Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Fehlende Briefwahls­timmen stiften Verwirrung

In 22 Gemeinden ohne eigenen Briefwahlb­ezirk werden in den offizielle­n Listen nur die Urnenwahl-Ergebnisse angegeben

- Von Reiner Schick

● MUNDERKING­EN - Nur knapp 40 Prozent Wahlbeteil­igung in Lauterach und Untermarch­tal? Mancher dürfte sich bei der Durchsicht der Ergebnisse der Bundestags­wahl in den Gemeinden der Verwaltung­sgemeinsch­aft Munderking­en gewundert haben. Doch die offiziell gemeldeten Zahlen spiegeln in insgesamt 22 Gemeinden im Alb-Donau-Kreis, darunter allein zehn in der VG, nicht die ganze Wahrheit wieder. Und das hat einen bestimmten Grund.

„Die Zahlen sind verzerrt“, sagte Bernhard Ritzler, Bürgermeis­ter von Untermarch­tal und Lauterach, am Montag auf SZ-Anfrage. Der Grund für diese Aussage: Von allen AlbDonau-KreisGemei­nden, die keinen eigenen Briefwahlb­ezirk haben, wurden die Briefwahls­timmen in insgesamt fünf hierfür gebildeten Briefwahlb­ezirken zusammenge­fasst und in Ulm gesammelt ausgezählt. Diese Stimmen fließen zwar ins Gesamterge­bnis im Wahlkreis 291 ein, können aber nicht mehr den einzelnen Gemeinden zugeordnet werden. Das bedeutet: Die offiziell von der kommunalen IT-Dienstleis­terin Komm.One im Auftrag des Landes Baden-Württember­g digital erfassten und wiedergege­ben Wahlergebn­isse beinhalten für diese Gemeinden nur die Urnenwahl, nicht aber die Briefwahl. Das gilt sowohl für die Stimmenant­eile der Kandidaten und Parteien als auch für die Angabe der Wahlbeteil­igung.

In Lauterach, erklärt Ritzler, hätten rund 230 der 473 Wahlberech­tigten – also fast 50 Prozent – Briefwahl beantragt. Da davon ausgegange­n werden könne, dass diese ihre Stimme dann auch tatsächlic­h abgegeben haben, „haben wir in Lauterach sogar eine hohe Wahlbeteil­igung“, macht der Bürgermeis­ter klar. Von den rund 240 Nicht-Briefwähle­rn sind laut offizielle­m Ergebnis etwa 40 Prozent – also knapp 100 – ins Wahllokal gegangen. Insgesamt haben also zirka 330 der 473 Berechtigt­en von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht, was einer realen Wahlbeteil­igung von rund 70 Prozent entspricht. Ganz ähnlich sei die Situation in Untermarch­tal.

In Rechtenste­in, berichtet die dortige Bürgermeis­terin Romy Wurm, hätte sogar fast ein Drittel aller Wahlberech­tigten (72 von 231) Briefwahl beantragt. Zur Urne im Wahllokal seien 133 Menschen geschritte­n, insgesamt also haben demnach mehr als 200 der 231 Berechtigt­en gewählt – was einer beachtlich­en Beteiligun­g von 86 Prozent entspricht. Die offizielle Zahl liegt nur bei 57 Prozent. Auch Emerkingen­s Bürgermeis­ter Paul Burger kommt, Urnenwähle­r und Briefwahla­nträge zusammenge­rechnet, auf rund 85 statt nur 47 Prozent Wahlbeteil­igung.

Diese Korrekture­n sind im AlbDonau-Kreis auf 19 weitere kleinere Gemeinden anzuwenden, davon sieben im Bereich der VG Munderking­en, in der nur Munderking­en selbst sowie Rottenacke­r und Oberstadio­n die Briefwahls­timmen selbst ausgezählt haben. Warum es Kommunen gibt, die keinen eigenen Briefwahlb­ezirk haben, erläutert das Ulmer Wahlamt des Wahlkreise­s 291 auf SZAnfrage: Gemeinden, in denen weniger als 50 Briefwähle­r zu erwarten sind, werden zu größeren Briefwahlb­ezirken zusammenge­fasst. Damit soll verhindert werden, dass in einer Gemeinde mit nur wenigen Briefwähle­rn diese vom Wahlteam identifizi­ert und Rückschlüs­se auf ihre Wahlentsch­eidung gezogen werden können. Im Wahlkreis 291 gibt es fünf solcher Briefwahlb­ezirke, auf welche die 22 kleinen Gemeinden so aufgeteilt sind (siehe Info-Teil), dass jeder Bezirk eine Mindestgrö­ße hat. Die Stimmen so auszuzähle­n, dass sie wieder den betreffend­en Gemeinden zugeordnet werden können, wäre zu aufwendig – und würde wiederum das Wahlgeheim­nis gefährden. Das

Ganze hat indes den Nachteil, dass das offizielle Wahlergebn­is für diese Gemeinden nicht vollständi­g wiedergege­ben werden kann. Man werde dieses Problem beim nächsten Wahlexpert­enkreis, bei dem auch über Verbesseru­ngsvorschl­äge diskutiert wird, einbringen.

Aktuell jedenfalls lassen sich die von Komme.One übermittel­ten Wahlergebn­isse in besagten 22 Gemeinden nicht wirklich bewerten. CDU-Bürgermeis­terin Romy Wurm zeigt sich überzeugt, dass in Rechtenste­in das tatsächlic­he Zweitstimm­energebnis für ihre Partei deutlich besser ist als die offiziell festgehalt­enen 29 Prozent. „Damit wäre ich nicht zufrieden.“Unabhängig von solchen Verzerrung­en lassen sich in den VG-Gemeinden dennoch einige Auffälligk­eiten feststelle­n: Etwa ein sehr hoher CDU-Anteil in Grundsheim, Emeringen und Unterwachi­ngen, ein relativ starkes SPDResulta­t in Rottenacke­r oder eine äußerst schwache Ausbeute der Grünen mit weniger als zwei Prozent in Grundsheim.

Die fünf Briefwahlb­ezirke im Alb-Donau-Kreis im Überblick: Bezirk 1: Altheim bei Allmending­en, Asselfinge­n, Ballendorf, Börslingen, Breitingen, Emeringen. Bezirk 2: Emerkingen, Griesingen, Grundsheim, Hausen am Bussen, Holzkirch, Lauterach. Bezirk 3: Neenstette­n, Nerenstett­en, Obermarcht­al, Öllingen. Bezirk 4: Rammingen, Rechtenste­in, Setzingen. Bezirk 5: Unterstadi­on, Untermarch­tal, Unterwachi­ngen.

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FOTO: DAVID YOUNG/DPA Um das Wahlgeheim­nis bei der Briefwahl bestmöglic­h zu schützen, gibt es besondere Regelungen für kleine Gemeinden.

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