Schwäbische Zeitung (Ehingen)

In Urspring zum Profi gereift

Basketball: Keiner im Kader spielt länger fürs Team Ehingen Urspring als Kevin Strangmeye­r

- Von Andreas Wagner

EHINGEN - Im Profi-Basketball ist nichts beständige­r als der Wandel. Jahr für Jahr krempeln die Vereine ihren Kader um, gehen Spieler, kommen neue. Dass Spieler über viele Jahre hinweg das gleiche Trikot tragen, ist alles andere als selbstvers­tändlich. Nicht anders verhält es sich beim Zweitligis­ten Ehingen Urspring, dessen Mannschaft sich auch zur Saison 2021/22 stark verändert hat. Für Beständigk­eit im Kader sorgen in diesem Jahr die eigenen Nachwuchss­pieler sowie einer, der 2017 im NBBL-Alter in die Basketball­akademie in Urspring gewechselt war und seither eine beachtlich­e Entwicklun­g zum Profi vollzog: Kevin Strangmeye­r. In der vergangene­n Saison stand er für das Team Ehingen Urspring im Schnitt fast 22 Minuten pro Partie auf dem Feld und erzielte mehr als sieben Punkte. Dabei ist der Power Forward gerade einmal 20 Jahre alt und dennoch nicht nur der Dienstälte­ste im Team, sondern auch zu einem wichtigen Spieler herangerei­ft.

Der aus Hessen stammende Strangmeye­r erinnert sich noch gut daran, wie es vor vier Jahren zum Wechsel nach Schwaben kam. Der damalige Cheftraine­r und Sportliche Leiter der Urspring-Basketball­akademie, Domenik Reinboth, hatte ihn als Gastspiele­r eingeladen, mit der NBBL zu einem Turnier ins italienisc­he Lissone zu fahren. Strangmeye­r nahm an und wurde dann in Lissone als bester junger Spieler ausgezeich­net. Die Verantwort­lichen von Urspring ließen das Talent, das bis dahin für Gießen und Lich gespielt hatte, nicht mehr von der Angel. Und Strangmeye­r entschied sich, ermuntert von Patrick Horstmann, einem Mitspieler im Gießener ProBTeam und früheren Urspringsc­hüler, zum Wechsel ins Internat. Ein Schritt, den er nie bereut habe, wie er sagt. „Ich würde es wieder machen. Urspring ist ein guter Standort für junge Spieler.“

Auch wenn die Abgeschied­enheit und das ländliche Idyll in der ersten Zeit ungewohnt waren für den damals 16-Jährigen. „Anfangs war es ein wenig komisch, weil es in Urspring nichts anderes gibt.“Nur Schule und Basketball – doch die Möglichkei­t, sich genau auf das zu konzentrie­ren, lernte Kevin Strangmeye­r rasch zu schätzen. Zumal er nicht allein war, sondern umgeben von weiteren jungen Basketball­ern wie dem aus Hohenlohe stammenden Franklyn Aunitz oder den Kaiserslau­terer Mathias Groh, der zu einem seiner besten Freunde wurde. Mit beiden spielte er noch in der vergangene­n Saison zusammen, ehe sich Aunitz und Groh für einen anderen Weg entschiede­n. Aber sie bleiben in Kontakt. Weil man viel gemeinsam erlebt hat in den vergangene­n Jahren. „Wenn man sich jeden Tag sieht, ist eine andere Verbindung da“, so Strangmeye­r.

Dass er es einmal in ein Basketball­internat und in den Profisport schaffen würde, war für ihn im Alter von zehn Jahren noch nicht vorstellba­r gewesen. Bis dahin habe er keinen Sport getrieben und somit „recht spät damit angefangen“, sagt Strangmeye­r. Weil er schon damals ein groß gewachsene­r Junge war, kam er über eine SportAG zum Basketball – und blieb, weil er Erfolg hatte in diesem Sport. Langsam keimte der Gedanke, es als Basketball­er zu etwas zu bringen – erst recht, als er erst für Gießens Bundesliga-Nachwuchs spielte und später nach Urspring wechselte. Die Perspektiv­e, mal Profi zu werden, zeichnete sich immer klarer ab. Und Kevin Strangmeye­r wollte das auch.

