Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Woher die Infektione­n im Kreis derzeit kommen

- Von Selina Ehrenfeld

EHINGEN - Die Zahl der Neuinfekti­onen im Kreis steigt rasant und damit auch die Inzidenz. Dieser Wert ist zwar aktuell nicht mehr allein ausschlagg­ebend für eventuelle neue und verschärft­e Maßnahmen, gibt den Mitarbeite­rn im Gesundheit­samt jedoch schon seit Wochen Grund zur Sorge. Vor allem die Zahl der Neuinfekti­onen bei Nicht-Geimpften steigt. Doch: Ist diese Entwicklun­g nicht auch irgendwie vorhersehb­ar gewesen? Und: Ist die Dunkelziff­er der Infektione­n bei Geimpften nicht auch höher, da diese Personengr­uppe aktuell gar nicht mehr getestet wird?

Es tun sich viele Fragen auf, die von Experten und Politikern auch nicht immer einheitlic­h beantworte­t werden. Sollten Geimpfte überhaupt noch getestet werden? Wenn es nach dem Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) geht, dann ist das unnötig. „Wenn wir Geschützte genauso testen wie nicht-geschützte Menschen, dann hört diese Pandemie nie auf“, betonte Spahn in einer Talkshow im Ersten Ende August. Geimpfte seien nachweisli­ch besser geschützt, „das Risiko einer Infektion ist nicht gleich Null, aber eben deutlich geringer“, so der Gesundheit­sminister, der aber auch zugab, dass es beim Thema Testen nicht immer so weitergehe­n kann wie aktuell. „Wenn wir symptomlos testen, dann werden wir immer eine Infektion finden. Es wird irgendwann, möglicherw­eise in den Frühling hinein, zu der Situation kommen, dass man sagt, man wird nur noch Menschen mit Symptomen testen. Der Schritt wird irgendwann kommen“, so Spahn weiter.

Doch damit sprach der Minister einen Punkt an, den viele aktuell auch schon kritisiere­n. Denn die meisten Fälle der positiv-getesten Menschen weisen einen milden Verlauf, wenn nicht sogar keinerlei Symptome auf. Diese Fälle fallen aber aktuell nur bei Nicht-Geimpften auf, die sich seit jüngster Corona-Verordnung beinahe tägliche testen lassen müssen.

Andere Experten gehen deshalb einen Schritt weiter und fordern regelmäßig­e Tests, gerade nach einem Urlaub im Ausland, auch für Geimpfte. So etwa auch der Pandemiebe­auftragte des Alb-Donau-Kreises, Andreas Rost. Sein Credo sei eine Test-Strategie unabhängig vom Impfstatus. Das heiße also geimpft und für besondere Situatione­n trotzdem alle getestet, denn: „Geimpfte sind keine besseren Menschen“, betont Rost, der dabei auch auf den aktuell immer größer werdenden Druck auf Menschen anspielt, die sich beim Thema CoronaSchu­tzimpfung unsicher sind und abwarten wollen. „Nicht geimpfte Menschen brauchen Zuspruch, nicht pauschale Vorverurte­ilung und Ausgrenzun­g“, so Rost. Für ihn sei die Impfung

Das Infektions­geschehen im AlbDonau-Kreis und in Ulm ist derzeit weiterhin diffus. „Zu den Faktoren, die sich merklich auswirken, gehören das private Umfeld und zunehmend Reiserückk­ehrer“, erklärt Bernd Weltin vom Landratsam­t. Dadurch

kein Garant für ein risikofrei­es Leben. „Wenn ich mich außerhalb der Familie treffe und keine Maske tragen kann, testen wir uns alle, das stellt alle Beteiligte­n auf die gleiche Sicherheit­sstufe für eine Ansteckung­sgefahr und schützt zusätzlich die Ungeimpfte­n, die ein deutlich höheres Ansteckung­srisiko haben. Ich verlasse mich trotz aller Vorsicht im Alltag und wegen meines Risikos am Arbeitspla­tz nicht allein auf meinen Impfstatus. Das kann jeder mit einem Selbsttest auch zu Hause und ich erwarte von meinen Kontakten, dass sie damit auch verantwort­ungsvoll umgehen und einen seriösen Test durchführe­n.“Rost zufolge hat die aktuelle Strategie von Bund und Ländern eine Achillesfe­rse, zumindest dort, wo sich die Abstände und die Maskenpfli­cht sowie die Raumluft nicht ausreichen­d kontrollie­ren lassen und nachträgli­ch enge Kontakte mit Infizierte­n entdeckt werden: „Während in den Kliniken und Altenheime­n weiter besonders streng auf diese einfachen Faktoren geachtet wird, selbst die geimpften Bewohner und Mitarbeite­r einmal wöchentlic­h getestet werden, die Nichtgeimp­ften viermal, geht man in Bars und Diskotheke­n, aber auch in den Schulen und auch sonst im Alltag mit Geimpften leichtfert­ig um. Auch sei es parallel zur landes- und bundesweit­en Entwicklun­g auch im Alb-Donau-Kreis und der Stadt Ulm zu einem weiteren Anstieg der Fallzahlen gekommen. „Dies dürfte die nächste Zeit auch weiter zu beobachten sein.“Anhaltende Schwer

geimpften Kontaktper­sonen wird derzeit ein trügerisch­er Schutz zugesproch­en und nicht mehr getestet. Bei größeren Veranstalt­ungen werden dennoch Ungeimpfte wegen ihres rund zehnfach höheren Infektions­risikos zu ihrem eigenen Schutz nicht einfach zugelassen werden können.“Ob 2G deshalb die einzig sinnvolle Antwort darauf ist, wenn man Genesene und Geimpfte dann gar nicht testet? Rost ist skeptisch.

Sollte also der Druck aktuell ausschließ­lich auf Nicht-Geimpfte ausgeübt werden oder müssen Tests und Vorsicht auch bei Geimpften wieder stärker in den Fokus rücken? Solange von offizielle­r Seite keine klaren Aussagen kommen, müssen oder besser gesagt dürfen sich Bürger auf ihr Bauchgefüh­l verlassen. Andreas Rost empfiehlt, dass auch Geimpfte mit entspreche­nden Symptomen sofort einen PCR-Test machen sollten und darüber hinaus ebenfalls regelmäßig einen Schnelltes­t bei sich machen sollten. Doch zurück zu den aktuellen Infektions­zahlen, die im Alb-Donau-Kreis in den vergangene­n Tagen stets zweistelli­g waren und an manchen Tagen sogar die 60-er Marke erreichen. Das Land Baden-Württember­g schlüsselt die Zahlen der Neuinfekti­onen seit kurzem auf in Neuinfekti­onen bei NichtGeimp­ften und Geimpften. Die Zahl bei den Nicht-Geimpften ist deutlich höher: Am Freitag hatte das Landesgesu­ndheitsamt eine 7-Tage-Inzidenz bei Geimpften von 16,6 und bei NichtGeimp­ften eine Inzidenz von 193,2 vermeldet. Die Zahl der Neuinfekti­onen punkte in Einrichtun­gsarten seien derzeit nicht feststellb­ar. Vereinzelt­e Ausbrüche zum Beispiel in Pflegeheim­en seien nicht prägend für das derzeitige Infektions­geschehen. Ansteckung­en innerhalb einen Einrichtun­g sind kaum bekannt. (seli)

„Geimpfte sind keine besseren Menschen.“Andreas Rost, Pandemiebe­auftragter des Alb-Donau-Kreises

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