Strengere Grenzwerte für Luftschadstoffe
Die Weltgesundheitsorganisation justiert bei Feinstaub und Stickstoffdioxid nach
Der Angeklagte hatte sich als 15-Jähriger mit dem gleichaltrigen Maurice K. zu einer Schlägerei nach dem Motto „Eins gegen Eins“verabredet. Die Jugendlichen konnten sich nicht leiden und wollten sich bei einem Schaukampf messen. Sie trafen sich dazu in der Passauer Innenstadt. Freunde und Bekannte der beiden kamen hinzu. Umstehende mischten sich in die Schlägerei ein, die Situation eskalierte. Maurice K. erlitt unter anderem einen Nasenbeinbruch und erstickte an seinem eigenen Blut.
Im Herbst 2018 begann der erste Prozess. Neben dem jetzt Angeklagten mussten sich der damals 25-jährige Haupttäter und zwei 15 und 17 Jahre alte Jugendliche verantworten. Der 25-Jährige wurde wegen fahrlässiger Tötung und vorsätzlicher Körperverletzung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Die Jugendlichen erhielten Bewährungsstrafen.
Gegen das Urteil gegen den eigentlichen Kontrahenten von Maurice K. hatten Staatsanwaltschaft und Nebenklagevertreter Revision eingelegt. Als Nebenklägerin trat die Mutter von Maurice K. auf. Sie war nach der Tat in Passau zufällig hinzugekommen, als der Notarzt gerade versuchte, ihren Sohn zu reanimieren.
Weil der jetzt Angeklagte zum Tatzeitpunkt minderjährig war, fand die Sitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
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GENF (dpa) - Schlechte Luft schadet der Gesundheit stärker als lange angenommen, und die bestehenden Grenzwerte für Schadstoffbelastungen sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO zu lasch. Sie hat ihre Richtwerte für die maximale, gesundheitlich noch vertretbare Belastung deshalb deutlich verschärft. Es geht unter anderem um Feinstaub und Stickstoffdioxid (NO2).
Auch bei der Corona-Pandemie spiele die Luftverschmutzung eine Rolle, so die WHO. Wer aufgrund von schlechter Luft eine Atemwegserkrankung habe, laufe größere Gefahr als ein gesunder Mensch, bei einer Infektion mit dem Coronavirus schwer zu erkranken.
Die neuen Richtwerte seien niedriger als erwartet, und das Ziel, sie zu erreichen, sei ehrgeizig, meinte Tamara Schikowski vom Leibniz-Institut für umweltmedizinische Forschung an der Universität Düsseldorf (IUF).
Die WHO passt die Richtwerte erstmals seit 2005 an, weil Studien gezeigt haben, wie stark die Gesundheit unter Luftverschmutzung leidet. Eine Überschreitung der neuen Grenzwerte sei mit erheblichen Gesundheitsrisiken verbunden. Jedes Jahr sterben nach WHO-Schätzungen weltweit sieben Millionen Menschen frühzeitig infolge von Luftverschmutzung. Millionen Menschen würden gesunde Lebensjahre geraubt. Bei Kindern könne das Wachstum der Lungen gestört werden, und es könnten verstärkt Asthmasymptome auftreten. Bei Erwachsenen könne Luftverschmutzung Herzkrankheiten und Schlaganfälle begünstigen.
Die Belastung mit Stickstoffdioxid, das in Ballungsräumen vor allem aus Dieselautos kommt, soll statt wie bislang höchstens 40 nur noch zehn Mikrogramm pro Kubikmeter betragen. Die EU erlaubt zurzeit 40. Selbst die 40er-Grenze wurde in Deutschland 2019 aber noch verletzt, wie die EUUmweltagentur EEA in Kopenhagen gerade berichtete. „Insbesondere die jährlichen Konzentrationen für NO2 sind überraschend niedrig, und es wird schwer sein, diese niedrigen Werte auch in Deutschland zu erreichen“, sagt Tamara Schikowski.
Feinstaub, der in die Lunge und den Blutkreislauf eindringen kann, sei von besonderer Bedeutung, so die WHO. Er entsteht etwa durch Verbrennungsprozesse im Verkehr, in der Energiewirtschaft, Haushalten, Landwirtschaft und auf Mülldeponien. Sehr hoch sei die Belastung in Südostasien
und im östlichen Mittelmeerraum, so die WHO.
Bei Feinstaub liegen die EU-Richtwerte, die auch für Deutschland gelten, deutlich höher als die WHOEmpfehlungen von 2005. Der EUGrenzwert für Feinstaub mit Partikelgröße 2,5 Mikrometer (PM 2,5) liegt bei 25 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Die WHO empfahl bislang zehn und senkte diese Zahl nun auf fünf Mikrogramm. Bei Feinstaub mit der Partikelgröße zehn Mikrometer erlaubt die EU sogar 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, während die WHO den Richtwert von 20 auf 15 Mikrogramm pro Kubikmeter senkt.
Schon die Anwendung des alten WHO-Richtwerts bei Feinstaub (PM 2,5) hätte bedeutet, dass in der EU drei Viertel der Stadtbewohner höheren Feinstaubbelastungen ausgesetzt sind als gesundheitlich vertretbar, wie das gemeinnützige Science Media Center für unabhängige Wissenschaftsberichterstattung berechnet hat. Weltweit war die Lage noch schlimmer: Mehr als 90 Prozent der Weltbevölkerung lebte nach WHOAngaben 2019 in Gebieten, die die WHO-Grenzwerte für Feinstaub (PM 2,5) von 2005 überschritten. Die EU will ihre Luftqualitätsnormen im kommenden Jahr anpassen.
Nach Angaben des Umweltbundesamtes in Dessau ermittelten 2020 im Jahresmittel 83 Prozent aller Messstationen in Deutschland einen Stickstoffdioxidwert, der oberhalb des neuen WHO-Grenzwertes lag. Beim Feinstaub der Partikelgröße PM10 waren es demnach 36 Prozent, bei PM 2,5 ganze 99 Prozent.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte, die Luftqualität sei in Deutschland zwar in den vergangenen Jahren besser geworden. „Dennoch bleibt noch viel zu tun.“Verbesserungen bei Feinstaub würden in den nächsten Jahren vor allem durch den Kohleausstieg, den Umstieg auf eine weniger intensive Landwirtschaft und die Verkehrswende hin zu mehr Elektromobilität erreicht. „Bis 2030 will Deutschland den Ausstoß von Luftschadstoffen erheblich senken“, so Schulze.
Die WHO-Leitlinien enthalten auch Empfehlungen für Ozon (O3), Schwefeldioxid (SO2) und Kohlenmonoxid (CO). Sie sind nicht verbindlich, sondern gelten als Richtschnur für Länder und Staatenverbünde wie die EU.
„Luftverschmutzung trifft am stärksten die Menschen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen“, sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus.