Aktivisten kommen nicht aufs Münster
Sie wollten auf den Kirchturm klettern, um ein CDU-kritisches Banner zu enthüllen
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ULM - Die Sonne war noch nicht aufgegangen, auf dem Ulmer Münsterplatz bauten die Beschicker ihre Stände für den Wochenmarkt gerade erst auf. Da versammelte sich unterhalb des Hauptturmes um kurz vor 7 Uhr eine Traube von Journalistinnen und Journalisten um eine junge Frau: Sie nennt sich Charlie Roth, heißt in Wirklichkeit aber anders. Die 19-Jährige ist Teil der Gruppe von Klimaaktivistinnen und -aktivisten, die am Mittwochmorgen eigentlich ein CDU-kritisches Banner am höchsten Kirchturm der Welt hätte enthüllen wollen. Aber dazu kam es nicht. Die Abiturientin aus Ulm erklärt, warum.
„Die Polizei hat drei Personen aus unserem Kernteam ein Aufenthaltsverbot für Ulm ausgesprochen. Angesichts der Polizeipräsenz war es uns zu riskant, das durchzuziehen“, sagt Roth. Wären die Aktivisten nach Ulm gekommen, hätte die Polizei sie in Gewahrsam genommen. Roth spricht von „deutlich repressiven“Maßnahmen seitens der Ordnungshüter. Die Beamten seien auch zu den betroffenen Personen nach Hause gekommen. Aus ihrer Sicht eine überzogene Reaktion.
Die Klimaschützerinnen und -schützer hatten zuvor in einer EMail, die mit einer in der Branche üblichen Sperrfrist versehen war, die örtliche Presse über die Aktion informiert. Jedoch gab es Medienvertreter, die trotz des Sperrvermerks über das Vorhaben berichteten. So wurde die Polizei erst auf den geplanten Banner-Protest aufmerksam und kündigte an, „mit starken Kräften“die Kletteraktion verhindern zu wollen.
Am Mittwochmorgen stand ein Streifenwagen der Polizei deutlich sichtbar auf dem Münsterplatz. Wirklich eingreifen mussten die Beamten allerdings nicht. Lediglich die
Personalien von Charlie Roth nahmen sie auf.
Obwohl die Aktivistinnen und Aktivisten das Banner, das der CDU klimaschädliche und korrupte Politik vorwirft, nicht am Münsterturm enthüllen konnten, zeigte sich die 19Jährige von der Resonanz der Protestaktion zufrieden. „Auf jeden Fall gelungen“, sagt sie. Dennoch ärgere sie, dass sie das sechs auf zehn Meter große Plakat nicht in 70 Meter Höhe hissen konnten.
Um dennoch ihre Botschaft loswerden zu können, positionierte sich ein weiteres Mitglied der Gruppierung mit einem Pappkarton und den Aussagen darauf mitten auf dem
Münsterplatz. Die Reaktionen auf das eigentliche Banner wären aber schon noch einmal andere gewesen, meint Roth und findet es „schade“, dass in bestimmte Pressevertreter nun Vertrauen verloren gegangen sei, weil sie sich über die Sperrfrist hinwegsetzten. Sie würden sich in Zukunft sehr wohl überlegen, wen sie über geplante Aktionen vorab informieren und wen nicht.
Aus ihrer Sicht wäre die Kletteraktion am Ulmer Münster vollkommen unbedenklich abgelaufen. Im Gegensatz zu sogenannten Roofern, die jüngst immer wieder auf das markante Gebäude kletterten, wären die Aktivisten gesichert aufgestiegen. Zudem würde auch keine Straftat wie etwa Hausfriedensbruch vorliegen. Das hätten sie sich vom Ravensburger Rechtsanwalt Klaus Schulz erklären lassen. Was Roth aber freut: Dadurch, dass das Banner nicht am Mittwoch am Münster zum Einsatz kam, könne es nun für eine andere Protestaktion verwendet werden.
Ulms Münster-Dekan Ernst-Wilhelm Gohl äußerte sich erleichtert. Die Kirche unterstütze zwar den Klimaschutz, stehe aber für parteipolitisch ausgerichtete Verlautbarungen nicht zur Verfügung, sagte er dem Evangelischen Pressedienst. Gohl betrachtet das Vorhaben als Hausfriedensbruch, da die Aktivisten für das Besteigen der Münsterturmfassade auch noch ein Bauzaun hätten überwunden müssen.
Am Freitag, 24. September, streikt Fridays For Future weltweit für mehr Klimagerechtigkeit. Auch in
wird es eine Demo geben. Ab 15 Uhr wird es auf dem Münsterplatz Programm mit Reden und Musik geben und im Anschluss daran einen Demozug durch beide Städte. Im Mittelpunkt stehe die am Wochenende anstehende Bundestagswahl.
Ulm und Neu-Ulm