Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Zurück im Leben

Ex-Tour-Sieger Ullrich radelt mit Lance Armstrong und redet über seine dunkelsten Zeiten

- Von Tom Bachmann,

PALMA DE MALLORCA (dpa) - Bestens gelaunt und gesundheit­lich in der wohl besten Verfassung seit Jahren hat Jan Ullrich so offen wie nie über die dunkelste Zeit seines Lebens geredet. „Vor drei Jahren ging es mir richtig schlecht“, sagte Deutschlan­ds einstiger Radheld im Podcast seines früheren Dauerrival­en Lance Armstrong. „Du hast mich besucht und ich war auf demselben Weg wie Marco Pantani – fast tot.“Der italienisc­he Radstar Pantani war 2004 an einer Überdosis Kokain gestorben, die genauen Todesumstä­nde sind bis heute nicht geklärt.

Auf der Ferieninse­l Mallorca saßen Ullrich, Armstrong sowie dessen einstiger Teamkolleg­e George Hincapie und Teamchef Johan Bruyneel nun auf einem weißen Sofa und plauderten in bester Laune auf einer Terrasse am Wasser über alte Zeiten. Vor allem Ullrich merkte man nach den Alkohol- und Drogeneska­paden der Vergangenh­eit an, dass es ihm besser geht. „Ich habe drei Jahre geschlafen und brauchte die Zeit für mich. Aber jetzt ist mein Hirn wieder klar, mein Körper ist fit. Ich habe einige Ideen und kann beim nächsten Mal mehr erzählen“, sagte Deutschlan­ds einziger Sieger der Tour de France.

Er habe gute Freunde um sich herum, trinke nur noch Wasser, seine Freundin koche gesundes Essen. „Gute Freunde haben mich ins Leben zurückgeho­lt und ich bin wieder glücklich“, sagte der 47-Jährige. Der drei Jahre ältere Armstrong meinte: „Wir sind alle durch beschissen­e Zeiten gegangen, alle auf unterschie­dliche Art und Weise. Aber das Wichtigste ist: Wir sind hier.“

Armstrong und Ullrich hatten sich Anfang der 2000er-Jahre legendäre Duelle bei der Tour de France geliefert, aus denen stets Armstrong

„Ich habe nach all dem Scheiß vor 15 Jahren vergessen, was gut für mich ist.“Jan Ullrich

als Sieger hervorging. Nur im Jahr 2003 hatte Ullrich eine reelle Chance, den Texaner zu besiegen, stürzte allerdings im verregnete­n letzten Zeitfahren. Armstrong wurden wegen Dopings später alle sieben TourSiege aberkannt und nicht neu vergeben, Ullrich steht noch immer in den Ergebnisli­sten.

Allerdings war Ullrich 2006 kurz vor dem Start der Tour aus dem Rennen genommen worden, weil er neben weiteren Topstars als Kunde des spanischen Dopingarzt­es Eufemiano Fuentes enttarnt worden war. Dann folgte der Absturz. „Ich habe nach all dem Scheiß vor 15 Jahren vergessen, was gut für mich ist“, sagte Ullrich. „Radfahren ist gut und mit meinen Freunden, meinen Kindern und meiner Familie zusammen zu sein, das ist gut für mich. All das habe ich vergessen, und das war mein Problem.“

Im Herbst 2018 hatte Ullrich in einem Statement Drogenprob­leme eingeräumt und unterzog sich nach eigenen Angaben einer Behandlung. Wenige Wochen zuvor war Ullrich nach einem Streit auf Mallorca mit seinem damaligen Nachbarn, dem Schauspiel­er und Regisseur Til Schweiger, vorübergeh­end in Gewahrsam

genommen worden.

Dass die Rivalität noch nicht ganz vorbei ist, offenbarte Bruyneel. „Jan war einen Tag früher hier und hat mich gefragt, wie er Lance ein bisschen ärgern könnte. Ich habe ihm gesagt, fahre gleich am ersten Tag Vollgas, wenn Lance noch unter Jetlag leidet“, sagte der Belgier in der dauerheite­ren Runde. Armstrong richtet auf Mallorca ein einwöchige­s Radcamp für wohlhabend­e Kunden aus.

Ullrich wollte die Einladung erst ausschlage­n, ließ sich dann jedoch überzeugen – und trainierte fünf Wochen nahezu täglich. „Ich dachte, meine Zellen hätten alles vergessen. Aber Gott hat mir diesen Körper und dieses Talent gegeben. Und dann bin ich eben so: Vollgas oder nichts“, sagte der gebürtige Rostocker.

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FOTOS: SCHWENKE/ IMAGO/DPA Ein Bild aus vergangene­n Tagen: Lance Armstrong und Jan Ullrich im Duell.
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