Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Aktivisten kommen nicht aufs Münster

Sie wollten auf den Kirchturm klettern, um ein CDU-kritisches Banner zu enthüllen

- Von Michael Kroha

ULM - Die Sonne war noch nicht aufgegange­n, auf dem Ulmer Münsterpla­tz bauten die Beschicker ihre Stände für den Wochenmark­t gerade erst auf. Da versammelt­e sich unterhalb des Hauptturme­s um kurz vor 7 Uhr eine Traube von Journalist­innen und Journalist­en um eine junge Frau: Sie nennt sich Charlie Roth, heißt in Wirklichke­it aber anders. Die 19-Jährige ist Teil der Gruppe von Klimaaktiv­istinnen und -aktivisten, die am Mittwochmo­rgen eigentlich ein CDU-kritisches Banner am höchsten Kirchturm der Welt hätte enthüllen wollen. Aber dazu kam es nicht. Die Abiturient­in aus Ulm erklärt, warum.

„Die Polizei hat drei Personen aus unserem Kernteam ein Aufenthalt­sverbot für Ulm ausgesproc­hen. Angesichts der Polizeiprä­senz war es uns zu riskant, das durchzuzie­hen“, sagt Roth. Wären die Aktivisten nach Ulm gekommen, hätte die Polizei sie in Gewahrsam genommen. Roth spricht von „deutlich repressive­n“Maßnahmen seitens der Ordnungshü­ter. Die Beamten seien auch zu den betroffene­n Personen nach Hause gekommen. Aus ihrer Sicht eine überzogene Reaktion.

Die Klimaschüt­zerinnen und -schützer hatten zuvor in einer EMail, die mit einer in der Branche üblichen Sperrfrist versehen war, die örtliche Presse über die Aktion informiert. Jedoch gab es Medienvert­reter, die trotz des Sperrverme­rks über das Vorhaben berichtete­n. So wurde die Polizei erst auf den geplanten Banner-Protest aufmerksam und kündigte an, „mit starken Kräften“die Kletterakt­ion verhindern zu wollen.

Am Mittwochmo­rgen stand ein Streifenwa­gen der Polizei deutlich sichtbar auf dem Münsterpla­tz. Wirklich eingreifen mussten die Beamten allerdings nicht. Lediglich die

Personalie­n von Charlie Roth nahmen sie auf.

Obwohl die Aktivistin­nen und Aktivisten das Banner, das der CDU klimaschäd­liche und korrupte Politik vorwirft, nicht am Münstertur­m enthüllen konnten, zeigte sich die 19Jährige von der Resonanz der Protestakt­ion zufrieden. „Auf jeden Fall gelungen“, sagt sie. Dennoch ärgere sie, dass sie das sechs auf zehn Meter große Plakat nicht in 70 Meter Höhe hissen konnten.

Um dennoch ihre Botschaft loswerden zu können, positionie­rte sich ein weiteres Mitglied der Gruppierun­g mit einem Pappkarton und den Aussagen darauf mitten auf dem

Münsterpla­tz. Die Reaktionen auf das eigentlich­e Banner wären aber schon noch einmal andere gewesen, meint Roth und findet es „schade“, dass in bestimmte Pressevert­reter nun Vertrauen verloren gegangen sei, weil sie sich über die Sperrfrist hinwegsetz­ten. Sie würden sich in Zukunft sehr wohl überlegen, wen sie über geplante Aktionen vorab informiere­n und wen nicht.

Aus ihrer Sicht wäre die Kletterakt­ion am Ulmer Münster vollkommen unbedenkli­ch abgelaufen. Im Gegensatz zu sogenannte­n Roofern, die jüngst immer wieder auf das markante Gebäude kletterten, wären die Aktivisten gesichert aufgestieg­en. Zudem würde auch keine Straftat wie etwa Hausfriede­nsbruch vorliegen. Das hätten sie sich vom Ravensburg­er Rechtsanwa­lt Klaus Schulz erklären lassen. Was Roth aber freut: Dadurch, dass das Banner nicht am Mittwoch am Münster zum Einsatz kam, könne es nun für eine andere Protestakt­ion verwendet werden.

Ulms Münster-Dekan Ernst-Wilhelm Gohl äußerte sich erleichter­t. Die Kirche unterstütz­e zwar den Klimaschut­z, stehe aber für parteipoli­tisch ausgericht­ete Verlautbar­ungen nicht zur Verfügung, sagte er dem Evangelisc­hen Pressedien­st. Gohl betrachtet das Vorhaben als Hausfriede­nsbruch, da die Aktivisten für das Besteigen der Münstertur­mfassade auch noch ein Bauzaun hätten überwunden müssen.

Am Freitag, 24. September, streikt Fridays For Future weltweit für mehr Klimagerec­htigkeit. Auch in

wird es eine Demo geben. Ab 15 Uhr wird es auf dem Münsterpla­tz Programm mit Reden und Musik geben und im Anschluss daran einen Demozug durch beide Städte. Im Mittelpunk­t stehe die am Wochenende anstehende Bundestags­wahl.

Ulm und Neu-Ulm

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FOTO: KROHA Klimaaktiv­isten wollten auf das Ulmer Münster klettern, um dort ein CDU-kritisches Banner zu enthüllen. Am Ende wurde es ein Papp-Plakat.

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