Zurück zur Sirene
Baden-Württemberg will die Gefahrenwarnung verbessern – Und setzt dabei auch auf ein Instrument, das vielerorts bereits abgeschafft wurde
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STUTTGART - Wenn es brennt, wenn ein Hochwasser droht oder eine Bombe gefunden wurde, muss es schnell gehen. In kürzester Zeit müssen dann oft Tausende Menschen vor der drohenden Gefahr gewarnt werden. Ein bundesweiter Warntag im vergangenen Jahr brachte gravierende Mängel in der Katastrophenwarnung zutage. Baden-Württemberg will sich für diese Fälle nun besser rüsten. Innenminister Thomas Strobl (CDU) schlägt deshalb ein Maßnahmenpaket vor. Unter anderem soll mithilfe von Bundesmitteln ein flächendeckendes Sirenennetz vorangetrieben werden. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Warum sind Verbesserungen bei ● der Warnung vor Gefahrenlagen nötig?
Im September des vergangenen Jahres hatte es bei einem bundesweiten Warntag erhebliche technische Pannen gegeben. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) berief daraufhin den CDU-Politiker Armin Schuster zum neuen Präsidenten des Bundesamts und ordnete eine Neuausrichtung an. Die jüngste Hochwasserkatastrophe im Westen Deutschlands verschärfte den Handlungsbedarf noch einmal. „Die Unwetterlage vom 14. auf den 15. Juli 2021 in Teilen von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hat uns deutlich vor Augen geführt, wie wichtig eine schnelle und umfassende Warnung der Menschen ist“, sagte Strobl am Dienstag in Stuttgart. „Für uns waren die schrecklichen Ereignisse Anlass, unser Warnkonzept auf den Prüfstand zu stellen. Das Ergebnis: Insgesamt sind wir in BadenWürttemberg bei der Warnung gut aufgestellt. Aber nichts ist so gut, dass man es nicht besser machen könnte.“
Außerdem werden die Herausforderungen größer – vor allem wegen des Klimawandels. „Neben einer jetzt schon feststellbaren Erhöhung der Wahrscheinlichkeit von Extremwetterereignissen werden wir uns auch mit neuen, uns bisher wenig oder nicht bekannten Einsatzszenarien konfrontiert sehen. Das gesamte Risiko- und Krisenmanagement muss hierauf vorbereitet und gestärkt werden“, sagt Strobl.
Wie funktioniert die Gefahrenwarnung ● im Südwesten momentan?
Das Land setzt auf einen Warnmix. „Wir müssen die Menschen in unterschiedlichsten Lebenssituationen, am Arbeitsplatz, zu Hause, bei ihrer Freizeitaktivität oder während Autound Bahnfahrten mit Warnmeldungen erreichen. Deshalb kommen bei uns auch verschiedene Warnmittel zum Einsatz – Radio, Fernsehen, Warn-Apps wie zum Beispiel NINA, Onlineplattformen der Zeitungen, Lautsprecherdurchsagen oder auch
Sirenen“, erklärte Innenminister Strobl. In Baden-Württemberg können die für die Gefahrenabwehr zuständigen Behörden deshalb das Modulare Warnsystem MoWaS zur Warnung der Bevölkerung einsetzen. Warnmeldungen können damit auf vielen Wegen verbreitet werden, um einen möglichst großen Teil der Bevölkerung zu erreichen. Derzeit sind an MoWaS die Warn-Apps NINA, KATWARN und BIWAPP, einige regionale Warn-Apps, Rundfunkund Fernsehanstalten, Zeitungsredaktionen und Onlinedienste, digitale Stadtinformationstafeln und einige Verkehrsunternehmen angeschlossen. Alle angeschlossenen Warnmittel können zeitgleich und mit einer Eingabe ausgelöst werden. Dieses System hat sich laut Innenministerium bewährt. Waren es 2017 noch 36 Warnmeldungen, hat sich deren Zahl im Jahr 2020 auf 189 gesteigert. Im Jahr 2021 gab es bis einschließlich 10. September bereits 153 Warnmeldungen.
Welche Verbesserungen soll es ● geben?
Elf Millionen Euro aus einem Förderprogramm des Bundes sollen nach Baden-Württemberg fließen, damit die Kommunen neue Sirenen aufbauen und vorhandene an das Modulare Warnsystem anschließen können. Das Innenministerium prüft außerdem die Einführung eines 24/7-Monitoringsystems. Kern des Monitorings ist die Vernetzung unterschiedlicher Datenbestände. Das heißt: Informationen über die erwartete Niederschlagsmenge werden kombiniert mit den Daten zum bislang erfolgten Niederschlag und der Feuchtigkeit der Böden. „Der Regen allein muss ja nicht gefährlich sein. Es kommt darauf an, wo er niedergeht und wie feucht es unten schon ist“, erklärte Strobl. „Unser Ziel muss sein, dass ein solches Monitoring künftig mit neuester Technologie, idealerweise KI-basiert, erfolgt. Denn dann bekommen wir in Sekundenschnelle riesige Datenmengen automatisiert vernetzt und ausgewertet, um die Menschen zu warnen.“
Baden-Württemberg unterstützt außerdem die Einführung der CellBroadcast-Warnung durch den Bund. Über Cell Broadcast können Nachrichten an alle Nutzer versandt werden, die gerade in einem bestimmten Abschnitt des Mobilfunknetzes eingebucht sind.
Übungen sollen zudem laut Innenministerium die Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung steigern und die Menschen im Land für Warnungen sensibilisieren. „Wenn die Sirene aufheult und keiner weiß, was das bedeutet, ist auch nicht viel gewonnen“, sagte Strobl dazu. Der Umgang mit Gefahrenwarnungen soll deshalb nach Wunsch der Landesregierung auch verbindliches Thema an Schulen werden. „Es ist entscheidend, dass in den Schulen Kenntnisse vermittelt werden und Übungen stattfinden“, bestätigte Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne).
Warum wurden in der Vergangenheit ● Sirenen abgebaut?
Früher gab es in Deutschland ein flächendeckendes Sirenennetz. Nach dem Ende des Kalten Krieges gab der Bund das Netz jedoch auf und bot die Sirenen den Kommunen zur Übernahme an. Im Laufe der Zeit bauten viele Kommunen die Anlagen ab – offenbar aus Kostengründen. „Ich habe nicht verstanden, warum die abgebaut wurden“, sagte Strobl jedoch. Unklar ist auch, wie viele Sirenen landesweit noch funktionstüchtig sind. „Das ist eine kommunale Angelegenheit. Es gibt Gemeinden, die haben sie komplett abgeschafft. Es gibt Kommunen, die haben noch Sirenen“, sagte Strobl. „Wie viele das im Einzelnen sind, darüber habe ich keinen Überblick und ich glaube, es gibt auch keinen Überblick.“
Dass die Fördermittel des Bundes ausreichen, um die benötigten Sirenen wieder aufzubauen, glaubt der Innenminister jedoch nicht. „Meine Vermutung ist, dass wir mit den elf Millionen nicht ganz hinkommen werden. Dann müssen wir uns darüber unterhalten, ob der Bund das aufstockt, oder ob wir seitens des Landes noch etwas tun.“Derzeit erarbeitet das Innenministerium die Förderrichtlinie.