Wissenswertes um den Winterberg-Tunnel
Spülbohrung soll eine Kamera ferngesteuert tief ins Erdreich eindringen. Davon abhängig wollen Volksbund, ONAC und die Behörden festlegen, wie es weitergeht. Möglicherweise sind die toten Soldaten nicht verwest, sondern mumifiziert, weil sie teilweise unter Sauerstoffabschluss liegen.
Möglich sind wohl zwei Lösungen: Zum einen eine Umbettung der Überreste, sofern vorhanden, in eine große Kriegsgräberstätte in der Nähe von Reims, zum anderen aber auch ein Verschluss des Tunnels, über den man ein Mahnmal errichten könnte. In jedem Fall geht es um einen würdigen Umgang mit den Toten, die seit 104 Jahren am Ort ihres Todes liegen.
Zu den Teilnehmenden der jüngsten Begehung gehört auch der Tuttlinger CDU-Landtagsabgeordnete und Ex-Minister Guido Wolf, zugleich Landesvorsitzender des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Baden-Württemberg. Er erinnerte daran, dass es um ein Regiment aus Baden gehe – noch gibt es Angehörige. Sie wussten in vielen Fällen allerdings nicht einmal, dass ihr Vorfahr bei Craonne einen schrecklichen Tod erfahren hat. In Leipferdingen bei Geisingen (Landkreis Tuttlingen) stehen auf einer Gefallenentafel ein Porträtfoto und der Name Albert Fluck, dessen Elternhaus noch steht, dessen Großneffen Wilfried Fluck und Bertram Hannemann im heutigen Ort leben – und dessen furchtbare Todesumstände bislang nicht bekannt waren.
Oder Johann Schilling, dessen Biografie der Böttinger Heimatforscher und Genealoge Edgar Speck aufgearbeitet hat. Der frühere Schulrektor hat im Kirchenregister herausgefunden, dass Schilling am 2. Februar 1886 geboren wurde. Gerade einmal 31 Jahre war er alt, als er bei Craonne fiel. Im Kirchenregister steht sein Name als Sohn des Johann Georg Schilling neben denen seiner acht Geschwister. Hinter dem Namen der bittere Vermerk „den Heldentod erlitten“– ohne ein Datum. Es war im Ort wohl nicht bekannt. Jetzt weiß man: Es war der 4. Mai 1917. Auch der Volksbund selbst sucht nach Angehörigen und hat inzwischen schon einige Nachkommen gefunden. Sie sollen in das Konzept der Erinnerung eingebunden werden.
Doch erst einmal ruhen die Hoffnungen auf der nächsten Untersuchung des Geländes. Guido Wolf sagt, er könne sich vorstellen, dass sich sein Landes-VDK und auch die deutsch-französische Jugendarbeit bei der Entwicklung einer Gedenkstätte mit einbringen können. Zu den Erfolgsaussichten einer weiteren Bohrung sagt Volksbund-Generalsekretär Dirk Backen: „Falls eine Bergung nicht zu realisieren ist, wollen wir eine würdige Gedenklösung schaffen. Deshalb sind wir dankbar, dass der Winterberg-Tunnel durch eine Initiative der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung ein Thema im gemeinsamen Ministerrat war.“Dazu ergänzte ONAC-Generalsekretärin Véronique Peaucelle-Delelis für die französische Seite: „Es ist ein großes deutsch-französisches Projekt, und wir sind dankbar für die Unterstützung und die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Volksbund. Das Wichtigste für uns ist die Würde der Toten.“
Der Fall Winterberg-Tunnel wird auch wissenschaftlich begleitet. Das Landesarchiv Baden-Württemberg hat ein Forschungsprojekt ins Leben gerufen. Betreut wird es vom Generallandesarchiv in Karlsruhe, wo – ein Glücksfall in der Tragödie – noch die Akten des 111. Badischen Reserveinfanterieregiments lagern. Ziel ist die
Erstellung einer umfangreichen Datenbank mit Namen und Biografien aller Verschütteten