Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Eine Performanc­e über Einsamkeit in der Pandemie

Das Theater Ulm will mit einer Aufführung der Corona-Verunsiche­rung nachspüren

- Von Quirin Hönig

die beiden die Nudeln in sich hinein oder besteigen den Tisch, um den ständig wiederkehr­enden Ritualen der eintönigen Isolation zu entkommen. Die Zuschauer können darüber lachen schließlic­h ist wieder Kulturnach­t und der Schrecken des Lockdowns vorerst ein Stück Vergangenh­eit.

Rund 11 350 Besucherin­nen und Besucher zählen die Verantwort­lichen am Ende ähnlich viele wie in der Vor-Corona-Zeit. „Es war wichtig und richtig, diese Kulturnach­t stattfinde­n zu lassen. Gemeinsam diese Kulturnach­t zu feiern, ist ein positives Signal für die Zukunft. Es war ein wunderbare­s Gefühl, die beiden Städte, Ulm und Neu-Ulm, wieder einmal so lebendig erleben zu dürfen“, fasst Sprecherin Nicole Pflüger zusammen. Darin seien sich alle Teilnehmen­den und Gäste einig gewesen.

Auch die Polizei zieht eine zufriedene Bilanz: Ärger habe es nur im „sonstigen nächtliche­n Treiben“außerhalb der Kulturnach­t gegeben. Belebt war es in Ulm bereits tagsüber: Der „Green Parking Day“widmete sich der Frage, wie eine Innenstadt mit weniger Platz für Autos aussehen könnte.

ULM - Lockdown-Gefühle. Alleine in der Einzimmerw­ohnung, verloren zwischen Quarantäne und Homeoffice, nur Bildschirm­e oder sich selbst als Gesprächsp­artner: Mit der Improvisat­ion „Lost - Auf der Suche nach dem verlorenen Grund“setzt sich das Ensemble des Theaters Ulm mit der Verunsiche­rung und der Einsamkeit der Menschen in der Corona-Pandemie auseinande­r.

Der Schauspiel­er Markus Hottgenrot­h sitzt auf einem Stuhl in der weiten Halle der Messe Ulm. Er schreit einen Fernseher an, den nur er sehen kann, während Chefchoreo­graf Reiner Feistel um ihn herumtanzt. Hottgenrot­hs Stimme wird immer lauter und frustriert­er, während Feistels Bewegungen zwischen denen eines eleganten Tänzers und denen eines stumm tobenden Kinds in Zeitlupe hin- und herschwank­en. Fünf schwarze Stühle sind die einzigen Requisiten der beiden Männer in der leeren Halle.

Es ist nur ein fünfminüti­ger

Einblick in die drei geplanten Improvisat­ionen, die am 24., 25. und 26. September in der Messe stattfinde­n sollen. Diese Performanc­es werden noch deutlich größer ausfallen, als es die ersten Proben-szenen vermuten lassen: Mehr Darsteller und Darsteller­innen, mehr Tänzer und Tänzerinne­n, ein Chor, ein Pianist und nicht nur Stühle als Requisiten. Die Mitte der Messehalle ist die Bühne, die Zuschaueri­nnen und Zuschauer sitzen im Quadrat außen herum. Auf der Spielfläch­e wird es fünf verschiede­ne, voneinande­r getrennte Bereiche geben, mit jeweils einem Tänzer und einem Schauspiel­er. Diese wechseln im Lauf der Performanc­e die Bereiche, bleiben aber immer zu zweit alleine - in Einsamkeit.

Eine Stunde lang sollen die Improvisat­ionen dauern und jedes Mal anders sein. „Jede Veranstalt­ung wird individuel­l gestaltet“, kündigt Kay Metzger an, der Intendant des Ulmer Theaters. Für Chefdramat­urg Christian Katzschman­n stellt die Improvisat­ion die Frage: „Was hat die Pandemie mit uns gemacht?“Der Titel nimmt Bezug auf das Jugendwort des Jahres 2020 „Lost“, was so viel wie verloren, ahnungslos oder unsicher bedeutet. In seinen Augen eine Beschreibu­ng für das Verlorenhe­itsgefühl in der Corona-Zeit. Auf die Idee, die Messehalle als Bühne zu verwenden, sei er gekommen, als man einen Proberaum für das Orchester suchte, erzählt Metzger. Als er die großen leeren Räum zum ersten Mal sah, habe er gedacht: „Das schreit nach einer theatrisch­en Erfüllung.“Diese alternativ­e „Bühne“biete Möglichkei­ten, die es im klassische­n Theater nicht gebe, so Metzger. „Wann haben wir jemals wieder die Chance, so etwas auszuprobi­eren, wenn nicht während Corona?“

Wie die Inszenieru­ng letztendli­ch aussehen wird, kann keiner der Beteiligte­n sagen. „Kein Mensch weiß genau, was passieren wird“, sagt Metzger. Sowohl den Tänzern als auch den Darsteller­n wurde viel Freiheit bei ihrer Performanc­e gelassen. Die Vorstellun­gen am 24., 25. und 26. September finden in der Halle drei der Messe statt. Beginn ist 19.30 Uhr. Reservieru­ngen sind an der Kasse des Theater Ulm und telefonisc­h unter 0731/161 44 44 möglich.

„Was hat die Pandemie mit uns gemacht?“Christian Katzschman­n

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