Kulturnacht: So viele wie vor der Pandemie
Hygieneauflagen schrecken Besucher nicht ab – Programm heiter, aber auch nachdenklich
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ULM - Ein lauer Spätsommerabend, Musikbegeisterte feiern die Coverband Funks Your Soul, die mit Party Hits von Amy Winehouse oder Earth, Wind and Fire in der Ulmer Neuen Mitte für Stimmung sorgt. Man möchte fast glauben, dass die Pandemie schon Vergangenheit ist. Doch die Freude vor der Livebühne dauert nur 30 Minuten, bis der eingezäunte Platz wieder geräumt wird. Genau 106 Besucher und Besucherinnen dürfen jeweils für eine halbe Stunde in die Partyzone, in der die coronabedingten Sicherheitsabstände eingehalten werden sollen so will es das Hygienekonzept der 21. Kulturnacht Ulm/ Neu-Ulm.
Maria Camila Modi-Kekeisen hat sich ebenfalls in die Reihe der Musikfans gestellt und findet die Wartezeit nicht lästig, wie sie sagt: „Das gehört in Corona-Zeiten halt dazu.“Die Sicherheitsleute am Eingangsbereich sind sich einig, dass die Besucher die Abstandsvorschriften akzeptieren und ernst nehmen.
Etwas lockerer und ganz ohne Zugangsbeschränkungen dürfen die Zuhörerinnen und Zuhörer auf dem Neu-Ulmer Petrusplatz die Lounge-Atmosphäre bei Club-Beats in Liegestühlen genießen. Hinter den Mauern der Petruskirche gibt es Heimatgefühle von Schauspielerin Christina Mayerhofer als Katharina aus Kasachstan. Liebenswert in einer knallbunt bestickten Schürze, einem Kopftuch und mit einem Wäschekorb auf dem Schoß redet sie ohne Punkt und Komma über die Liebe, das Leben und ihrem Heimweh. Musikalisch unterstützt wird sie dabei von Peter Gerter am Akkordeon. Ganz klassisch, mit Werken von Antonio Vivaldi führen Gisela Czech-Whitson an der Violine und Organist Joseph Kelemen durch die Venezianische Nacht in der Kirche Sankt Johann Baptist.
Rund 95 Veranstaltungen bekommen die Besucher in diesem Jahr für den Eintritt von zehn Euro geboten viele davon in Kneipen, Studios oder Ateliers. Wer hier rein wollte, musste getestet, genesen oder geimpft sein. So auch für die Vorstellung des Mitmachtheaters „Spontanello“. Der Neu-Ulmer Schauspieler und Improvisationskünstler Mark Klawikowski ist erleichtert, dass ein Team vor dem Eingang der Volkshochschule die 3G-Regel prüft. Damit blieb es den Zuschauern erspart, vor jedem Raum einen Nachweis zu zeigen.
Klawikowski konzentriert sich ohnehin lieber auf seine Rolle als Spontanakteur. Etwa 60 Gäste verfolgen jeweils das Mitmachtheater. Während die Eltern noch etwas zurückhaltend sind, zeigen die Buben und Mädchen vollen Einsatz im interaktiven Stück, das ganz ohne Textbuch auskommt, sondern nur durch die Ideen aus dem Publikum entsteht. Ähnlich spontan und fantasievoll zeigt einen Raum weiter der Illustrationszeichner Daniel Fernandez, wie durch seinen Pinsel immer neue bunte Fabelwesen oder possierliche Tiere entstehen.
Unter dem Motto „Macht euch schlau im Fischervierte“schwärmen die Gäste von der Goldschmiede Dentler rund um die Blau aus. Mit 13 Fragen werden sie durch die Ulmer Altstadt geschickt. „Heißt das Kässbohrerhaus so, weil dort einst Käse gebohrt wurde, hier Bohrer hergestellt wurden oder die Familie Kässbohrer ihren Stammsitz hatte?“oder „Wie viele Schweine verkauft der Metzger der bronzenen Figurengruppe auf dem Saumarkt?“, lauten die halb kniffligen, halb scherzhaften Aufgaben. Als Belohnung für die Rätselrallye gibt es für jeden Teilnehmer und jede Teilnehmerin einen kleinen Edelstein.
Schwere Kost dagegen hält die Medienkünstlerin Isabelle Konrad für all jene bereit, die der Galerie Schrade einen Besuch abstatten. „Heute hatte ich eine Krise“, lautet der Titel ihrer derzeitigen Ausstellung. Damit präsentierte die gebürtige Weißenhornerin einen dramatischen und schonungslosen Rückblick in die Lockdown-Zeit der vergangenen Monate. Geprägt von Einsamkeit, Resignation und Frust lichtete sich die Fotografin selbst in der Isolation ihrer Wohnung ab. „Ich war oft überfordert, mich so sehr mit mir selbst zu beschäftigen“, erklärt die Künstlerin, die derzeit an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe studiert. Düster sind auch die begleitenden Gedichte und Texte wie die Zeile: „Die Wanne voll, der Föhn in meiner Hand und eine Frage steht im Raum.“Zynisch sei es gewesen, wenn sich bei einem Künstler das Klischee des vereinsamten Menschen tatsächlich bewahrheitete, sagt Konrad.
Die Höhen und Tiefen dieser Tage bringt die junge Künstlerin zusammen mit ihrer Kommilitonin Josephine Leicht in einer Performanz zum Ausdruck, in der sie beim Spaghetti-Essen die Situation des Alltäglichen eskalieren lassen. Schräg und überspitzt stopfen