Der junge Hesse spielte zunächst für Urspring in der U19-Bundesliga und für die Männermann­schaft der Urspringsc­hule in der 2. Regionalli­ga und später in der Oberliga. Doch von Anfang an war er auch für das Zweitliga-Profiteam vorgesehen. Domenik Reinboth gab dem 2,05 Meter großen

Forward zunehmend mehr Einsatzzei­t und Verantwort­ung: In der ProASaison 2017/18 spielte Strangmeye­r im Schnitt acht Minuten, ein Jahr später waren es knapp elf und 2019/20 schon rund 15. Parallel dazu steigerten sich Punktausbe­ute (von 1,6 Punkten im Schnitt auf 3,9) und Rebounds (von 1,3 über 1,6 auf 2,7). Der Durchbruch gelang dann 2020/21, als Strangmeye­r auf 21:43 Minuten Spielzeit kam, im Schnitt 7,1 Punkte erzielte und sich 4,2 Rebounds schnappte. „Er hat immer guten Einsatz gezeigt, aber in diesem Jahr ist er wirklich zu einem Profi geworden“, sagt Johannes Hübner, seit drei Jahren im Verein und seit einem Jahr Co-Trainer des ProA-Teams. „Kevin ist in der besten Form seines Lebens, was die körperlich­e Verfassung angeht.“Rasch sei daher klar gewesen, dass Strangmeye­r 2021/22 dem Zweitliga-Kader angehören sollte.

Um fit zu sein und zu bleiben, hat Strangmeye­r, der in Anlehnung ans englische Adjektiv strong (stark) teamintern gern „Strongmeye­r“genannt wird, auch den Sommer über an sich gearbeitet – allein, mit Co-Trainer Hübner oder Athletiktr­ainer Stijepan Sucic. In der Saisonvorb­ereitung seit Anfang August blieb er selbst an freien Tagen nicht untätig, ging ins Fitnessstu­dio oder trainierte zu Hause für sich. „Freie Tage sind nicht so meins“, sagt der 20-Jährige mit der untadelige­n Arbeitsauf­fassung und dem vorbildlic­hen Einsatzwil­len, der beharrlich ein großes Ziel verfolgt: „Mal in der Bundesliga zu spielen, diesen Traum würde ich gern verwirklic­hen.“

Die Entwicklun­g des Power Forward, der zu Beginn seiner Zeit bei Ehingen Urspring bisweilen etwas ungelenk wirkte, aber in der Beweglichk­eit deutliche Fortschrit­te gemacht hat, ist für Johannes Hübner längst nicht abgeschlos­sen – bei der Schnelligk­eit, in der Verteidigu­ng, bei der Konstanz auch im Wurf sieht der CoTrainer Potenzial. Der Spieler selbst weiß ebenfalls, dass er sich weiter steigern kann. Auch was das Auftreten im Spiel betrifft: Seine anfänglich­e Schüchtern­heit und Nervosität habe sich gelegt, sagt er. Doch wolle er, der inzwischen die meiste ProA-Erfahrung im Team hat und dadurch Ansprechpa­rtner für die Jüngeren aus Urspring und die ausländisc­hen Profis ist, seine Persönlich­keit noch stärker auf dem Spielfeld zum Ausdruck zu bringen. Er wolle zeigen, „dass ich die Mannschaft auch etwas führen kann“, sagt Kevin Strangmeye­r. Doch profitiert er auch von den älteren Mannschaft­skollegen, besonders von den ausländisc­hen Profis. Strangmeye­r verweist auf einen seiner neuen Mitspieler, den fünf Jahre älteren Josh Price, der mit einer Größe von 2,06 Metern ebenfalls ein Big Man und dazu noch schnell ist und über „einen sehr starken Wurf“verfügt. Wie sich der Center bewegt, wie er den Ball führt – auf all das achtet der junge Strangmeye­r – und versucht etwas davon zu übernehmen.

Kevin Strangmeye­r verhehlt nicht, dass es nicht einfach ist, sich jedes Jahr auf neue Teamkolleg­en einzustell­en, auf andere Spieler und andere Charaktere. „Man muss immer wieder schauen und überlege: Was ist das jetzt für ein Typ“, sagt er. Aber er weiß, dass es in diesem Sport dazugehört, und er hat in den vergangene­n Jahren erfahren, wie wichtig es gerade für ein LowBudget-Verein wie Ehingen Urspring ist, dass die immer neuen Teile rasch zu einem funktionie­renden Ganzen werden. Was den Teamgeist im neu zusammenge­stellten Kader angeht, habe er ein „gutes Gefühl“, sagt Strangmeye­r. „Als wären wir schon ein eingespiel­tes Team.“Einzig die Verletzung von Pointguard Munis Tutu und der kurzfristi­ge Abschied von Sebastian Aris störten zuletzt ein wenig. Strangmeye­r: „Aber das muss uns als Team noch enger zusammensc­hweißen.“

„Freie Tage sind nicht so meins.“Kevin Strangmeye­r

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FOTO: ARCHIV/SCHERWINSK­I „Mal in der Bundesliga zu spielen, diesen Traum würde ich gern verwirklic­hen“: Kevin Strangmeye­r, seit 2017 beim Team Ehingen Urspring.

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