Teure Wahlversprechen
Parteien planen Investitionen und Reformen – Nur der Staatshaushalt macht da nicht mit
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BERLIN - Ideen für höhere Ausgaben des Staates haben im Wahlkampf Hochkonjunktur. Doch was das alles kostet und wie sie ihre Versprechen finanzieren wollen, bleibt im Vagen oder wird nicht diskutiert. Wird da viel versprochen, was nicht zu halten ist? Fragen und Antworten
Wie teuer sind Wahlversprechen? ●
Die von allen derzeit im Bundestag vertretenen Parteien in irgendeiner Form geforderte Abschaffung der EEG-Umlage für Ökostrom würde den Bund etwa 19 Milliarden Euro zusätzlich kosten – pro Jahr. Das hat das unternehmernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ausgerechnet. Besonders teuer würde das ebenfalls nahezu parteiübergreifend gegebene Versprechen, die Sozialbeiträge weiter bei 40 Prozent zu deckeln: Dann müsste der Bund bei Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung einen schnell wachsenden Betrag zuschießen, 2025 fast 46 Milliarden Euro, Tendenz weiter rasch steigend. Die Erhöhung der Mütterrente, auf der die CSU besteht, schlägt mit 4,1 Milliarden Euro im Jahr zu Buche. Die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, die Union und FDP in Aussicht stellen, brächte dem Bund ein Einnahmeloch von fast acht Milliarden Euro. Rechnet man alles zusammen, kommt das IW – einschließlich steigender Verteidigungsausgaben – bereits im nächsten Jahr auf fast 37 Milliarden Euro, die der Bund zusätzlich verkraften müsste. 2025 wären es fast dreimal so viel. Mehrausgaben für den Umweltschutz und die Digitalisierung sind da noch gar nicht berücksichtigt.
Wie viel Luft ist im Haushalt?
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Der ist heute schon auf Kante genäht, betonen regelmäßig Olaf Scholz (SPD) als Finanzminister und sein Staatssekretär Werner Gatzer (SPD), der den Haushalt seit Jahren zusammenstrickt. Noch vor Ende der laufenden Legislatur haben sie einen Entwurf für den Etat 2022 und die mittelfristige Finanzplanung bis 2025 vorgelegt, und das Bundeskabinett hat ihn abgesegnet. Beschließen wird beides allerdings erst der neue Bundestag.
Kann der Bund nicht mehr Schulden ● machen?
Das verbietet die Schuldenbremse im Grundgesetz. 2022 soll der Bundestag nach dem Haushaltsentwurf zum dritten
Mal in Folge eine Ausnahme wegen der Kosten der Corona-Pandemie beschließen. Fast 100 Milliarden Euro neue Schulden sind vorgesehen. Doch ab
2023 soll die Bremse wieder greifen. Danach darf der Bund nur in geringem Ausmaß zusätzliche Kredite aufnehmen, und diese Möglichkeiten hat Gatzer in seinem Haushaltsentwurf schon komplett eingeplant. Zudem will er das Sparschwein des Finanzministeriums schlachten, eine – ursprünglich für die Flüchtlingskosten vorgesehene – Rücklage von 48,2 Milliarden Euro. Trotzdem klafft im Jahr 2025 noch ein ungedecktes Loch von über sechs Milliarden Euro. Zwar gibt es immer wieder Forderungen, die Schuldenbremse abzuschaffen oder zumindest zu modifizieren. Aber für die nötige Änderung des Grundgesetzes wäre eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat nötig – ein schwieriges Unterfangen.
Wie viel bringen Steuererhöhungen? ●
Die Pläne der SPD würden 14 Milliarden Euro zusätzlich an Einnahmen bringen, die der Grünen 18,1 Milliarden Euro und die der Linken sogar 36,8 Milliarden Euro, haben Wissenschaftler des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim ausgerechnet. Dabei haben sie sowohl die Pläne zu Steuern berücksichtigt als auch Punkte wie Minijobs und Familienpolitik, die private Haushalte betreffen. Nicht berücksichtigt hingegen sind zusätzliche Ausgaben etwa für Umweltschutz und andere Investitionen. Die Reformvorschläge der Union würden den Staatshaushalt mit 32,6 Milliarden Euro im Jahr belasten, die der FDP sogar mit 87,6 Milliarden Euro.
Gibt es keine anderen Auswege? ●
Der Bund könnte sparen. Doch schon heute entfällt mehr als die Hälfte seiner Ausgaben aufs Soziale, Tendenz steigend, und da lässt sich nicht so einfach kürzen. Eigentlich müsste er dringend mehr investieren. Dafür haben IW-Chef Michael Hüther und das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) schon vor einiger Zeit in ungewohnter Einigkeit ein Investitionsprogramm von 450 Milliarden Euro vorgeschlagen, verteilt über zehn Jahre. Wird es als Investitionsfonds konstruiert, könnten die Kredite dafür an der Schuldenbremse vorbei aufgenommen werden. Noch sind die Parteien nicht darauf eingegangen. Etwas Luft könnte ein anderer Umgang mit den Schulden für die Corona-Maßnahmen bringen. Beschlossen ist, dass der Bund schon 2023 mit der Tilgung beginnt und die Kredite recht schnell zurückzahlt. Er könnte dem Beispiel von NordrheinWestfalen folgen, das sich deutlich länger Zeit lässt.
Was tun?
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Es reiche nicht, nur auf mehr Wachstum zu setzen oder Gutverdienende stärker zu belasten, mahnte der Ex-Wirtschaftsweise Bert Rürup. „Gesucht ist ein Mix aus moderaten Leistungsrücknahmen im Sozialsystem, einem möglichst aufkommensneutralen und wachstumsorientierten Umbau des Steuersystems, einem Abbau von Subventionen, dem Lockern von bestehenden Beschäftigungsbremsen sowie einer Reform der Schuldenbremse.“Im Wahlkampf war wenig davon die Rede.