Reinhold Messner zeigt sich demütig und bewegt
Bergsteigerlegende spricht über den Nanga Parbat und jene Expedition, bei der sein Bruder ums Leben kam
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ULM - Er, der zwischenzeitlich zu den Legenden gezählt werden kann, gibt sich am Ende bescheiden: Verglichen mit seinen Brüdern und Schwestern, hier ein Arzt, dort ein Wissenschaftler, nennt sich Reinhold Messner süffisant einen Eroberer des Nutzlosen. Mit seinen nunmehr 76 Jahren blickte der Extrembergsteiger und Buchautor am Samstag in Ulm zurück auf die vergangenen Jahrzehnte, in denen er eben dieses „Nutzlose“als lebensfeindliches, ja tödliches Element kennengelernt hatte.
Nahezu voll besetzt war der Große Saal des CCU: Den Nummernschildern nach zu beurteilen fand sich halb Süddeutschland ein, um dem eloquenten Messner und seiner Schilderung der Besteigungsgeschichte des Nanga Parbat beizuwohnen. „Nanga Parbat – Mein Schicksalsberg“kulminierte dann auch in den Szenen um den tödlichen Unfall seines jüngeren Bruders Günther im Jahr 1970.
Der 8125 Meter hohe Eisriese im pakistanischen Himalaja übt nicht nur aufgrund dieses Ereignisses eine schaurig-tragische Faszination auf Bergsteiger und Eisgeher aus. So spannte Messner einen Bogen von Albert Mummery, welcher beim Überschreiten von der Diamir- zur Rakhiot-Seite verschwunden war bis zu Hermann Buhl, der gegen den Befehl des Expeditionsleiters 1953 allein und als erster den Gipfel erreicht hatte.
Untermalt wurde der Vortrag durch Fotos und Filme. Authentisch die Schilderungen Messners, der neben der großformatigen Leinwandprojektion der Eisberge geradezu demütig wirkte. Man merkte es dem Südtiroler dennoch an, dass er immer noch unter den Anfeindungen zu leiden hat, die seinerzeit der Tod Günthers ausgelöst hatte. Verschiedene Alpinisten widersprachen damals den
Darstellungen Messners. Die Vorwürfe gingen bis zur Anschuldigung, er hätte seinen Bruder wegen des eigenen Erfolgs im Stich gelassen. Zwischenzeitlich entschied ein Gericht jedoch, dass diese Behauptungen mangels Beweisen nicht aufrechterhalten werden können. So geriet der Vortrag unterschwellig auch zu einer
Rechtfertigungsrede Messners, die er mit zahlreichem Bildmaterial untermauerte.
Vor einigen Jahren gab der Gletscher die Überreste Günthers frei. Messner begab sich umgehend zur Stelle und identifizierte noch am Ort Schuhe sowie Kleidungsstücke seines Bruders.
Reinhold Messner selbst war damals mehr tot als lebendig und mit erfrorenen Füßen schließlich von mehreren einheimischen Holzfällern gerettet, ins Tal gebracht und gepflegt worden. Jahre später revanchierte sich der Bergsteiger auf seine Weise, indem er im betreffenden Gebiet eine Schule gründete und sich auch heute noch der Bevölkerung freundschaftlich verbunden fühlt. Die Überreste von Günther wurden bei einer traditionellen Zeremonie am Fuße des Nanga Parbat dem Feuer übergeben. „So einen großen Grabstein hat niemand“, stellte Messner bewegt fest.