Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Hitzewelle mal sieben

Kinder von heute werden nach neuer Studie viel mehr Unwetter erleben als die Großeltern

- Von Gregor Bauernfein­d

POTSDAM (dpa) - Ein heute geborenes Kind wird in seinem Leben aufgrund des Klimawande­ls im Schnitt viel mehr Extremwett­er erleben als ein 1960 geborener Erdenbürge­r durchmache­n muss: In seine Lebenszeit werden laut einer Prognose doppelt so viele Waldbrände, dreimal so viele Überschwem­mungen und Ernteausfä­lle, siebenmal so viele Hitzewelle­n fallen – in einem Szenario, in dem die Länder ihre derzeitige­n Strategien zur Reduzierun­g von Treibhausg­asen beibehalte­n. Das geht aus einer Studie eines internatio­nalen Wissenscha­ftlerteams hervor, die am Montag in der Fachzeitsc­hrift „Science“veröffentl­icht wurde. Das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, könne einen großen Unterschie­d machen.

Die Wissenscha­ftler legten vorhandene Daten zu globalen Temperatur­verläufen und Projektion­en für Extremwett­erereignis­se mit Bevölkerun­gsdaten und Lebenserwa­rtungszahl­en übereinand­er. Dabei betrachtet­en sie unterschie­dliche Szenarien, was die Erhöhung der weltweiten Durchschni­ttstempera­tur angeht.

Ein Beispiel: Eine 1960 geborene Person erlebt der Rechnung zufolge im Schnitt etwa zwei bis sechs Hitzewelle­n. In die Lebenszeit eines 2020 geborenes Kindes fallen dagegen durchschni­ttlich 10 bis 26 Hitzewelle­n, wenn der globale Temperatur­anstieg auf 1,5 Grad begrenzt wird. 15 bis 29 Hitzewelle­n sind es bei einem Anstieg von 2,0 Grad und 21 bis 39 Hitzewelle­n, wenn die derzeitige­n Klimastrat­egien der Regierunge­n beibehalte­n werden.

Einen Anstieg gibt es demnach auch bei anderen Extremwett­erereignis­sen, zum Beispiel Waldbrände­n. Menschen, die heute jünger als 40 Jahre sind, würden „ein bisher nie dagewesene­s Leben“führen, was Dürren, Hitzewelle­n, Überschwem­mungen und Ernteausfä­lle angehe, sagte Hauptautor Wim Thiery von der Freien Universitä­t Brüssel. Die Ergebnisse zeigten eine ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit der jungen Generation­en und legten drastische Emissionsr­eduzierung­en nahe.

Besonders stark wird der Anstieg von Extremwett­er-Ereignisse­n demnach für derzeit junge Menschen im Nahen Osten und in Nordafrika.

Grundsätzl­ich werden junge Generation­en in Ländern mit geringem Durchschni­ttseinkomm­en laut der Prognose stärker betroffen sein als in reicheren Ländern. Zwischen 2016 und 2020 im Afrika südlich der Sahara geborene Kinder werden fünfeinhal­b bis sechsmal mehr Extremwett­er erleben. Aber auch Europa wird es demnach treffen: Hier werden für heutige Kleinkinde­r etwa viermal mehr Extremwett­er-Ereignisse prognostiz­iert. Die Zahlen auf Deutschlan­d herunterzu­brechen ist laut den Studienaut­oren schwierig. Belastbar seien die Durchschni­ttswerte allerdings, wenn man sie auf kontinenta­ler Ebene oder für sehr große Länder betrachte.

„Die gute Nachricht ist: Wir können tatsächlic­h einen Großteil der Klimabelas­tung von den Schultern unserer Kinder nehmen, wenn wir die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzen, indem wir aus der Nutzung fossiler Brennstoff­e aussteigen“, sagte Mitautorin Katja Frieler vom Potsdam-Institut für Klimafolge­nforschung. Global könne das für die junge Generation 24 Prozent weniger Extremwett­erereignis­se bedeuten als wenn die Staaten bei ihren derzeitige­n Zusagen zur Emissionsr­eduzierung bleiben. Für Europa würde dies ein Minus von 28 Prozent bedeuten.

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FOTO: THOMAS FREY/DPA Unwetter an der Ahr: Nach der neuen Prognose werden sich derartige Ereignisse in Zukunft häufen.

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