verbessern. Die Allianz reagiert damit auf die als aggressiv wahrgenommene Politik Russlands, darunter die Unterstützung pro-russischer Separatisten in der Ukraine und die Annexion der laut Völkerrecht zur Ukraine gehörenden Schwarzmeerhalbinsel Krim. Das Magazin „Der Spiegel“hatte 2017 einen Nato-General zitiert, der sagte, nach dem Kalten Krieg habe man „das Bewegen von Truppen schlicht verlernt“. Das JSEC soll das ändern. Die Bundesregierung
schlägt vor, das JSEC in Ulm zu stationieren, die Nato-Verteidigungsminister stimmen zu. Dem JSEC sollen künftig 400 Offiziere und Soldaten angehören, im Krisenfall bis zu 600 – dann jeweils zur Hälfte Personal aus Deutschland und den anderen Nato-Staaten insgesamt. Das JSEC soll mit einem ebenfalls im Aufbau befindlichen NatoKommando in Norfolk (US-Bundesstaat Virginia) kooperieren. Dabei werde Norfolk für rasche Truppenund Materialverlegungen über den Atlantik zuständig sein, Ulm für die gleiche Aufgabe in Europa.
Mit seiner Teilnahme an der größten Nato-Übung in diesem Jahr, Steadfast Defender 2021, stellt das
JSEC seine Fähigkeiten unter Beweis, seit Juli 2021 ist es eins der internationalen militärischen Nato-Hauptquartiere. „Damit haben wir alle Voraussetzungen für das Kommando als internationales Hauptquartier geschaffen, dies ist auf operativer Ebene einmalig in Deutschland“, so Knappe. Vom alten „Ulmer Kommando“mit 180 Soldaten wechselten 100 Militärs ins neue Kommando. Phasenweise gab es Unsicherheit, zwischenzeitlich stand die Auflösung des Ulmer Kommandos im Raum – doch dazu kam es nicht.
Bisher war das Ulmer Kommando noch nicht im Einsatz, es gelte aber, sich im Sinne des Aufbaus der Einsatzbereitschaft für die EU stetig darauf vorzubereiten, sagt Knappe. Denn die EU hat seit 2003 über 30 Missionen im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) entsandt. Derzeit sind zehn zivile und sechs militärische Missionen oder Operationen in Europa, Afrika und im Nahen Osten im Einsatz. Am bekanntesten sind die Ausbildungsmissionen in Mali (EUTM Mali) oder der EUNAVFOR MED, der Auftrag zur Bekämpfung des Menschenschmuggels- und der Menschenhandelsnetze und der Bekämpfung von Schleusern und deren Infrastruktur im südlichen zentralen Mittelmeer. Ob und wie das Ulmer Kommando eingesetzt werden könnte, ist für die Brüsseler Fachleute entscheidend: Im November findet erstmalig in Ulm unter Führung des EU-Militärstabes die jährliche Konferenz der militärstrategischen Hauptquartiere der EU statt.